Die Teilmobilmachung in Russland deuten deutsche Politiker parteiübergreifend als Zeichen der Schwäche. Die Union will die Bundesregierung nun zu Panzerlieferungen an die Ukraine zwingen – doch Kanzler Scholz weicht aus.

Digital Desk: Simon Koenigsdorff (sko)

In der deutschen Politik fällt die Reaktion auf die angekündigte Teilmobilmachung in Russland weitgehend einhellig aus: Dass Präsident Wladimir Putin 300 000 Reservisten für den Krieg in der Ukraine einziehen wolle, hält man über Parteigrenzen hinweg für ein „Zeichen der Schwäche“.

 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte die Ankündigung am Mittwoch einen „Akt der Verzweiflung“. Mit der Entscheidung mache Russland „alles noch viel schlimmer“. Putin habe den Widerstand der Ukraine „komplett unterschätzt“ und könne diesen „verbrecherischen Krieg“ nicht gewinnen. FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner betonte: „Die Ukraine lässt sich davon nicht einschüchtern, und wir sollten es auch nicht tun.“ Lindner sprach von einem „Zeichen der Schwäche“ – eine Formulierung, die auch Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) wählte. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, erklärte, dies sei „auch eine neue Eskalation“. Sara Nanni, Obfrau der Grünen im Verteidigungsausschuss, sagte, sie blicke „mit großer Sorge“ auf die nächsten Tage.

Union will Abstimmung über Panzerlieferungen

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen schrieb auf Twitter, Putin wolle mit der Teilmobilmachung einen „Schein von Stärke“ bewahren. Der stellvertretende Unionsfraktionschef, Johann Wadephul, teilte mit, die Ukraine könne den Krieg gewinnen – allerdings brauche es dafür mehr schwere Waffen. Es sei „höchste Zeit“ für Deutschland, nun „endlich“ moderne Kampf- und Schützenpanzer zu liefern.

Damit spielte Wadephul auf einen Antrag seiner Fraktion an, über den am Donnerstag der Bundestag debattieren soll. In dem Entwurf, der unserer Zeitung vorliegt, fordert die Union „die Genehmigung für die Ausfuhr von Kampf-, Schützen- und Transportpanzern aus Industriebeständen an die Ukraine“, außerdem gepanzerte Gefechtsfahrzeuge und Artillerie auch aus Bundeswehrbeständen. Diese solle für die „sofortige“ Ausbildung der Ukrainer an den Waffen sorgen. Zur Begründung heißt es in dem Antrag, durch die Rückeroberungen der letzten Wochen liege das „Momentum aufseiten der Ukraine“. Nur mit weiteren Waffenlieferungen könne es zu einem „dauerhaften Frieden in Europa“ kommen. Deutschland müsse als „stärkste europäische Nation“ nun „Führungsverantwortung übernehmen“. Der Antrag beruft sich auch auf Politiker von FDP und Grünen, die wiederholt westliche Panzer für die Ukraine gefordert hatten.

Scholz spricht vor UN von „blankem Imperialismus“ Russlands

Angesichts der russischen Teilmobilmachung schrieb der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter auf Twitter, der Antrag sei jetzt „umso akuter“. Damit steigt in der Debatte über Waffenlieferungen der Druck auf die Regierung weiter an. Die blieb am Mittwoch jedoch dabei, keine westlichen Kampfpanzer an die Ukraine liefern zu wollen. Auch gebe es keine neue Einschätzung der atomaren Bedrohungslage, bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Das Thema Panzerlieferungen hatte Bundeskanzler Scholz bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch dagegen umschifft. Scholz führte in New York aus, man unterstütze die Ukraine „mit aller Kraft – finanziell, wirtschaftlich, humanitär und auch mit Waffen“. An anderen Stellen wurde Scholz dagegen deutlicher: Russlands Eroberungskrieg sei „blanker Imperialismus“. Die angekündigten Abstimmungen der Ostukraine über einen Beitritt zu Russland bezeichnete er als „Scheinreferenden“, die man nicht akzeptieren werde.

In seiner Grundsatzrede umriss Scholz darüber hinaus seine Vorstellung einer internationalen Ordnung, in der Krieg kein „gängiges Mittel der Politik“ sei. Dafür sei es nötig, internationale Verpflichtungen zu achten, veraltete UN-Institutionen zu reformieren, den Ländern des globalen Südens eine stärkere Stimme zu geben und die Prinzipien der UN-Charta auch tatsächlich durchzusetzen. „Diese Charta verspricht uns allen ein friedliches Miteinander“, so Olaf Scholz. Darüber hinaus erneuerte er Deutschlands Bewerbung um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat.