Im Rennen um den CDU-Vorsitz empfiehlt die Frauen Union die Wahl von Norbert Röttgen oder Armin Laschet. Friedrich Merz schaut in die Röhre. Warum? Das erklärt die Vorsitzende Annette Widmann-Mauz im Interview.

Berlin - Die Frauen Union wollte es ganz genau wissen: Mit Fragebögen, Kandidatenbesuchen und Videobefragungen haben die CDU-Frauen versucht, sich ein Bild über die Bewerber um den Parteivorsitz zu machen. Das Ergebnis ist eindeutig zweideutig. Annette Widmann-Mauz erläutert im Interview die Entscheidung.

 

Frau Widmann-Mauz, die Frauen Union hat ihre Empfehlungen für die Wahl des Parteivorsitzenden an die weiblichen Delegierten gegeben. Statt einer haben sie zwei Empfehlungen ausgesprochen. Warum?

Für uns Frauen in der Union steht der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland an erster Stelle. Die CDU muss die Partei der Mitte bleiben, dabei gleichzeitig moderner werden und den Wandel gestalten – dafür stehen unserer Ansicht nach Armin Laschet und Norbert Röttgen gleichermaßen. Beide bringen sie Regierungserfahrung mit. Beide wollen die CDU weiblicher machen und die Vorschläge der Struktur- und Satzungskommission für eine Frauenquote unterstützen. Die überwiegende Mehrheit der Mitglieder des Vorstandes hat klar geäußert, dass einer der beiden Bewerber für sie diese Kriterien am besten erfüllt. Da aber keine eindeutige Stimmungslage für einen der beiden sprach, haben wir uns darauf verständigt, eine Empfehlung für beide abzugeben.

Wie haben Sie sich ihre Meinung gebildet?

Wir haben ein dreistufiges, sehr transparentes Verfahren durchgeführt. Wir hatten alle Kandidaten einzeln virtuell zu Gast. Auf einen anschließenden schriftlichen Fragenkatalog haben die drei Kandidaten sehr unterschiedlich geantwortet, nicht nur inhaltlich, sondern auch in der Form. Und dann gab es noch mündliche Fragen per Video. Die Antworten sind auf unserer Website und unseren Social-Media-Kanälen zu sehen.

Was waren die Kriterien, die angelegt wurden?

Eine wichtige Frage war, ob die Kandidaten zum Zusammenhalt der CDU beitragen können. Es ist nicht einfach für eine so große Volkspartei, nach einer wettbewerblichen kontroversen Entscheidung die Geschlossenheit zu bewahren. Wichtig war auch der Aspekt, wie glaubwürdig die Kandidaten sind, wenn es darum geht, für die Anliegen der Frauen in der Partei einzustehen. Wie klar sind ihre Aussagen zur Repräsentanz von Frauen in Parlamenten und Regierungen? Wie glaubwürdig ist das, was sie in ihr Schaufenster stellen? Dann ging es auch um Führungskompetenz, Erfahrung in Parlamenten und Regierungen. Und natürlich spielt beim Parteivorsitz auch die Frage einer künftigen Kanzlerkandidatur eine Rolle.

Vor zwei Jahren waren die weiblichen Delegierten, die ein Drittel des Parteitags stellen, ein maßgeblicher Faktor im Kampf um den Parteivorsitz. Hatten Sie das Gefühl, das war den drei Kandidaten jetzt bei der Befragung bewusst?

Ich gehe davon aus, dass es allen bewusst ist. In jedem Fall aber den beiden, die wir zur Wahl empfehlen.

Ihr Meinungsbild wird auch so gelesen werden, dass es eine Entscheidung gegen einen der drei Kandidaten ist – gegen Friedrich Merz. Wie sind sie mit dieser Schwierigkeit umgegangen?

Wir haben nicht Defizite diskutiert, sondern über Chancen und Potenziale. Die kamen allerdings auch sehr klar zum Ausdruck, insbesondere wo es um die Fragen ging: Wie glaubwürdig stehen die Bewerber für eine Modernisierung der Partei? Für uns ist entscheidend, ob wir darauf vertrauen können, dass sie die in der Partei entwickelten Empfehlungen dafür auch vorantreiben werden. Da geht es nicht allein um die Weiterentwicklung des Quorums zu einer Quote oder um die Frage von familienfreundlichen Sitzungszeiten und Kinderbetreuung. Es geht auch um die Frage: Wie stark wird die Mitwirkung von Frauen in der Partei eingefordert, wertgeschätzt und wie wird es umgesetzt? Und da haben Armin Laschet und Norbert Röttgen klar das Vertrauen der Frauen erhalten. Sie haben erstens klare Aussagen getroffen, dass sie sich hinter die Forderungen stellen. Und sie haben es zweitens durch ihr Handeln, sei es in Regierungs- und Parteiarbeit, gezeigt oder für die Aufstellung von Teams für den Parteivorsitz in Aussicht gestellt.

Welche Rolle hat die Position der Kandidaten beim Blick auf die Quote gespielt?

Es geht doch um die Frage, ob es bei Lippenbekenntnissen oder Trippelschritten bleibt oder ob die Notwendigkeit von den Bewerbern klar erkannt wird, das aus der Spitze zu befördern und nicht nur auf Bewegung an der Basis zu warten. Das hat bei der Abwägung zwischen den Bewerbern eine wichtige Rolle gespielt.

Wer der beiden anderen hat denn wo besonders gepunktet?

Bei beiden ist völlig klar, dass für die inhaltliche Ausrichtung die klare Verortung der CDU in der Mitte liegt. Das bedeutet auch eine klare Abgrenzung nach rechts außen aber auch nach links. Norbert Röttgen hat sicherlich beeindruckt durch klar formulierte Positionen und Auftreten. Einige trauen ihm zu, gerade junge Wählerinnen und Wähler anzusprechen. Für Armin Laschet sprechen seine erfolgreiche Regierungstätigkeit als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, seine Verlässlichkeit, genau wie sein Anspruch, die CDU als Team zu führen und den Zusammenhalt auch glaubwürdig zu organisieren.

Welche Rolle hat es gespielt, dass Norbert Röttgen mit Ellen Demuth als seiner Chefstrategin als einziger eine Frau ganz vorne im Team präsentiert hat?

Für Frauen ist wichtig, dass Ankündigungen zum Thema Gleichstellung auch nachhaltig sind. In Röttgens Team sind Frauen als selbstverständliche Partnerinnen sichtbar und er sieht die Gleichberechtigung als wichtig für die strategische Neuausrichtung. Armin Laschet hat bewiesen, dass er Frauen in wichtige Positionen beruft, zum Beispiel hat er vier von fünf Regierungspräsidien in NRW mit Frauen besetzt.

Wie kann ein Sieger hinterher die Teile der Partei einbinden, die sich nicht für ihn entschieden haben?

In der Diskussion war es ein wichtiger Punkt, dass sowohl Laschet als auch Röttgen mit der Art, wie sie ihre Kampagnen betreiben, sehr auf den Zusammenhalt in der Partei hinweisen. Die Frauen Union leistet ihren Beitrag dazu, indem sie Präferenzen ausdrückt und nicht negativ kommuniziert.

Was macht Sie denn zuversichtlich, dass es diesmal mit der Einigung der Partei besser läuft als nach der Wahl 2018?

Es ist kein Selbstläufer. Sondern erfordert große Disziplin und Verantwortungsbewusstsein von allen Beteiligten. Das ist eine Ansage, die wirklich an alle geht. Aber die Ausgangslage ist natürlich eine andere. Wir stehen heute neun Monate vor der Bundestagswahl. Vor uns liegt eine gemeinsame Nominierung eines Kanzlerkandidaten mit der CSU. Unsere politischen Mitbewerber haben sich zum Teil bereits positioniert. Die Demokratie steht in erheblichem Maße unter Stress, die Pandemie stellt uns gesundheits- und wirtschaftspolitisch vor größte Herausforderungen. In einer Situation, in der sich die Welt zudem stark verändert – Stichwort Digitalisierung, Globalisierung, Migration – muss die CDU ihrer Verantwortung und auch ihrem Anspruch gerecht werden, das Land in den Vordergrund zu rücken und nicht interne Scharmützel auszutragen. Wir haben eine gute Ausgangsbasis. Die Menschen vertrauen der Bundesregierung, das ist ein Pfund, auf dem wir aufbauen müssen und es nicht gefährden.

Wie bedauerlich ist es für Sie, dass keine Frau zum Kandidatenfeld zählt?

Einerseits ist es schade, denn die CDU ist viel weiblicher, als man es manchmal denkt Aber nicht in entscheidenden Positionen, die wiederum eine gute Ausgangsposition sind für eine solche Kandidatur. Ich hätte mich über eine Kandidatin gefreut. Auf der anderen Seite ist es aber auch ein Stück weit Normalität. Wir haben mit Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer zwei Vorsitzende nacheinander gehabt. Wichtig ist, dass es nicht wieder über 50 Jahre dauert, bis wieder Frauen kandidieren.

Verraten Sie uns, wen Sie wählen werden?

Ich persönlich werde Armin Laschet wählen und habe das auch in der Frauen-Union so vertreten.

Wie gehen Sie damit um, dass sie als Chefin der Frauen-Union für Laschet votieren, Ihr Landesverband, dessen Vizevorsitzende Sie sind, aber Merz favorisiert?

Die CDU Baden-Württemberg ist stolz auf ihre Wurzeln, und der Liberalismus in Württemberg ist sehr ausgeprägt. Deshalb ist sie stark genug auszuhalten, dass es auch Meinungen innerhalb des Landesverbandes gibt, die unterschiedlich sind. Das ist Ausdruck unserer Volkspartei.