Ein besonderes Wintervergnügen bieten Rita und Walter Goller Gruppen bis zu zwölf Personen: eine Wanderung durch das Biosphärengebiet bei Münsingen auf der Schwäbischen Alb – allerdings mit Schneeschuhen.

Rietheim - Die Sonne strahlt, Eiskristalle flirren durch die Luft, das Thermometer zeigt minus sieben Grad, der Schnee knirscht unter den Füßen. Mit roten Backen stapfen zwölf dick verpackte Menschen auf Schneeschuhen leichtfüßig über die verschneite Schwäbische Alb. Seit acht Jahren bieten die beiden Alb-Gästeführer Rita und Walter Goller aus Rietheim bei Münsingen (Landkreis Reutlingen) Schneeschuhwanderungen an – als einzige im Biosphärengebiet Schwäbische Alb und mit großem Erfolg. Zwei Zeitungsanzeigen und Mundpropaganda reichten aus, um die   Schneeschuhwanderungen über die Region hinaus bekanntzumachen. Inzwischen ist es schwierig, einen Termin zum Mitlaufen zu bekommen.

 

Die zwölf Glücklichen, die einen der begehrten Plätze ergattert haben, treffen sich am Samstagnachmittag an der Dorfkirche des 730 Seelen zählenden Fleckens Rietheim. Froh gelaunt begrüßt Walter Goller die Gäste, die aus Stuttgart, Backnang, Tübingen und der Alb angereist sind. Jeder bekommt Gamaschen und die Schneeschuhe in die Hand gedrückt. Alle erhalten die gleichen. Sie haben flexible Bindungen, die von Schuhgröße 34 bis 48 reichen und sich einfach anlegen lassen. Dann bekommt jeder noch Teleskopstöcke wie beim Nordic Walking, und es kann losgehen.

Tempo und Bewegung sind wie beim Wandern

„Schneeschuhwandern erfordert keinerlei Vorkenntnisse. Tempo und Bewegungsablauf entsprechen dem normalen Wandern“, erklärt Walter Goller und beobachtet die Gruppe von hinten. Er hat recht. Es ist wirklich kinderleicht. Alle in der Gruppe haben den Dreh schnell heraus und stapfen zügig durch den tiefen Schnee. „Wir sind nicht auf der Flucht“, ruft Goller den Leuten hinterher. „Wir haben Zeit, wollt ihr nicht die traumhafte Landschaft genießen?“

„Die erste Spur im Neuschnee zu ziehen ist etwas Einmaliges“, schwärmt Michaela aus Reutlingen und setzt einen Schritt zurück, um ein Foto zu machen. Ehe sie sich versieht, landet sie lachend auf dem Hosenboden. „Das passiert, wenn man die Verhaltensregeln nicht beachtet“, sagt Walter Goller mit einem Schmunzeln. Nicht umsonst hatte er zuvor allen gesagt, dass Rückwärtslaufen auf Schneeschuhen nicht möglich ist. Weiter geht es durch die weiße Winterlandschaft im glitzernden Pulverschnee über die Alb. Über den Eselweg, den Höhenriss, den Ochsenboschen bis hoch zur Schwende. „Da muss man nicht mehr nach Oberstdorf, um so etwas Herrliches zu erleben“, schwärmt Katja aus Filderstadt. Walter nickt zustimmend: „Oberstdorf liegt 813 Meter hoch, wir hier 850 Meter.“

In dieser Landschaft kann man die Stille hören

Dementsprechend ist die Sicht über das Biosphärengebiet. Man erkennt mit bloßem Auge den ehemaligen Truppenübungsplatz Münsingen, den Aussichtsturm Hursch, den ausrangierten Funkturm Gonio der französischen Armee, den Römerstein, die Burg Teck, den Hohenneuffen und den Dottinger Skilift. Bei Föhn sind sogar die Alpen zu sehen.

„Wartet mal einen Augenblick“, ruft Goller den Schneestapfern hinterher und erkundigt sich, ob sie was hören. Ungläubiges Kopfschütteln in der Gruppe. „Das ist das Besondere hier, hier hört man absolut nichts, keine Geräusche, nichts.“ Es stimmt. Herrliche Stille.

Unterwegs erklärt Walter die Spuren im Schnee. Er weiß genau, ob hier ein Hase, ein Fuchs, ein Reh, ein Marder oder Vögel den Weg gekreuzt haben.

Leichtfüßig geht es eine Anhöhe hinauf. In den Schneeschuhen stecken Spikes, die mit dem Vorderfuß in den Schnee geschlagen werden. Deshalb sinkt keiner ein. Schneeschuhe sind keine Erfindung der vergangenen Jahre. In Münsingen war im Neuen Lager (heute Parksiedlung) von 1915 bis 1918 das Württembergische Gebirgsbataillon mit sechs Schützenkompanien und sechs Gebirgszügen in sogenannten Schneeschuhkompanien untergebracht. Ein Spezialverband für Gebirgseinsätze nach dem Vorbild der österreichischen und bayerischen Gebirgstruppen, bei dem auch der legendäre Wüstenfuchs Erwin Rommel von Oktober 1915 bis Januar 1918 diente, erzählt Goller. „Wer weiß, vielleicht ist er dort, wo wir jetzt laufen, ebenfalls durch den Schnee gestapft.“ Im Gegensatz zu damals sind die Schuhe heute nicht mehr aus Holz und Reepschnüren, sondern aus leichtem Aluminium und hochwertiger Neoprenbespannung.

Zwischenstopp bei Glühmost und Scherrkuchen

Weiter geht es durch die trockene Luft, an der bizarren Eispracht an Bäumen und Sträuchern entlang. Zwei Stunden sind schon vergangen. „Was würde ich jetzt für einen Glühwein geben“, denkt Peter aus Nürtingen laut nach. Kaum hat er den Satz ausgesprochen, ist hinter einer Kuppe Walters Frau Rita zu sehen, die der Gruppe zuwinkt. Sie hat eine kleine Schneebar aufgebaut und schenkt Glühmost für die Erwachsenen und heißen Punsch für die Kinder aus. Außerdem verteilt sie selbst gebackenen Scherrkuchen. „Das ist ja wie im Paradies“, sagen die Wanderer und strahlen übers ganze Gesicht.

Nach der kurzen Rast geht es weiter Richtung Ausgangspunkt. In der Dämmerung ist die Rietheimer Kirche zu sehen. Nach knapp drei Stunden ist die Wanderung zu Ende. Erschöpft, aber mit einer gehörigen Portion Glückshormonen im Körper ziehen die Teilnehmer Schuhe und Gamaschen aus. „So einen tollen Tag habe ich schon lange nicht mehr erlebt“, schwärmt Ernst aus Münsingen und verspricht wiederzukommen. Auch wenn die ungewohnten Bewegungen ihm bereits einen leichten Muskelkater signalisieren.

Und hier kann man die Schneeschuhwanderung buchen:

Weitere Informationen über die Schneeschuhwanderungen gibt es bei der Tourist Info Münsingen unter 0 73 81/18 21 45 und bei der Familie Goller 0 73 81/47 81. Mitwandern kostet pro Nase zehn Euro. Schneeschuhe, Stöcke und Gamaschen werden gestellt. Bequeme Winterkleidung und festes Schuhwerk sind mitzubringen. Kinder sind willkommen. Das Alter spielt keine Rolle. Die Jungs und Mädchen müssen jedoch mindestens Schuhgröße 36 haben, da ihnen sonst die Schuhe nicht passen