Am 18. November fanden sich 75 Schornsteinfeger-Kollegen und -Kolleginnen ein, um die wegen Tim Schröders Krankheit liegengebliebene Arbeit zu erledigen. Foto: privat/Michael Köstler
Im Sommer ist nicht sicher gewesen, ob der an Leukämie erkrankte Tim Schröder das Krankenhaus wieder verlassen würde. Doch er hat überlebt – der Rückhalt seiner 75 Schornsteinfeger-Kollegen hat ihm dabei geholfen.
Christoph Kutzer
31.12.2023 - 07:00 Uhr
Tim Schröder wirkt ein wenig aufgekratzt. Der Schornsteinfegermeister, der für weite Teile Degerlochs zuständig ist, kommt eben vom Dienst. „Ich arbeite noch nicht voll“, erklärt er. Immerhin kann er seinen Traumberuf aber wieder ausüben. Im Sommer sah es in dieser Hinsicht düster aus. Schröder war mit Leukämie in ärztlicher Obhut und nicht nur die Zukunft als Schornsteinfeger stand in Frage: „Ich war mir nicht sicher, ob ich das Krankenhaus wieder verlassen werde“, blickt der 39-Jährige zurück.
Schornsteinfeger Tim Schröder liebt seinen Beruf. Foto: privat
Neben der medizinischen Versorgung und der Unterstützung durch die Familie half ihm schon damals der Rückhalt, den er durch Kollegen erfuhr. Angefangen bei Walter Baum aus dem Vorstand der Schornsteinfegerinnung des Regierungsbezirks Stuttgart. Direkt nach der Diagnose versicherte dieser, man werde sich darum kümmern, dass keine Arbeit liegen bleibe und mahnte, Schröder solle sich erst einmal um sich und seine Gesundheit kümmern. Dringende Abnahmen und andere Aufgaben, die keinen Aufschub duldeten, übernahmen die Vertreter des Bezirksschornsteinfegers. Für die gängigen Mess- und Kehrtätigkeiten entstand eine besondere Idee: ein Aufruf an alle Innungsmitglieder aus dem Raum Stuttgart, an einem Samstag ehrenamtlich tätig zu werden und Liegengebliebenes zu erledigen.
Auch die Anwohner waren von der Solidaritätsaktion angetan.
Tim Schröder war zunächst vorsichtig optimistisch. Er rechnete mit zwanzig bis 30 Kaminkehrern. Baum hoffte auf 50. Am 18. November fanden sich dann 75 Kollegen und Kolleginnen in Degerloch ein. „Das war eine echte Überraschung“, berichtet Schröder. „Vor allem waren alle hoch motiviert und mit Begeisterung bei der Sache.“ Auch die Anwohner zeigten sich angetan von der nicht eben alltäglichen Schornsteinfeger-Zusammenkunft. Normalerweise sind die schwarz gekleideten Fachleute schließlich einzeln unterwegs. Einige der Ehrenamtlichen waren für die Solidaritätsaktion sogar von weiter außerhalb angereist. Aus Augsburg etwa. Der dortige Obermeister habe in jungen Jahren selbst Erfahrungen mit einer Krebsdiagnose gemacht, erklärt Tim Schröder. „Weil ich nicht beim Bundesverbandstag des Schornsteinfegerhandwerks war, hat er mitbekommen, was los ist. Er war sofort bereit, zu helfen.“
Die Stadt Stuttgart hat 42 Kehrbezirke. Der Regierungsbezirk 320. Das klingt kleinteiliger als es sich für die Kaminfeger anfühlt. Der Zusammenhalt und die Identifikation mit dem eigenen Beruf seien in der gesamten Branche groß, sagt Tim Schröder, der seinen Bezirk seit zehn Jahren betreut. 97 Prozent der Kollegen im Regierungsbezirk seien Innungsmitglieder. Bei entsprechenden Veranstaltungen sehe man sich regelmäßig.
Apropos sehen: Schröder will nicht nur handwerklich überzeugen. Sein Anspruch: Die Leute sollen sich freuen, wenn der Schornsteinfeger kommt. Die persönliche Note ist ihm wichtig. Er hofft, schon bald wieder voll einsatzfähig zu sein. Daran hat er bereits im Krankenhaus gezielt gearbeitet, wo er, von Physiotherapeuten begleitet, an der Sprossenwand für die nächste Kaminbesteigung trainierte.