Die SPD-Mitglieder in Thüringen haben entschieden: Sie wollen ihre Partei in einem rot-rot-grünen Bündnis sehen. Das bedeutet auch, dass Bodo Ramelow der erste linke Ministerpräsident der Bundesrepublik wird. Zuvor hatte diese Frage für viel Zündstoff gesorgt.

Erfurt - Thüringen nimmt 25 Jahre nach dem Mauerfall Kurs auf einen Regierungswechsel zu Rot-Rot-Grün mit dem ersten Ministerpräsidenten der Linkspartei. Die SPD-Basis machte am Dienstag den Weg frei für Koalitionsverhandlungen mit Linken und Grünen.

 

In einer Mitgliederbefragung habe die Zustimmung zur Aufnahme solcher Gespräche 69,93 Prozent betragen, sagte der SPD-Landesvorsitzende Andreas Bausewein nach Auszählung der Stimmzettel am Nachmittag in Erfurt. Für SPD-Verhältnisse sei das ein deutliches Votum. Bausewein: „Wir haben eine Grundsatzentscheidung getroffen. Ich gehe davon aus, dass es klappt.“

24 Jahre CDU-Regierung vor dem Ende

Das neue rot-rot-grüne Koalitionsmodell mit dem Linke-Politiker Bodo Ramelow an der Spitze wäre eine Zäsur: 24 Jahre CDU-Regierung würden beendet. Die Verhandlungen über ein Dreierbündnis, mit dem Linke, SPD und Grüne politisches Neuland betreten, sollen nach Angaben Bauseweins an diesem Mittwoch - gut sieben Wochen nach der Thüringer Landtagswahl - beginnen. Der SPD-Chef veranschlagte dafür etwa zwei Wochen. Die Vorstände der Linken und der Grünen hatten nach wochenlangen Sondierungsrunden bereits einstimmig für den Start des rot-rot-grünen Regierungsprojekts votiert.

Rot-Rot-Grün hätte nur eine Stimme Mehrheit im Landtag. Das gälte allerdings auch für die Alternative Schwarz-Rot, gegen die sich die Sozialdemokraten nach fünf Jahren als Juniorpartner der CDU entschieden haben. Offen ist, ob Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) angesichts der knappen Mehrheiten gegen Ramelow bei der Wahl - voraussichtlich Anfang Dezember - antritt.

Die Aussicht auf den ersten Linke-Ministerpräsidenten in Deutschland genau 25 Jahre nach der friedlichen Revolution gegen das SED-Regime sorgt seit Wochen für Debatten. Die Juniorrolle der SPD in einer Regierung mit einer mehr als doppelt so starken Linken ist auch bei den Sozialdemokraten umstritten.

"Ich hoffe, dass deshalb niemand austritt"

„Ich hoffe, dass deshalb niemand austritt. Wir brauchen alle Strömungen“, sagte der Thüringer SPD-Chef. Die SPD war im Herbst 1989 in Ostdeutschland wiedergegründet worden und hat viele ehemalige DDR-Bürgerrechtler in ihren Reihen.

In die Diskussion über die Regierungsfähigkeit der Linken hatte sich am Wochenende auch Bundespräsident Joachim Gauck eingeschaltet. Bausewein bezeichnete den Zeitpunkt von Gaucks Meinungsäußerung auf der Zielgeraden der Mitgliederbefragung als irritierend. Das Staatsoberhaupt hatte Zweifel angemeldet, ob sich die Linke weit genug von der Linie der DDR-Staatspartei SED entfernt habe.

Man dürfe nicht verkennen, dass die Linke seit über 20 Jahren Landräte, Bürgermeister und Oberbürgermeister stelle. Außerdem sei die Partei in den letzten eineinhalb Jahrzehnten auch an mehreren Landesregierungen beteiligt gewesen.

Die SPD-Bundesspitze begrüßte die Zustimmung von 70 Prozent ihrer Thüringer Parteimitglieder für rot-rot-grüne Koalitionsverhandlungen als „überzeugendes Ergebnis“. „Damit herrscht Klarheit, welche Regierung künftig die Geschäfte in Erfurt führen soll“, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Sie persönlich verstehe auch jene, die Vorbehalte und Bedenken haben gegen eine Landesregierung unter Führung der Linken. „Vielleicht ist es aber 25 Jahre nach dem Fall der Mauer und unter besonderer Berücksichtigung der Person Bodo Ramelow gerade an der Zeit, die Linke in die Regierungsverantwortung in Erfurt zu nehmen.“ Zugleich gelte, dass ein solches Regierungsbündnis keine Auswirkung auf die Koalition im Bund habe.

Die Bundes-Linke würdigte das klare Mitgliedervotum der Thüringer SPD für Rot-Rot-Grün als wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem Politikwechsel. „Das Ergebnis ist ein positives Signal der Übereinstimmung bei dem grundsätzlichen Wunsch aller drei Parteien, das Land Thüringen nach vorn zu bringen“, erklärte Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn.

Die 4300 Thüringer SPD-Mitglieder konnten mit Ja oder Nein über die einstimmige Koalitionsempfehlung ihres Vorstandes abstimmen. Insgesamt hätten sich knapp 78 Prozent der Mitglieder beteiligt, hieß es. Die Hürde für die Gültigkeit des Votums lag bei 20 Prozent.