Die SSB stuft den engen Zeitplan für den S-Bahn-Ausbau von Bernhausen über Sielmingen nach Neuhausen neuerdings als problematisch ein.
Filder - Bisher hat der Zeitplan für die S-Bahn-Verlängerung von Bernhausen nach Neuhausen als ambitioniert, aber umsetzbar gegolten. Druck ist vorhanden, weil die Förderung durch den Bund ausläuft. Ende 2019 muss das Projekt nicht nur realisiert, sondern auch abgerechnet sein. Dazu hat sich der Technikvorstand der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB), Wolfgang Arnold, in der Vergangenheit stets optimistisch geäußert. Nun hat sich offenbar der Wind gedreht. Vorstandssprecher Reinhold Bauer versieht das Projekt, das die SSB im Auftrag des Verbands Region Stuttgart abwickeln sollen, neuerdings mit Fragezeichen.
Der SSB-Chef bekräftigt seine am Dienstag erstmals öffentlich gemachte Skepsis auf Nachfrage: „Wir gehen nicht davon aus, dass wir bis Ende 2019 gebaut und komplett abgerechnet haben.“ Der Vorstandssprecher stellt deswegen jedoch den Streckenausbau der S-Bahn nicht im Gesamten zur Disposition. „Das ist ein ganz wichtiges Projekt. Ich bin guter Hoffnung, dass gebaut werden kann.“
S-Bahn-Projekt ist bereits seit 1991 bekannt
Die SSB arbeiten nach den Worten Bauers bereits intensiv an den Plänen, die Voraussetzung für das Genehmigungsverfahren sind. Spätestens 2017 müsse mit dem Bau des nach aktuellem Stand 92 Millionen Euro teuren Projekts begonnen werden, um es 2019 abschließen zu können. In diesem engen Zeitrahmen ist kein Puffer für Verzögerungen enthalten.
Der SSB-Vorstandssprecher sieht deshalb auch „keinen Spielraum für Trassenvarianten“. Er reagiert damit auf eine im Filderstädter Stadtteil Sielmingen aufflammende Diskussion über eine Führung der Strecke im Tunnel (wir berichteten). „Zeitverzug können wir im Prinzip nicht brauchen“, sagt Bauer. Er bezeichnet die noch nicht öffentlich präsentierte Planung für die Strecke von Bernhausen über Sielmingen nach Neuhausen als „optimal“. Im Filderstädter Gemeinderat, der anno 1991 anlässlich der Köller-Aufsiedlung bereits über die Freihaltung der ehemaligen Filderbahntrasse gestritten und eine alternative Führung der S-Bahn nördlich der Landesstraße 1209 verworfen hat, soll das aktuelle S-Bahn-Thema erstmals in diesem Herbst aufgerufen werden.
Bund entscheidet 2015 über GVFG-Nachfolgeregelung
Der Fertigstellungstermin Ende 2019 ist aus heutiger Warte vor allem deshalb so wichtig, weil zu diesem Zeitpunkt das bisherige GVFG-Zuschussprogramm ausläuft. Die Bundesregierung hat bis dato noch nicht über ein Nachfolgeprogramm zur Subventionierung des ÖPNV entschieden. Das erschwert zeitkritische Vorhaben wie den Ausbau der Filder-S-Bahn. Über die im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD festgehaltene Anschlussregelung werde die Regierung 2015 entscheiden, kündigt der Esslinger CDU Bundestagsabgeordnete Markus Grübel nun an: „Der Bund wird die Länder nicht im Regen stehen lassen.“
Der Bedarf an Mitteln für die S-Bahn wie auch für die Verlängerung der Stadtbahn U 6 vom Fasanenhof zur Messe sei den Verkehrsministerien des Bundes wie auch des Landes schon lange bekannt, sagt Bauer auf Nachfrage. Offizielle Förderanträge sind hingegen noch nicht gestellt worden. Diesen Stand der Dinge hat der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann dem Landtagsabgeordneten Thaddäus Kunzmann (CDU) in einer Antwort auf eine Anfrage dargestellt. Offizielle Förderanträge „können erst nach Abschluss der Planfeststellung gestellt werden“, erläutert Bauer. Störfeuer aus dem Landesministerium habe er bisher nicht wahrgenommen, im Gegenteil: „Minister Hermann hat sich sehr eingebracht für das Projekt“, lobt der SSB-Chef.
Land übernimmt keine Ausfallbürgschaft
Üblicherweise beteiligen sich der Bund mit bis zu 60 und das Land mit 20 Prozent (die ebenfalls aus Berlin kommen) an den Baukosten. Kunzmann treibt nun die Sorge um, dass die Förderquoten sinken und die Projektbeteiligten – der Verband Region Stuttgart, der Landkreis Esslingen sowie Filderstadt und Neuhausen – stärker zur Kasse gebeten werden könnten. Das Land, so lässt Minister Hermann wissen, habe seine Kofinanzierung bereits zugesagt, übernehme aber keine „Ausfallbürgschaft“. Die Risiken im Zusammenhang mit dem Auslaufen des GVFG-Bundesprogramms seien der kommunalen Seite bekannt.
Auch Bauer benennt ein Wagnis für die Projektpartner. Aus heutiger Sicht halte er einen Erledigungsgrad von 80 Prozent des Ausbauprojekts (Streckenbau mit Zwischenabrechnung) bis Ende 2019 für realistisch. Das bedeutet, dass der Regionalverband unter Umständen etwa elf Millionen Euro zusätzlich für die S-Bahn locker machen müsste. Bis 2017 kann die Region laut Bauer noch einen Rückzieher machen. Die bis dahin angefallenen Kosten müssten die Projektpartner dann aber auch bezahlen.
Die Region hat Beratungsbedarf
Der Direktorin des Verbands Region Stuttgart, Nicola Schelling, ist die kritische Einschätzung der SSB zum zeitlichen Ablauf und zum finanziellen Risiko seit der letzten Sitzung des Projekt-Lenkungskreises vor Beginn der Sommerferien bekannt. „Wir müssen nun zusammen mit unseren Partnern überlegen, wie wir konstruktiv mit diesem Risiko umgehen“, sagte sie im Gespräch mit unserer Zeitung. Das soll bei der nächsten Zusammenkunft im November geschehen. Die Beschlusslage des Regionalparlaments zum Steckenneubau hat sich bisher nicht geändert.