Zahlreiche Aufzüge und Rolltreppen in den S-Bahn-Haltestellen in der Region Stuttgart streiken. Besonders ältere, schwangere oder gehbehinderte Menschen leiden darunter. Die Bahn gibt ihnen teils skurrile Empfehlungen, wie mit dem Problem umzugehen sei.

Stuttgart - Monika Seifert ist zum zweiten Mal schwanger. Sie wohnt in Stuttgart-Vaihingen, nahe der Haltestelle Universität, und möchte ihren richtigen Namen lieber unerwähnt wissen. Sie ist auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen. Wenn sie in die Innenstadt nach Stuttgart fährt, dann nimmt sie die S-Bahn. „Wozu das Auto bewegen, wenn die Haltestelle so nah ist?“, sagt sie. Mit dickem Bauch und Tochter im Kinderwagen sei alles etwas schwerer. Doch seit einigen Monaten kann sie sich nicht mehr auf die Bahn verlassen. Das Problem: viele Aufzüge und Rolltreppen in S-Bahn-Haltestellen funktionieren nicht, wenn Monika Seifert mit ihrem Kinderwagen unterwegs ist.

 

Sie erlebt dieses Problem vor allem an der Haltestelle Universität. Doch die Liste der S-Bahn-Stationen mit ähnlichen Problemen ist um einiges länger: Auch die Aufzüge in Österfeld, die 2008 und 2010 für je eine Viertelmillion Euro ausgetauscht wurden, sowie die Aufzüge in Stuttgart Stadtmitte sind häufig außer Betrieb. In Echterdingen wurde der defekte Aufzug am S-Bahnhof vor zwei Jahren zum Dauerthema in der lokalen Presse. In Renningen dauerte es fast zwei Jahre, bis nach dem S-Bahn-Anschluss der neue Aufzug endlich betriebsbereit war, in Feuerbach droht ähnliches. In vielen Leserbriefen, Berichten und sogar einer Petition beklagen sich die Pendler zudem über defekte Lifte in Ludwigsburg, am Feuersee und in Bernhausen.

Die Liste der defekten Aufzüge ist lang

Viele Aufzüge ächzen unter den Bedingungen, denen sie täglich ausgesetzt sind. Die Witterung, Spaßfahrer und Vandalismus machen ihnen zu schaffen. Einige funktionieren nur eingeschränkt und sind zum Teil so langsam, dass eine Fahrt mehrere Minuten dauert. Diese Verschleißerscheinungen treten vor allem bei Stationen mit hohem Verkehrsaufkommen auf, etwa am Flughafen und der Messe, an der Universität, in Stadtmitte und der Arnulf-Klett-Passage am Hauptbahnhof.

Die Liste der defekten Aufzüge und Rolltreppen ist lang: Zur Zeit sind einem Dokument der Bahn zufolge, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt, insgesamt 18 Aufzüge defekt, elf davon sind außer Betrieb. Und das zum Teil schon seit Monaten.

Das ist vor allem ein Problem für Menschen, die mit einem Kinderwagen unterwegs sind, aber auch für Rollstuhlfahrer, Gehbehinderte und ältere Menschen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind.

Die Bahn weist jede Schuld von sich

Die Bahn weist jegliche Schuld an der aktuellen Lage von sich. Eine mangelnde Instandhaltung der Anlagen will sie sich nicht vorwerfen lassen.“Die Anlagen werden von unseren Serviceteams täglich kontrolliert und regelmäßig gewartet“, so eine Sprecherin der Bahn. Die Probleme der Aufzüge und Rolltreppen seien auf Vandalismus zurückzuführen. Überhaupt häuften sich „dumme Jungenstreiche“ wie eingetretene Scheiben und blockierte Rolltreppen, heißt es weiter. Eine Lösung sieht die Bahn in einer gesellschaftlichen Sensibilisierung: Es müsse ein Bewusstsein gegen Vandalismus gegenüber öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen gebildet werden. Konkrete Maßnahmen plant die Bahn jedoch nicht.

Dennoch lasse sie die aktuelle Situation auf keinen Fall kalt. Bei der Frage, was Monika Seifert tun solle, ist die Sprecherin ratlos: „Wir können momentan keine optimale Lösung anbieten.“ Seien die Treppen nicht zu überwinden, müsse man auf andere Stationen wie Schwabstraße oder Österfeld ausweichen. Die aktuelle Lage sei nicht nur für die Kunden unbefriedigend, sondern auch für den Konzern selbst.

Wer auf Fahrstühle angewiesen ist, hat ein Problem

An der Haltestelle Universität ist das Problem besonders dramatisch. In dieser Station gibt es im Gegensatz zu den meisten anderen Haltestellen auf der Strecke zwischen Vaihingen und Stadtmitte keinen Mittel-, sondern zwei Außenbahnsteige. Von dort gelangen die Fußgänger über drei Rolltreppen ans Tageslicht. Für gehbehinderte Menschen sowie Eltern mit Kinderwagen steht auf jeder Seite ein Aufzug zur Verfügung. Doch einer der beiden ist seit Oktober 2013 defekt.

Mit Kind im Kinderwagen steht man dann vor einem ernsten Problem: Wie transportiert man den Wagen drei Etagen hinauf? Monika Seifert nimmt dann meist die Rolltreppe. Das ist zwar verboten, denn seit Januar 2010 untersagt eine EU-Maschinenrichtlinie, einen Kinderwagen mit der Rolltreppe zu befördern. „Aber es ist die einzige Möglichkeit, die Station zu verlassen“, sagt sie.

Manchmal kommt es vor, dass von den drei Rolltreppen nur eine funktioniert. Auch das hat Monika schon erlebt: „Wenn die erste geht und die zweite dann nicht, steckst du mittendrin fest und kannst weder vor noch zurück. Die Rolltreppen führen ja nur nach oben.“

Einfach eine Haltestelle weiter aussteigen

Mittels einer Hinweistafel empfahl die Bahn den Fahrgästen zunächst, eine Haltestelle weiter nach Österfeld zu fahren. Dort auf dem Mittelbahnsteig auf die nächste S-Bahn zurück nach Stuttgart zu warten, um dann an der Station Universität den anderen Aufzug zu benutzen. Für Monika Seifert ist das keine Option, sie warte nur ungern mit Kind und Babybauch zehn Minuten auf die Bahn, um in Österfeld erneut minutenlang in der Kälte zu stehen und mit dem eventuell funktionsfähigen zweiten Aufzug an der Universität nach oben zu fahren.

Glücklicherweise stünden mittags, wenn an der Universität Vorlesungen stattfinden, immer hilfsbereite Studenten an der Haltestelle. „Die helfen mir dann mit dem Wagen. Das ist das Positive an der Sache“, sagt Monika Seifert. Der Grund für die Betriebsstörung ist laut Bahn ein defekter Frequenzumformer. Ein Ersatzteil sei sofort bestellt worden, jedoch sei zunächst das falsche Teil geliefert worden. So habe sich die Reparatur erheblich verzögert.

Monika Seifert steigt aufgrund der Erfahrungen der letzten Zeit immer häufiger auf das Auto um. „Da kann ich sicher sein, dass keine riesigen Anstrengungen auf mich zukommen.“ Zumindest an der Station „Stuttgart Universität“ soll sich die Situation in den kommenden Wochen verbessern. Laut Bahn sollen die Reparaturarbeiten Anfang Februar abgeschlossen sein.