Reifes Obst im Herbst Die Birnenplage vor der Haustür

In einem Wohngebiet in Stuttgart-Vaihingen verfaulen Früchte von städtischen Bäumen. Warum will sie keiner ernten?
Vaihingen - Der Herbst ist da, macht die Blätter bunter, wirft die Äpfel runter, bringt Nüsse auf den Teller, Birnen in den Keller. So heißt es im Kinderlied. Doch die Realität sieht häufig anders aus. Nicht nur auf den Streuobstwiesen warten viele Bäume darauf, abgeerntet zu werden, sondern auch am Straßenrand, so zum Beispiel im Wohngebiet Höhenrand in Stuttgart-Vaihingen. Dort hat das städtische Gartenamt vor einigen Jahren zwischen den Walnuss- noch Birnbäume gepflanzt. Dieses Jahr hängen sie brechend voll mit Früchten, wenn auch die meisten sehr klein sind. Einige Äste sind schon abgebrochen.
„Mir widerstrebt es, dass Obst einfach nur vergammelt“, sagt eine Vaihingerin. Sie wünscht sich, dass die Stadt die Bäume für die Bürger zum Abernten freigibt. Im Landkreis Esslingen kennzeichnen Obstbaumbesitzer, die ihre Früchte nicht selbst verwerten können, die entsprechenden Gehölze mit gelben Bändern. Diese Aktion ist vor Kurzem sogar mit dem Bundespreis „Zu gut für die Tonne“ ausgezeichnet worden. Die Bänder machen deutlich: Hier darf sich jeder bedienen. So soll der Lebensmittelverschwendung entgegengewirkt werden.
Das Stuttgarter Garten- und Friedhofsamt möchte dieses Modell aber nicht etablieren. Statt dessen könne man sich telefonisch um abzuerntende städtische Obstbäume bewerben, hat die Vaihingerin erfahren. Sie findet das viel zu umständlich.
In geringen Mengen dürfen Früchte pfleglich entnommen werden
Jasmin Bühler, Sprecherin der Stadt, erklärt, dass die im Gebiet Höhenrand vor einigen Jahren gepflanzten 21 Holzbirnen eine gute Nahrungsgrundlage für Vögel seien. Und auch die Bürger dürften sich bedienen. Grundlage dafür sei die Grünflächensatzung der Stadt. Dort steht zwar, dass das Abweiden, Abmähen oder Abernten von Früchten grundsätzlich nicht erlaubt ist. Außerhalb von gärtnerisch angelegten Flächen dürften jedoch Pflanzen und Früchte in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnommen werden.
„Es ist im Sinne der Kulturlandschaft, dass das Obst auch genutzt wird“, sagt Bühler. Pfleglich entnehmen bedeute, dass Bäume nicht beschädigt werden, dass keine Autos in die Grünanlagen fahren und dass die darunter befindliche Vegetation nicht in Mitleidenschaft gezogen wird. „Es gilt der Grundsatz, dass möglichst viele Bürger von jeweils geringen Mengen profitieren und keine gewerblichen Absichten befördert werden.“
Interessierte könnten telefonisch Kontakt mit dem Gartenamt aufnehmen. Von dieser Möglichkeit werde rege Gebrauch gemacht, betont Bühler. Allerdings gelte das Angebot nur für die Außenbezirke. „In den Innenstadtbereichen und Parkanlagen wären zu viele Interessenten auf viel zu wenige Bäume zu vermitteln“, sagt die Pressesprecherin. Ein Markieren der Bäume, beispielsweise mit gelben Bändern, würde signalisieren, dass Bäume zur Komplettabernte freigegeben sind. „Dieses Signal wird bewusst nicht gesetzt.“
Die Wespen machen sich in Scharen über das Fallobst her
Für die Birnen im Gebiet Höhenrand scheint sich indes niemand zu interessieren. Die Früchte fallen zu Hunderten herunter. Sie werden von Autos zermatscht, Wespen machen sich darüber her. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis jemand gestochen wird. Wer Obstbäume pflanzt, der sollte schon beim Pflanzen überlegen, wie das einmal mit der Ernte wird. Das kommt ja nicht plötzlich“, sagt die Vaihingerin. Die Anwohner hätten jetzt die Birnenplage vor ihrer Haustür, ohne dass die Stadt wenigstens die Gehwege reinige.
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