Clemens Rudolf erklärt, warum es sich lohnt, Fahrräder für Kinder in Afrika zuspenden.

S-Nord – Clemens Rudolf ist Vorsitzender des Vereins Technik und Solidarität, der mehrmals im Jahr Fahrräder an Menschen in Afrika spendet. Jetzt war er selbst zum ersten Mal dort, ist mit einem alten gespendeten Rad 3000 Kilometer durch Togo, Burkina Faso und Ghana geradelt und hat die Projektpartner getroffen. Im Interview erzählt er von seinen Erlebnissen, Fahrradworkshops und typisch afrikanischen Krankheiten.
Sie kommen gerade von einer großen Reise zurück. Fünf Monate waren Sie für Ihren Verein in Westafrika unterwegs - auf einem gebrauchten Drahtesel. Hat er bis zum Ende durchgehalten?
Ja! Mein gebrauchtes deutsches Fahrrad hat mich knapp 3000 Kilometer durch Westafrika von Ghana über Togo nach Burkina Faso und zurück nach Ghana getragen. Das ist in fünf Monaten von der Entfernung her sicherlich keine Meisterleistung, aber ich habe ja in der Zeit auch viel für den Verein gearbeitet. Ich kann sagen, dass ich auch froh bin, nach dieser langen Zeit ohne größere Krankheit, Unfall oder Panne wieder zurück in Deutschland zu sein.

Was heißt denn ohne größere Krankheit?
Nun ja, ich hatte zweimal eine typisch afrikanische Krankheit: Eine Erkältung (lacht). In Burkina Faso waren es im Dezember und im Januar tagsüber knapp 30 Grad heiß und nachts um die 20. Da kann es schon mal passieren, dass man sich erkältet.

In Afrika werden die Fahrräder von Ihren Projektpartnern verteilt. Welche Partner haben Sie vor Ort und wie beurteilen sie ihre Arbeit, nachdem Sie sie getroffen und auch mitgearbeitet haben?
In Ghana arbeiten wir seit zehn Jahren mit der Nichtregierungsorganisation Pro-Link. Diese ist eine rein afrikanische Organisation. Unser Partner in Togo ist der Verein Hilfe für Togo aus Waldstetten bei Schwäbisch Gmünd. Vor Ort betreiben sie ein Ausbildungszentrum, das vor einigen Jahren von der UNESCO als bestes Ausbildungszentrum Westafrikas ausgezeichnet wurde. In Burkina Faso haben wir ein neues Projekt gestartet, bei der Ankunft des Containers aus Deutschland mit 300 Fahrrädern war ich vor Ort und habe eine neue Fahrradwerkstatt miteingerichtet. Insgesamt habe ich also vom langjährigen Partner bis zum ganz frisch gestarteten Projekt alles erlebt und es hat überwiegend gut funktioniert.

Was heißt überwiegend? Gab es auch ein Partnerprojekt bei dem du festgestellt hast, dass es nicht gut läuft?
Ja, in Ghana hatten wir einen weiteren, zum Glück kleineren Partner, von dem wir uns leider trennen müssen. König Bansah, wie er in Deutschland genannt wird, hat uns keine Berichte über die Verwendung und Verteilung der gespendeten Fahrräder zukommen lassen. Vor Ort konnte er mir auch keine schlüssige Erklärung darüber liefern, wie die Räder verteilt worden sind. Wir haben gegenüber unseren Spendern eine Verpflichtung und müssen Transparenz schaffen. In diesem Fall konnten wir das nicht.

In den Fällen, in denen es gut funktionert: Sie haben mit Menschen gesprochen, die Fahrradspenden erhalten haben. Wie hat sich deren Leben dadurch verändert?
Besonders gerührt war ich immer von Schulkindern. Auf meiner Radtour hab ich sie oft gesehen, wie sie in Gruppen auf staubigen Pisten fünf bis zehn Kilometer, manche sicher noch weiter, laufen bis zur nächsten Schule. Gerade für Mädchen ist es ja oft doppelt schwierig. Sie müssen morgens und abends im Haushalt mithelfen. Ein langer Schulweg belastet die Kinder körperlich und mental und beeinträchtigt schulische Leistungen. Schlimmstenfalls werden Schulbesuche gleich ganz unterlassen, weil sie zu viel Zeit kosten. Durch gespendete Räder gelangen sie viel schneller zur Schule. Einige der Schülerinnen hatten ihre Räder bunt bemalt und mit Aufklebern dekoriert, da sieht man die Wertschätzung der Kinder für ihr Rad.

Gibt es Hoffnung, dass man dort irgendwann gar nicht mehr auf die Spenden Ihres Vereins angewiesen ist und dort eine eigene Fahrradindustrie aufgebaut wird?
Gebrauchte Fahrräder aus Europa, Amerika und Japan kommen so oder so nach Afrika. Auf dem Rückflug saß neben mir ein Afrikaner, der dafür nach England geflogen ist. Er kauft dort in Hunderterposten gebrauchte Fahrräder für zehn Pfund das Stück. Es gab in Burkina Faso einen Fahrradproduzenten, der alte Fahrräder der Firma Peugeot in einem monopolisierten Markt herstellte. Aber 2000 wurde der Markt geöffnet, 2009 die lokale Fahrradproduktion eingestellt. Es waren angeblich Geschäftsleute aus Burkina Faso, die mit den Rädern im Gepäck nach China geflogen waren und Kopien anfertigen lassen haben. Die gibt es jetzt zu zwei Drittel des ursprünglichen Preises. Grundsätzlich wäre das eine gute Sache für die Fahrradfahrer, wären die chinesischen Räder nicht von sehr schlechter Qualität. Wer es sich leisten kann, kauft sich ein gebrauchtes europäisches oder amerikanisches Fahrrad. Was wir mit unseren Partnern machen, ist aber etwas anderes: Wir ermöglichen Menschen, die sich sonst kein Fahrrad leisten könnten überhaupt erst Mobilität.