Der Krieg in der Ukraine treibt viele Menschen in die Flucht. Wie sich die EU, Deutschland und Baden-Württemberg auf einen möglichen Flüchtlingsstrom vorbereiten.

Berlin - Viele Menschen flohen am Donnerstag aus Angst vor Luftangriffen und den Truppen des russischen Präsidenten Wladimir Putin aus ihrer Heimat. In andere Teile der Ukraine, in Nachbarländer, aber auch nach Deutschland wird es die Menschen vermutlich ziehen.

 

Mit wie vielen Flüchtlingen rechnet man? Migrationsexperten haben drei mögliche Szenarien entworfen, allerdings noch vor dem Beginn des Russland-Ukraine-Kriegs am Donnerstag. Im schlimmsten Szenario wurde mit rund acht Millionen Flüchtlingen gerechnet – davon 1,3 Millionen, die nach Deutschland kommen könnten. Doch es gibt ganz unterschiedliche Schätzungen: Von 20 000 bis zu mehr als einer Millionen Flüchtlinge sprach zuletzt der Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas. Mit bis zu fünf Millionen rechneten US-amerikanische Geheimdienste.

Mit wie vielen Flüchtlingen die Bundesregierung jetzt rechnet, wollte sie am Donnerstag aufgrund der sich schnell ändernden Lage in der Ukraine nicht sagen. Bislang seien die Menschen vor allem innerhalb der Ukraine geflohen.

In welche Länder könnten sie fliehen? Polen wird als vermutlich wichtigstes Zielland ukrainischer Flüchtlinge genannt, das Land teilt mit der Ukraine eine rund 500 Kilometer lange Grenze. Aber auch in die anderen Nachbarstaaten, nach Ungarn, in die Slowakei oder Rumänien, könnte es die Menschen ziehen. Und einige könnten auch bis nach Deutschland fliehen.

Wie reagiert die Europäische Union? Die EU sei auf eine Fluchtbewegung aus der Ukraine vorbereitet, teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit. Notfallpläne an den Außengrenzen sollen helfen, die Flüchtlinge sofort aufzunehmen und unterzubringen. „Sie sind willkommen“, betonte von der Leyen. Zudem will die EU auch die Menschen, die innerhalb der Ukraine fliehen, unterstützen.

Was unternimmt Deutschland? An der deutsch-polnischen Grenze stellt sich die Bundespolizei auf Flüchtlinge aus der Ukraine ein. Laut einer Sprecherin hätten die Polizisten bis gestern Nachmittag aber noch keine aus der Ukraine Geflüchteten angetroffen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser wies darauf hin, dass Ukrainer nach geltender Rechtslage mit biometrischen Reisedokumenten ohne Visum in die EU und auch für bis zu 90-tägige Aufenthalte nach Deutschland einreisen können.

„Die Sicherheitsbehörden haben sich bereits intensiv auf alle denkbaren Szenarien vorbereitet und Schutzmaßnahmen hochgefahren.“ Und weiter: „Wir verfolgen sehr aufmerksam, ob es Fluchtbewegungen in unsere Nachbarländer geben wird.“ Sie versprach Deutschlands europäischen Partnern: „Wir werden die betroffenen Staaten – vor allem unser Nachbarland Polen – massiv unterstützen, sollte es zu großen Fluchtbewegungen kommen.“ Mit Blick auf den Status der Flüchtlinge warb Faeser dafür, einen EU-Mechanismus zu aktivieren, der eine unbürokratische Aufnahme von Kriegsflüchtlingen auch über die 90-Tage-Frist hinaus ohne Asylverfahren ermöglicht.

Wie reagieren die Städte und Gemeinden in Deutschland? Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert ein Hilfsprogramm von Bund und Ländern für mögliche Flüchtlingsströme aus der Ukraine. „Die Kommunen brauchen Mittel, um die Flüchtlinge unterzubringen und zu versorgen“, sagte Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, unserer Zeitung. Er drang darauf, dass sich Deutschland jetzt zügig auf die Flüchtlinge aus der Ukraine vorbereiten müsse: „Das kann nicht erst passieren, wenn die Menschen da sind. Und vor allem werden sie wohl nicht nur drei Wochen bleiben“, so Landsberg.

Wie werden die Flüchtlinge verteilt? Der sogenannte Königsteiner Schlüssel regelt die Verteilung der Flüchtlinge in Deutschland. Vor allem entsprechend der Einwohnerzahlen würden die Geflüchteten dann auf die Bundesländer verteilt werden.

Was macht Baden-Württemberg? Im Ministerium für Migration wird laut Justizministerin Marion Gentges ein Stab „Flüchtende aus der Ukraine“ eingerichtet. Hier sollen alle Aufgabenbereiche gebündelt werden, um mit einem möglichen Flüchtlingszustrom umgehen zu können.

In den Erstaufnahmeeinrichtungen könnten mindestens 1250 Personen untergebracht werden. Und: „Wir werden alle weiteren kurzfristig möglichen Erweiterungen von Aufnahmekapazitäten ausschöpfen“, so Gentges. Außerdem stünden für weitere Notunterkünfte Feldbetten, Schlafsäcke und Hygieneartikel in großer Zahl zur Verfügung. Zudem könnten ukrainische Staatsangehörige, die sich derzeit visumfrei zu einem Kurzaufenthalt in Baden-Württemberg befinden, bei den Behörden eine Erlaubnis für einen weiteren Aufenthalt einholen.