Riesige Datenpakete in Windeseile verschicken, in einem Haushalt mehrere Filme gleichzeitig in blendender Qualität streamen, Homeoffice ohne ruckelndes Internet: Die Aussichten schienen glänzend, als die Deutsche Giga Access (DGA) GmbH im Jahr 2022 mit der Stadt Marbach per Vertrag besiegelte, sich um den Glasfaserausbau im Ortsteil Rielingshausen zu kümmern. Doch längst ist Ernüchterung eingekehrt. Außer dem Spatenstich ist in Rielingshausen bis heute baulich fast nichts passiert. Daraus zieht die Kommune nun die Konsequenzen. Der Vertrag mit der DGA wird gekündigt, wie der Ortschaftsrat am Montag beschlossen hat.
Nach ein paar Metern ist Schluss
Marbach ist nicht die einzige Kommune, die trotz einer Übereinkunft mit der DGA in die Röhre schaute. „Die DGA hatte in der Region mit insgesamt neun Kommunen eine Vereinbarung zum Glasfaserausbau getroffen. Alle werden die Verträge kündigen oder haben das schon gemacht“, sagt Helmuth Haag, Pressesprecher der Gigabit Region Stuttgart, die den Breitbandausbau rund um die Landeshauptstadt steuert. Konkret handele es sich neben Rielingshausen im Landkreis Ludwigsburg um Erdmannhausen, Löchgau und Freudental, im Landkreis Esslingen um Aichtal, Neckartailfingen und Schlaitdorf sowie im Rems-Murr-Kreis um Plüderhausen und Urbach. „In Rielingshausen wurden immerhin ein paar Meter gegraben, in allen anderen Kommunen wurde nicht einmal angefangen“, erklärt Haag.
Warum die DGA nicht aktiv geworden ist, sei schwer zu ermitteln. „Die Kommunikation mit dem Unternehmen ist schwierig. Es gab keine belastbaren Informationen, wie es weitergehen soll“, sagt Haag. Er erinnert aber daran, dass grundsätzlich vor zwei Jahren noch Goldgräberstimmung auf dem Glasfasermarkt geherrscht habe, dann die Zinsen in die Höhe geschossen und die Baupreise gestiegen seien. „Investoren mussten also neue Wirtschaftlichkeitsberechnungen anstellen“, erklärt er.
Fachmann: Ausbau nun doppelt so teuer
Womöglich hat also auch die DGA die einzelnen Projekte nochmals durchkalkuliert und ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass es sich jetzt angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen nicht lohnt. Doch das ist nur eine Hypothese. Die DGA hat auf eine schriftliche Anfrage nicht reagiert.
Viktor Kostic, Geschäftsführer des Zweckverbands Kreisbreitband Ludwigsburg, denkt aber ebenfalls, dass sich das Vorhaben momentan schlicht nicht rentiert. „Der Ausbau kostet die Unternehmen aktuell das Doppelte von dem, was sie vielleicht einmal geplant haben“, sagte er im Rielingshäuser Ortschaftsrat. „Deshalb sind die ganzen Finanzierungsmodelle in Schieflage geraten“, meinte Kostic. Folglich habe die DGA ihre Projekte in der Region gestoppt.
Der Geschäftsführer machte den betroffenen Kommunen aber Hoffnung, dass sie mit einem anderen Partner vielleicht doch zu einem Glasfaseranschluss kommen. „Wir bemühen uns intensivst, einen Ersatz zu besorgen“, versicherte er. Kostic stellte aber auch klar, dass die Marktlage für alle schwer sei. „Die Preise sind, wie sie sind“, sagte er. Die einschlägigen Firmen warteten also wohl eher nicht händeringend auf Aufträge.
Doch nicht nur der Zweckverband setzt alles daran, eine Alternative aus dem Hut zu zaubern. Die GVG Glasfaser, die sich der Entwicklung von Glasfasernetzen in unterversorgten Gegenden verschrieben hat und mit der DGA in der Region in Sachen Vermarktung kooperiert, suche ebenfalls einen neuen Investor, so Haag. „Die GVG will mehrere Optionen prüfen“, so der Pressesprecher der Gigabit Region. „Die möchten unbedingt an dem Projekt festhalten“, sagte Victor Kostic im Ortschaftsrat. Was kein Wunder ist, wenn man zum Beispiel in Rielingshausen den potenziellen Kundenkreis berücksichtigt. „Wir hatten eine sehr, sehr gute Vorvermarktungsquote von knapp 70 Prozent“, sagte der Marbacher Bürgermeister Jan Trost. Insofern will man der GVG bis Ende Juni Zeit geben, einen neuen Investor an Land zu ziehen.
Bürger müssen wohl nicht aktiv werden
Victor Kostic empfiehlt allerdings den Interessenten an einem superschnellen Internetanschluss, die Verträge mit den bisherigen Providern zu verlängern. Selbst wenn es der GVG gelingen sollte, mit einem neuen Partner ins Geschäft zu kommen, würden die Umsetzung rund eineinhalb Jahre dauern. Sollte die Investorensuche im Sande verlaufen, müssten die Bürger nicht aktiv werden. Die GVG werde auf die Interessenten zugehen und den Vertrag auflösen. Und was passiert anschließend? „Wir suchen dann nach Alternativen“, verspricht Helmuth Haag.
Zusammen zum schnellen Internet
Ziele
Die Gigabit Region Stuttgart ist eine Gesellschaft, der die fünf Landkreise Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und Rems-Murr sowie die Landeshauptstadt selbst angehören. Ihr Ziel ist es, bis 2025 alle Schulen und Gewerbegebiete und 50 Prozent der Haushalte mit superschnellem Internet zu versorgen. Bis 2030 sollen sogar 90 Prozent der Haushalte über einen Glasfaseranschluss verfügen.
Anwendungen
Die hohen Bandbreiten werden unter anderem benötigt, um Videostreaming-Dienste in hoher Qualität nutzen zu können, sind aber vor allem auch für zukunftsträchtige Anwendungen wie Telemedizin und das Arbeiten von zu Hause wichtig. Das bislang hohe Ausbautempo wird auch in der Region gerade eingebremst, weil Kapital- und Baukosten für Firmen wie die Deutsche Giga Access stark gestiegen sind, die auf eigenwirtschaftlicher Basis mehrere Kommunen in der Region mit schnellem Internet versorgen wollte.