Warschaus früherer Botschafter Janusz Reiter würdigt die Verdienste der Bosch-Stiftung um die deutsch-polnischen Beziehungen.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Warschaus früherer Botschafter Janusz Reiter würdigt die Verdienste der Bosch-Stiftung um die deutsch-polnischen Beziehungen. Der Germanist und ehemalige Journalist war von 1990 bis 1995 Polens Botschafter in Deutschland. Danach gründete er das Zentrum für Internationale Beziehungen in Warschau. Von 2005 an war Reiter zwei Jahre lang polnischer Botschafter in den USA.

 
Herr Reiter, Sie sind zurzeit als sogenannter „Fellow“ der Bosch-Stiftung in Berlin. Was machen Sie dort?
Ich versuche mir einen aktuellen Überblick zu verschaffen über die politische Entwicklung in Deutschland und über die europäische Politik, wie sie von Deutschland aus gesehen und mit gestaltet wird. Man kann Politik in Polen gar nicht machen, wenn man nicht weiß, was Deutschland will.
Sie waren Botschafter Polens in Bonn. Warum braucht ein Mann wie Sie die Unterstützung einer Stiftung, um Deutschland besser kennenzulernen?
Die Stiftung lädt mich in großzügiger Weise ein, mehrere Monate bei ihr zu verbringen. Das gibt mir die Chance, mich auf Themen zu konzentrieren, die mich besonders interessieren.
Wann sind Sie das erste Mal auf die Stiftung aufmerksam geworden?
Ende der 70er Jahre, als ich gerade mein Germanistikstudium beendet hatte, stieß ich auf die Stiftung, weil sie viele Übersetzungen polnischer Literatur und das deutsche Polen-Institut in Darmstadt gefördert hat. Diese Beziehung hat sich bis heute immer weiter intensiviert.
Welche Rolle hat die Bosch-Stiftung in den deutsch-polnischen Beziehungen gespielt?
Sie hat eine ganz wichtige Rolle gespielt, weil sie von Anfang an auf Spektakuläres verzichtet und stattdessen auf nachhaltige Arbeit gesetzt hat. Sie hat erfolgreich Dinge getan, damit Vertrauen entstand zwischen Deutschen und Polen – zum Beispiel durch die Förderung polnischer Literatur in Deutschland, durch Austauschprogramme für Lehrer, Schüler und Journalisten. Die Bosch-Stiftung trat dabei immer sehr bescheiden auf. Deshalb ist sie nie Teil der politischen Auseinandersetzung geworden. Sie ist für Tausende zum Symbol des Vertrauens und des Vertrauenswürdigen geworden.
Russlands aggressives Verhalten gegenüber der Ukraine hat in Polen große Sorgen hervorgerufen. Können Stiftungen in solchen Momenten deeskalierend wirken?
Man muss den Mut haben zu sagen: die bisherige Politik, die Russland in eine Art Wertegemeinschaft einbinden wollte, ist erfolglos geblieben. Auch die Hoffnung, man könne Russland in eine verantwortungsvolle Weltpolitik integrieren, ist mit dem Angriff auf die Ukraine beendet. Das ist nicht das Ende der Beziehungen zu Russland, aber das Ende eines politischen Konzeptes. Also muss man über ein neues nachdenken. Hier ist eine wichtige Rolle für Stiftungen und Think-Tanks, die das Nachdenken über schwierige außenpolitische Fragen unterstützen. Sie verfügen über das notwendige Instrumentarium, aber auch über menschliche Netzwerke. Die braucht man gerade in solchen Momenten.