Namhafte Verlage, Künstler und Verbände aus der Region Stuttgart haben sich jüngst beim 20. Comic-Salon vor einem großen Publikum präsentiert. Nach der Corona-Zwangspause kamen 30 000 Besucher zu der internationalen Messe nach Erlangen.

Steffen Volkmer vom Stuttgarter Panini-Verlag wertet den 20. Comic-Salon Erlangen als eine Art Neuanfang. „Man hat gemerkt, dass die Comic-Fans regelrecht ausgehungert waren“, sagt er. Nachdem der ursprünglich im Jahr 2020 geplante 20. Comic-Salon wegen der Coronapandemie hatte abgesagt werden müssen, sei nun eine Aufbruchstimmung in der Szene zu spüren gewesen, die den Stuttgarter Comic-Fan begeistert. „Der Comic-Salon ist etwas Besonderes und für die Szene in Deutschland der wichtigste Treff“, sagt Volkmer. Das belegen auch die Besucherzahlen: Laut der Stadt Erlangen besuchten an vier Tagen rund 30 000 Besucher die Messe.

 

Autistin gewinnt „Max & Moritz“-Publikumspreis

Just eine Publikation aus dem Panini-Verlag hat zur Freude Volkmers auch den „Max & Moritz“-Publikumspreis gewonnen. In Daniela Schreiters preisgekröntem Comic „Lisa und Lio“ geht es um Autismus. Schreiter, selbst Autistin, hat über die künstlerische Auseinandersetzung mit Autismus gelernt, lockerer damit umzugehen. Selbst die Signierstunde am Stand des Panini-Verlags meisterte sie perfekt – auch wenn solche Begegnungen mit vielen Menschen für die 39-Jährige durchaus „eine große Herausforderung“ sind. Danach brauche sie immer eine längere Pause, sagt sie.

Publikum sucht die Nähe zu Zeichnern und Autoren

Wirtschaftlich habe sich die Teilnahme für den Panini-Verlag auch gelohnt, verrät Steffen Volkmer. Viele Besucher hätten sich die Publikationen aus dem Verlag von den Künstlern signieren oder mit Zeichnungen versehen lassen. „Genau das ist es ja, was den Salon ausmacht: hier kommt man den Zeichnern und Autoren ganz nah“, sagt Volkmer.

Er ist damit auf einer Linie mit Holger Bommer, dem Verleger des Esslinger Gringo-Comics-Verlags, oder Jenny Franz, der Redaktionsleiterin Comic beim Ludwigsburger Cross-Cult-Verlag. Die drei Südwest-Verlage gehörten – neben Egmont-Ehapa oder dem Carlsen-Verlag – zu den großen Playern der Szene.

„Nach der längeren Durststrecke hatten alle immensen Nachholbedarf“, sagt Jenny Franz. „Wir haben hier nach langer Pause viele alte Freunde wiedergetroffen und neue kennengelernt“, erklärt die junge Frau. Dass nicht zuletzt die im Rahmenprogramm gezeigte Gung-Ho-Ausstellung „Sehnsuchtsort Apokalypse“ viele Besucher angelockt hat, freut Frank. Dafür habe auch die Anwesenheit der beiden Künstler Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant gesorgt.

Esslinger Verlag Gringo-Comics wird im Herbst 30

Im Herbst wird wohl auch der Esslinger-Gringo-Verlag in Erlangen präsent sein – in Kooperation mit dem Verein Comicmuseum Erlangen. Die 30-jährige Geschichte des Verlags soll in einer Ausstellung präsentiert werden. Ebenso überraschend wie erfreulich für Bommer: Neben Verlags-Klassikern wie „Kommissar Fröhlich“ oder „Kommissar Eisele“ war auch eine Neuauflage des Comics „Knüppel Dick“ sehr gefragt. „Das wird sehr gut angenommen“, sagt der Esslinger Verleger, der aus den einstigen Softcover-Heften nun ein Buch gemacht hat.

Obwohl er „mit einem etwas mulmigen Gefühl“ nach Erlangen gereist war – auch ob der wieder steigenden Corona-Infektionszahlen – habe sich die Teilnahme gelohnt. Auch wegen des familiären Charakters.

Dies dürfte auch dazu führen, dass die Idee eines dauerhaften Comic-Museums bereits in absehbarer Zeit Realität in Erlangen Realität werden könnte. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat bei einem Besuch seine Unterstützung zugesagt.

Sechs Tonnen Comics zum Kilopreis

Nicht nur Verlage haben sich aber präsentiert. Die Sammler-Ecke Esslingen war mit ihrem legendären Angebot „Comics zum Kilopreis“ dabei und hatte für die Fans mehr als sechs Tonnen Comics im Gepäck „die bei den Sammlern reißenden Absatz fanden“, so Frieder Maier. Für ihn ist der Comic-Salon „ein absolutes Muss, nicht zuletzt wegen der vielen Stammkunden, die immer hierherkommen“. Das schnelle Geschäft stehe in Erlangen nicht im Vordergrund.

Nicht anders sieht es Stefan Brenner, Inhaber von „Comic & Spielzeug“ in Stuttgart. Für ihn bot der Salon nach der langen Corona-Durststrecke im Messebereich „einen Hauch von Normalität“. Brenner, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat, sieht die Branche aber vor schwierigen Zeiten. Nicht zuletzt der Papiermangel werde Comics teurer machen. Das schlage auch bei Händlern durch, von denen es immer weniger gebe, wie auch bei Spezialanbietern. „Comics braucht man ja nicht wirklich“, resümiert der leidenschaftliche Disney-Enten-Fan nüchtern. Seit den Anfängen in den 80er-Jahren ist Brenner beim Comic-Salon mit von der Partie: „Das ist eine gute und schöne Tradition“.

Mit namhaftem Verlag im Gespräch

Künstler und Nachwuchskräfte aus dem Südwesten haben auf dem Salon als Kleinaussteller teils „absolut überraschende“ Erfahrungen gemacht, sagt die Ludwigsburger Illustratorin Kerstin Jans, alias: Keja Blank, die mit ihrem in Steinenbronn lebenden Kollege Jonas Grund dort war. Mit einer für die Messe produzierten Comic-Idee aus dem Fantasy-Spektrum haben die beiden nicht nur viele Fans gewonnen – „alle unsere ,Flüsterhain’-Exemplare waren bereits am zweiten Tag verkauft“. Auch steht das Duo mit einem namhaften Verlag für ein Projekt im Austausch. „Das Potenzial unserer Idee wurde erkannt“, sagt die ausgebildete Grafikerin Jans. Dass die erste Teilnahme auf der Messe so enden könnte, darauf hatten Jans und Grund zwar gehofft, aber es kaum erwartet.

Schwarzwald-Comics und Graphic-Novel

Eine Premiere war auch für Ilona Trimbacher die Comic-Salon-Teilnahme. Die in Sindelfingen geborene Illustratorin, die unter anderem für die Wirtschaftsseiten dieser Zeitung Beiträge zum Thema „Finanzen“ illustriert hat, hat mit ihren „Schwarzwälder Stricheleien“ auf sich aufmerksam gemacht. „Es war eine sehr interessante Erfahrung“, sagt Trimbacher, die in zwei Jahren erneut teilnehmen will. Dann sollen auch die ersten fertigen Schwarzwald-Comics dort finden sein, wie auch eine Graphic-Novel zu einem namhaften Künstler. „Für den 20. Salon hatte es mit der Fertigstellung leider nicht gereicht“, sagt die 41-Jährige.

In der Comic-Szene tut sich was

Icom-Preis
Im Rahmen des 20. Comic-Salons hat der in Stuttgart beheimatete Interessenverband Comic (Icom) erneut den Icom-Indepentent-Comic-Preis vergeben. Oliver Ottisch hat einen Sonderpreis für „Die Liebe ist stärker als der Tod“ erhalten. Josephine Mark hat für „Murr“ (erschienen im Zwerchfell-Verlag) den Preis bester Independent-Comic als Verlagspublikation erhalten. Dritter Preisträger war Geier (Jürgen Speh) für die Publikation „The...“ im Eigenverlag.

Fanshop
Im Stuttgarter Einkaufszentrum Milaneo wird der Ludwigsburger Cross-Cult-Verlag Ende August einen eigenen Manga-Cult-Store! eröffnen. In dem Flagship-Store im soll das gesamte Programm von Cross Cult und Manga Cult erhältlich sein. Laut der Redaktionsleiterin Comic sollen aber nicht nur verlagseigenen Titel dort angeboten werden. Außerdem soll der Szene bei Veranstaltungen ein Treffpunkt geboten werden.

Comics & Bier
Regelmäßig treffen sich Comicfreunde in der Stuttgarter Galerie Schacher (Künstlerhaus, Breitscheidstraße 48) sowie in Böblingen im Kulturnetzwerk Blaues Haus (Lange Straße 20) zu der Veranstaltung „Comics & Bier“, dem Pop- und Trinkkultur-Talk. Jeweils ein literarischesQuartett spricht dabei über Comics und stellt Craftbiere vor. Die nächste Veranstaltung dieser Reihe findet am Montag, 27. Juli, in Stuttgart statt. Beginn ist um 20 Uhr.

Max-und-Moritz-Preis
In diesem Jahr wurde beim 20. Comic-Salon Erlangen der Max-und-Moritz-Preis vergeben an: Birgit Weihe (beste deutschsprachige Comic-Künstlerin); Aisha Franz – „Work-Life-Balance“ (bester deutschsprachiger Comic); Steven Applerby – „Dragman“ (bester internationaler Comic); Liv Strömquist – „Im Spiegelsaal“ (bester Sachcomic); Josephine Mark – „Trip mit Tropf“ (bester Comic für Kinder); Lina Ehrentraut – „Melek + ich“ sowie Daniela Heller – „Pfostenloch“ und Jeff Chi – „Who’s the Scatman“ (beste deutschsprachige Comic-Debüts); Alexander Braun (Spezialpreis der Jury); Daniela Schreiter – „Lisa und Lio“ (Pulikumspreis); Naoki Urasawa (Sonderpreis für ein herausragendes Lebenswerk).