Zu sagen, der Islam gehöre bereits zu Deutschland, ist verfrüht. Wer zu Deutschland gehören will, muss westliche Werte akzeptieren, kommentiert unser Autor Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Angela Merkels Widerspruch gegen das, was sich in Dresden Pegida und anderswo ähnlich nennt, umfasst fünf Wörter: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Sie wiederholt damit ein von Anfang an umstrittenes Bekenntnis des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff. Und sie tut das nicht zum ersten Mal. Der Satz soll ermutigend und beruhigend wirken. Die Kanzlerin grenzt sich damit ab gegen Hetze, Panikmache und Unterstellungen, der Islam würde zum Untergang des Abendlandes führen.

 

Merkels Absicht ist zu loben. Gleichwohl trifft das, was sie sagt, nicht die Realität. Der Islam gehört zu Deutschland? Der  programmatische Satz ist in seiner Schlichtheit zumindest missverständlich. Der Islam gehört zur arabischen Welt, wo diese Religion entstanden ist. Er gehört zu Spanien, auf dessen Territorium mehr als 700 Jahre lang muslimische Potentaten geherrscht haben. Zu Deutschland gehören die fast fünf Millionen Muslime, die hier zum Teil seit Jahrzehnten in großer Mehrzahl friedlich leben. Auf diese Differenzierung legt auch Wulffs Nachfolger Wert, der aktuelle Bundespräsident Joachim Gauck.

Der Fanatismus im Namen Allahs ist ein Problem des Islam

In seiner Pauschalität ist Merkels Befund ebenso irreführend wie die wohlmeinende Versicherung, Gräueltaten wie die Morde der Gebrüder Kouachi hätten mit dem Islam nichts zu tun. Das ist offenkundig falsch. Solche Anschläge werden überproportional oft von Leuten begangen, die ihre Gewalt mit den Worten Mohammeds rechtfertigen. Islamische Glaubenssymbole und der Koran spielen eine zentrale Rolle für ihr Selbstverständnis als Terroristen. Nicht selten wurden sie in Moscheen radikalisiert. Wie könnte man also behaupten, der Islam habe damit nichts zu tun? Der Fanatismus im Namen Allahs ist ein Problem des Islam. Die friedliebende Mehrheit der Muslime muss sich dem stellen.

Die meisten Deutschen haben keine Albträume wegen der zunehmenden Zahl muslimischer Nachbarn. Aber viele fremdeln mit dem Islam. Die Akzeptanz ist brüchig. Ein Nebel von Ressentiments, Vorbehalten, schierem Unverständnis und diffusen Besorgnissen umwabert den Islam. Und dafür ist nicht allein die Mehrheitsbevölkerung verantwortlich. Der Islam ist präsent hier, aber noch nicht heimisch. Das wird sich ändern. Für den Islam muss Platz sein in Deutschland. Muslime sind zu uns gekommen, um hier zu arbeiten. Wir sind auf sie angewiesen. Aus Gastarbeitern wurden Mitbürger – muslimische Deutsche. Sie haben ein Anrecht darauf, ihre Religion auszuleben, ihre Bräuche zu pflegen. Dazu bedarf es Moscheen, muslimischer Kulturzentren, Kindergärten und Altersheime. Deutschland war 2000 Jahre lang ein von christlich-jüdischen Traditionen geprägtes Land. Nun ist der Islam dabei, Teil Deutschlands zu werden. Ähnliches passiert in unseren Nachbarstaaten.

Glauben ist hier Privatsache, das muss respektiert werden

Aber noch ist Merkels Feststellung allenfalls ein frommer Wunsch. Es wäre nutzbringender, angesichts dieser Perspektive auf eine Europäisierung des Islam zu sinnen, als sich von der Horrorvision einer Islamisierung Europas schrecken zu lassen. Muslime stehen in westlichen Ländern unter größtem Anpassungsdruck. Sie finden sich in einer säkularen Gesellschaft wieder, die religiöse Toleranz verlangt, weltanschauliche Neutralität des Staates. Der Glauben ist hier Privatsache, Gesetze und Justiz haben sich nicht nach ihm zu richten. Wer voll und ganz zu Deutschland gehören will, muss das respektieren. Er kann sich nicht an Verhaltensmustern des orientalischen Mittelalters orientieren, nicht am Ehrenkodex patriarchalischer Gesellschaften, sondern einzig an den Werten der Aufklärung.

Sonntagsreden reichen nicht aus, das in den Köpfen zu verankern. Der Lernprozess würde zweifellos beschleunigt, wenn mit solch strikten Erwartungen auch Aufstiegschancen verbunden sind.