Misstrauen, Distanz, mangelnde Transparenz: Die Kultusministerin sieht sich mit massiver Kritik aus ihrem eigenen Apparat konfrontiert.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die äußere Form des Briefs stand in pikantem Kontrast zu seinem Inhalt. Tannenzweige mit Glöckchen, ein Christbaum, eine heimelige Winterlandschaft - alles wirkte weihnachtlich an dem Rundschreiben ihres Chefs, das die Mitarbeiter der Abteilung 2 (Schulorganisation, Lehrerbildung) im Kultusministerium kurz vor dem Fest erreichte. "Zum Jahreswechsel 2011/2012" lautete der Betreff, dem allgemeine Betrachtungen über die unruhigen Zeiten folgten.

 

International die Schuldenkrise, national die Energiewende, im Land der Machtwechsel, in Stuttgart der Kampf um den Bahnhof - überall sei die Welt in Aufruhr. Dann aber kam der Autor, der altgediente Abteilungsleiter Manfred Hahl, zu den Problemen im eigenen Haus. Dort werde der Wechsel an der Spitze "von vielen von uns weniger als Aufbruch als vielmehr als Abbruch wahrgenommen". Enttäuscht worden sei der von Anfang an erklärte Willen der Fachabteilungen, "loyal und engagiert mit der neuen Führung zusammenzuarbeiten".

Abschottung und mangelndes Vertrauen

Stattdessen wahre die "bis ins Mark misstrauische Amtsleitung" eine Distanz, wie man sie weder aus der Vergangenheit noch aktuell aus anderen Ministerien kenne. "Eine verlässliche Kommunikation und Arbeitsweise ist noch immer nicht in Sicht, ja, wird immer unwahrscheinlicher", konstatierte Hahl. Vielmehr seien "Verluste an Professionalität, an Transparenz und beim Betriebsklima" zu beklagen. Umso dankbarer sei er den Kollegen, schrieb der Ministerialdirigent, "dass Sie auch unter solchen Umständen alles daransetzen, Ihren Sachverstand zur Geltung zu bringen".

Hahls internes Rundschreiben war gewiss nicht für die Öffentlichkeit bestimmt; dazu ist der Verfasser, der sich gegenüber der StZ nicht äußern wollte, viel zu sehr korrekter Beamter. Doch er hätte seine Klagen wohl kaum zu Papier gebracht, wenn er sich bei den Adressaten nicht breiter Zustimmung sicher gewesen wäre. Tatsächlich dokumentiert sein Brandbrief einen Unmut, der seit dem Amtsantritt von Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) durch das Kultusministerium wabert und sich immer wieder in Indiskretionen Luft verschafft - bisher freilich eher anonym.

Der Tenor des Lamentos: während in anderen Ressorts der Apparat von den neuen Regierenden eingebunden werde und den Politikwechsel loyal unterstütze, schotte sich die neue Spitze im "Kumi" ab. Mangels Vertrauen bleibe der angebotene Sachverstand der Mitarbeiter ungenutzt, "GWL" (so der Spitzname der Kultusministerin) und ihre Getreuen - vorneweg der Staatssekretär Frank Mentrup und die Amtschefin Margret Ruep - dekretierten den Kurs von oben herab.

Die Mitarbeiter wollen mitgestalten

Die Schilderungen klingen fast so, als wären die Neuen in einem Ufo auf einem fremden Planeten gelandet und hätten vorsichtshalber noch keinen Kontakt zu den Bewohnern aufgenommen. Schon im Sommer bemühten sich Ministeriale bei einer Personalversammlung, das Misstrauen zu zerstreuen. Das Haus sei mitnichten schwarz durchwirkt, viele Mitarbeiter hätten bei der Landtagswahl für den Wechsel gestimmt - und wollten ihn nun mitgestalten.

Da irritierte es manche, dass Warminski-Leitheußer für die Gemeinschaftsschule eine neue Stabsstelle schuf und sie dem früheren SPD-Abgeordneten Norbert Zeller unterstellte. Als dies und anderes durch ein anonymes Schreiben bekannt wurde, ließ die Ministerin erklären, "hier versuchten offensichtlich Anhänger der abgewählten Regierung, Sand ins Getriebe der anstehenden Bildungsreform zu werfen".

Bildungsressort darf nicht zum Dauerproblem werden

Zellers Wirken wird im Ministerium bis heute skeptisch beäugt - bis hin zu seinem Dienstwagen, einem Audi A4. Nach der einschlägigen Vorschrift des Landes, hieß es, stehe Beamten seiner Stufe doch gar kein Auto zu. Sei die etwa für ihn geändert worden? Nicht nötig, antwortet die Pressestelle, das Fahrzeug sei nicht personengebunden, sondern dem Stabsstellenleiter nur zugeteilt worden, damit er die vielen Termine im Land unbürokratisch wahrnehmen könne.

Die Leasingraten von monatlich 176 Euro stünden ordentlich im Nachtragshaushalt. Manches wirkt unkoordiniert: Als ein Bürgermeister kürzlich an der Pforte nach einem Mitarbeiter Zellers verlangte, bekam er zur Auskunft, jemanden dieses Namens kenne man nicht. Draußen im Land immerhin wird seine Werbetour für die Gemeinschaftsschule als "sehr professionell" wahrgenommen.

Auch SPD-Strategen beobachten freilich mit Sorge, dass der Betrieb im Kultusministerium nach wie vor nicht rund läuft. Bei der Zusammenarbeit innerhalb der Regierung, aber auch mit der Fraktion hake es immer wieder; wichtige Vorlagen etwa würden erst äußerst kurzfristig geliefert. Schon mehrfach soll es deshalb mahnende Gespräche gegeben haben. Das wichtige Bildungsressort, warnen Genossen, dürfe nicht zum Dauerproblem werden.

"Weg der offenen Kommunikation"

Warminski-Leitheußer hingegen hat eine völlig andere Wahrnehmung. Die Mitarbeiter hätten "in einem engen Zeitplan sehr viel geleistet", lässt sie ihren Sprecher erklären. Drei Änderungen am Schulgesetz, der Modellversuch G9, die Etatberatungen - all das habe man engagiert und erfolgreich gemeistert. Die Amtsspitze habe "von vornherein größten Wert auf eine offene Kommunikation und Transparenz bei der Arbeit im Haus gelegt".

Mehrfach seien die Mitarbeiter von der Ministerin ermuntert worden, Kritik und Verbesserungsvorschläge zu äußern. Diesen "Weg der offenen Kommunikation", so der Sprecher, werde man "weiter ausbauen". Das Schreiben Hahls wollte das Ministerium nicht direkt kommentieren. Für den Abteilungsleiter, der bald die Altersgrenze erreicht, dürfte es im "Kumi" nun nicht gerade einfacher werden.

Schon vor zehn Jahren, noch als Stuttgarter Oberschulamtspräsident, war er der SPD unangenehm aufgefallen. Mitten im Wahlkampf lud er damals zu einer Pressekonferenz, um im Sinne seiner Ministerin Annette Schavan (CDU) die Oppositionskritik an der Bildungspolitik zu kontern. Vor Weihnachten aber zeigte sich der Ministerialdirigent noch optimistisch: Man stehe vor einem Jahreswechsel, schrieb er den Kollegen, "an dem wir viel Anlass haben, auf Besserung zu hoffen" - nämlich doch noch "in einer kultivierten Atmosphäre kreativ und effizient arbeiten zu können".

Die echte Ministerin und zwei Möchtegernminister

Spitzenjobs Das Kultusministerium werde von "drei Ministern" geführt, lautet ein Spott in der Koalition - der tatsächlichen Ressortchefin Gabriele Warminski-Leitheußer und zwei Möchtegernhausherren. Tatsächlich galten auch ihr Staatssekretär Frank Mentrup und der Stabsstellenleiter Norbert Zeller (alle SPD) als Anwärter auf den Chefposten.

Karrieren Die Juristin Warminski-Leitheußer (Spitzname "GWL") war zuvor Schulbürgermeisterin in Mannheim; ihre Amtsführung dort wird sehr unterschiedlich bewertet. Der Mannheimer Arzt Mentrup sitzt seit 2006 im Landtag und gehörte dem Schulausschuss an. Der Lehrer Zeller hatte den Wiedereinzug ins Parlament verfehlt. Als SPD-Bildungsexperte war er Gegenspieler der CDU-Minister.