Die Diesel-Abgasaffäre hat das Geschäft von Audi zuletzt stark belastet. Unternehmenschef Rupert Stadler ist aber sicher, dass die Marke diese schwierige Phase gestärkt hinter sich lässt. Er sieht Audi gut aufgestellt.
08.03.2017 - 05:00 Uhr
Genf - Audi-Chef Rupert Stadler ist überzeugt, dass das Unternehmen gut für den globalen Markt aufgestellt ist. Mit einer breiten Modellpalette, einem guten Geist im Team und innovativen Ideen.
Herr Stadler, Sie sind jetzt seit zehn Jahren Audi-Chef. Was würden Sie hervorheben, wenn Sie eine Zwischenbilanz ziehen?
Wir haben Audi in dieser Zeit unter den Top-3-Premiummarken fest positionieren können. Wir haben in Nordamerika einen Turnaround geschafft, den kaum ein Hersteller in dieser Form schon einmal bewältigt hat. Wir haben Audi zu einem globalen Unternehmen gemacht. Unsere Modellpalette ist so breit aufgefächert wie noch nie. Wir haben zum Beispiel in etwas mehr als einer Dekade vier neue SUVs auf die Räder gestellt. Und wir haben einen Geist in der Company, auch in schwierigem Umfeld auf Angriff zu spielen.
Wenn man sich die aktuelle Entwicklung ansieht, scheint Audi gerade ein Formtief zu haben. Mercedes-Benz hat BMW beim Absatz überholt und gibt wahnsinnig Gas, Audi scheint dagegen aus der Puste zu kommen.
Ich bin überzeugt, dass wir trotz der Dieselkrise einiges geschafft haben. Wir haben unsere Marke beschützt und das Geschäft stabil gehalten. Wir haben das Unternehmen grundlegend umstrukturiert. Wir haben einen konkreten Fahrplan in die Elektromobilität beschlossen und mit neuen Modellen belegt. Wenn wir die Dieselthematik abgearbeitet haben, werden wir gestärkt aus dieser schwierigen Phase herauskommen. Wir mussten uns neu erfinden, in der größten Umbruchphase der gesamten Automobilindustrie, das ist ein unternehmerischer Triathlon.
Wie kommen Sie bei den Rückrufen in Europa voran?
Wir haben die Software in etwa 40 Prozent der betroffenen Autos erneuert. Die Kunden sind zufrieden. Der größte Teil der Dieselthemen wird in diesem Jahr abgearbeitet. Das kostet viel Kraft und Energie. Jede neue Software muss durchgeprüft werden, muss Langzeittests bestehen, muss freigegeben werden. Ich glaube, das trägt auch dazu bei, dass wir im Moment – um Ihr Bild aufzugreifen – tief schnaufen müssen.
Wenn man sich ansieht, was in diesem Jahr in Genf auf dem Stand steht, so fehlt der Renner, der den großen Schub bringen könnte. Zu sehen sind eher sehr sportliche Nischenmodelle und die nur etwas weiterentwickelte Studie des großen Geländewagens Q8, die schon in Detroit zu sehen war.
Das sehe ich anders. Die Studie des sportlichen Geländewagens Q8 ist in den USA sensationell angekommen, deshalb wollten wir es auch in Europa präsentieren. Und wie Sie sehen, ist das Auto auch in Genf dicht von Journalisten umlagert. Dann haben wir hier drei Modelle mit e-Gas – also synthetischem klimafreundlichem Erdgas. Das hat keiner unserer Premiumwettbewerber. Und weil sportliche Fahrer unsere Kunden sind, kommen als Kür ambitionierte sportliche Modelle hinzu. Der Audi RS5 ist quasi die Kirsche auf der Torte. Das ist ein sensationell schönes Auto. Und auch der wird uns Geld für die Themen von morgen in die Kasse bringen, obgleich die Stückzahlen nicht so hoch sind.
Und was ist mit Ihrem Highlight in diesem Jahr, der neuen Generation des Oberklasse-Flaggschiffs Audi A8?
Damit werden wir einen ganz neuen Weg gehen, nämlich im Juli einen sogenannten Brand-Summit in Barcelona veranstalten. Wir zeigen dort alles, was Audi kann. Diese Idee hatte ich schon seit Längerem im Kopf. Ich habe mich gefragt: Warum kann Apple einmal im Jahr die weltweite Fangemeinde zu sich nach Hause holen? Ich habe gesagt, genau das wollen wir auch. Wir haben das letztes Jahr in Shanghai ausprobiert, und es hat super funktioniert. Das machen wir jetzt in diesem Jahr, unter anderem mit dem neuen A8. Wir werden Produkte und Innovationen zeigen, all das, was wir können. Ich glaube, das wird für Furore sorgen, denn das hat keiner unserer Wettbewerber bisher getan.
In China lag Audi bisher vor BMW und Mercedes. Doch im Januar ist der Absatz eingebrochen, während Mercedes vorangestürmt ist. Es heißt, es gebe einen Streit mit Händlern. Was ist da los?
China wird der größte Markt der Welt bleiben – und auch der größte Premiummarkt mit wahrscheinlich drei Millionen Autos im Jahr. Wir müssen uns dort für die Zukunft stabil aufstellen. Deshalb haben wir unseren bisherigen Partner FAW in Peking, mit dem wir seit 25 Jahren zusammenarbeiten, darüber informiert, dass wir den Hersteller SAIC in Shanghai als zweiten Partner hinzunehmen werden. Wir haben FAW aber auch signalisiert, dass wir mit ihnen langfristig weiterarbeiten wollen, und haben gemeinsam eine Zehn-Jahres-Strategie ausgearbeitet. Das hat bei den Händlern zu Unsicherheit geführt, was in den nächsten Wochen sicher noch anhalten wird. Sie sehen mich aber relativ entspannt. Ich denke, dass wir diese Herausforderungen bewältigen werden.
Sie glauben, Sie kriegen das wieder hin? Mercedes hat ja schlechte Erfahrungen mit einer Zwei-Partner-Strategie in China gemacht.
Da bin ich sehr zuversichtlich. VW hat gute Erfahrungen mit einer Zwei-Säulen-Strategie gemacht. Ich habe eines gelernt: In China braucht man Zeit. Chinesische Unternehmer haben Zeit, und es wird nichts in drei Wochen entschieden. Jeder Händler ist auch Unternehmer. Der will eine gute Rendite haben. Und auch wir haben ein Interesse an profitablen Händlern. Mit den zusätzlichen Modellen, die in den kommenden Jahren in China starten, ist das garantiert.
Sie haben gerade mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung bis 2020 abgeschlossen und verhandeln jetzt über eine Zukunftssicherung für etliche Jahre darüber hinaus. Der Neckarsulmer Betriebsrat fordert, dass dort auch ein Modell aus dem wachstumsstarken Geländewagen-Segment produziert wird. Wie stehen die Chancen?
Ich kann gut nachvollziehen, dass ein Werk wie Neckarsulm das Bedürfnis hat, auch einen Geländewagen zu produzieren. Dieses Segment wird schließlich immer wichtiger. Es ist ein berechtigter Wunsch. Es muss sich aber auch für das Unternehmen lohnen. Wir werden darüber in einem konstruktiven Rahmen reden.