Das Gericht hat einen Schuldigen gefunden, doch die junge Frau muss weiter um Schmerzensgeld kämpfen, nachdem ihr die Beine verbrüht worden waren. Höchste Zeit, Anstand zu zeigen, meint Eberhard Wein.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Heilbronn - Hexe wirft Mädchen in heißen Kochtopf – unter dieser Schlagzeile ging der Vorfall beim Eppinger Nachtumzug vor fast einem Jahr um die Welt. Heute weiß man, dass es sich bei der Schauergeschichte nicht um einen Rückfall ins finsterste Mittelalter handelte, sondern lediglich um einen ebenso profanen wie schrecklichen Unglücksfall.

 

Was aber menschlich nicht zu verstehen ist, ist der Mangel an Verantwortungsgefühl, den die Beteiligten seither an den Tag legen. Keiner aus der im Fokus stehenden Hexengruppe aus dem kleinen Kraichtaler Stadtteil Bahnbrücken wollte den Kessel auf den Marktplatz geschoben, keiner den Deckel gelupft und keiner die 18-jährige darüber gehalten haben.

War all das Hexerei? Der Richter am Heilbronner Amtsgericht hat daran aus nahe liegenden Gründen nicht geglaubt. Der Schuldspruch fiel ihm dennoch nicht leicht. Weil er bei den Hexen aus Bahnbrücken auf eine Mauer des Schweigens traf, musste er sein Urteil letztlich auf Indizien und teils schwammige Zeugenaussagen gründen.

Juristisch ist die Schuldfrage geklärt. Bis zu einer Entschädigung der jungen Frau, die für ihr Leben gezeichnet ist, dürfte der Weg aber noch weit sein. Der Verteidiger des 33-jährigen Angeklagten hat schon angekündigt, die nächste Instanz anzurufen. Es wäre angebraucht, dass sich wenigstens andere auf Anstand besännen und dem Opfer helfen würden: die Bahnbrücker, aus deren Reihen der Schuldige stammt, die Eppinger Narren, die als Veranstalter des Umzugs überfordert waren, und die Stadt Eppingen, die bei der Abnahme des gefährlichen Vehikels nicht genau hingeschaut hat.