Nach dem Dürresommer 2022 herrscht in Italien schon wieder Trockenheit. Die Pegelstände im Norden sinken – in Sizilien fällt am Ätna meterhoch Schnee.

In Italien sagt die Regierung von Giorgia Meloni der aktuellen Wasserknappheit den Kampf an. Rom will unter anderem einen sogenannten Sonderkommissar mit weitreichenden Befugnissen ernennen, wie jetzt nach einem Treffen der Regierungschefin mit Ministern ihres Kabinetts bekannt gegeben wurde. Sonderkommissare werden in Italien oft eingesetzt bei außergewöhnliche Lagen – unter anderem koordinierte ein erfahrener General in der Corona-Zeit die Impfkampagne, die dafür sorgte, dass das Land Einschränkungen aufheben konnte.

 

Die Bilder der vergangenen Tage und Wochen sind in der Tat erschreckend. So können zum Beispiel am Gardasee die Ausflügler derzeit der Isola di San Biagio, auch Kanincheninsel genannt, zu Fuß einen Besuch abstatten: Der Pegelstand des norditalienischen Sees ist derart tief, dass das Inselchen nun durch eine Landzunge mit dem Westufer des Sees verbunden ist.

Nicht besser ist die Situation auch bei den anderen Voralpenseen, die im Sommer als wichtige Wasserspeicher dienen: beim Lago Maggiore, beim Lago d’Iseo und beim Comer See. Die Pegelstände liegen auch dort rund einen Drittel oder mehr unter dem Niveau des Vorjahres – also des Jahres mit der schlimmsten Dürre seit 70 Jahren.

Das größte Wasserreservoir Italiens fällt langsam trocken

Der Gardasee, das größte Wasserreservoir Italiens, ist bei nur noch 35 Prozent seiner Speicherkapazität angelangt. „Wir haben in dieser Jahreszeit noch nie ein so geringes Wasservolumen registriert“, sagt Pierlucio Ceresa, Generalsekretär des Verbands der Gardasee-Gemeinden.

Die Situation sei „besorgniserregend“, und deshalb habe man schon Anfang Februar beschlossen, die Abflussmenge des Flusses Mincio drastisch zu reduzieren. Das Wasser des Sees müsse für den Sommer aufgespart werden: Dann wird es für den Tourismus am See, für die Fischerei, aber auch für die künstliche Bewässerung im Einzugsgebiet des Mincio rund um Mantua gebraucht. Es sei noch nie vorgekommen, dass man den Abfluss schon so früh im Jahr habe reduzieren müssen, betont Ceresa.

Im Fluss Po dominieren breite Bänke aus Sand und Kies

Dramatisch ist auch die Situation des Po. Statt majestätisch hinziehender Wassermassen dominieren breite Sand- und Kiesbänke das Bett des längsten Flusses Italiens. Bei den meisten Messstationen liegt der Wasserpegel mehrere Meter unter dem Niveau, das in dieser Jahreszeit eigentlich normal wäre – man wähnt sich im August, nicht im Februar.

Vor allem führt der Po auch deutlich weniger Wasser als im Februar 2022. Auch die Grundwasserspiegel sind noch tiefer als im Vorjahr, und in den Alpen liegt kaum mehr Schnee als im vergangenen Winter. „Wir sind konfrontiert mit einem chronischen Wasserdefizit, das seit dem Winter 2020/21 anhält und sich kumuliert“, erklärt Massimiliano Pasqui, Klimaforscher vom nationalen Wissenschaftsrat.

Die Felder sind schon vor der Aussaat staubtrocken

Unter den Bauern in der Po-Ebene, die für 40 Prozent der Landwirtschaftsproduktion des Landes verantwortlich sind, herrscht Alarm. „Die Situation ist schlimmer als letztes Jahr, als wir wegen der Dürre Einnahmenausfälle von sechs Milliarden Euro verzeichneten“, erklärt Ettore Prandini, Präsident des Bauernverbands Coldiretti.

In diesen Tagen stehe man vor der Aussaat, bei der die Erde feucht sein müsste. Stattdessen sei sie staubtrocken und die Felder müssten bewässert werden. Italien ist diesbezüglich besonders exponiert: 42 Prozent der Landwirtschaftsproduktion ist selbst in normalen Jahren auf Bewässerung angewiesen. In der EU haben nur Griechenland und Malta einen noch höheren Anteil.

Für den Klimaforscher Pasqui steht außer Frage, dass die fehlenden Niederschläge eine Folge des globalen Klimawandels sind. „Wir stellen fest, dass die atlantischen Störungen, die früher im Winter und im Frühling für viel Regen verantwortlich waren, immer häufiger nördlich der Alpen vorbeiziehen“, betont Pasqui. Oder es bildeten sich im südlichen Mittelmeer Tiefdruckwirbel.

Am Ätna in Sizilien fällt meterhoch der Schnee

Tatsächlich ist Anfang Februar am 3000 Meter hohen Ätna meterhoch Schnee gefallen; in tieferen Lagen in Sizilien und Kalabrien gab es Überschwemmungen. „Wir werden lernen müssen, mit der Trockenheit in Norditalien zu leben. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass solche Situationen immer häufiger werden“, betont Pasqui.

Natürlich könnte Regen die Situation noch entspannen, sofern er auch tatsächlich käme. Aber der Klimaforscher Pasqui warnt vor Illusionen: „Es bräuchte mindestens 500 Millimeter Niederschlag in den kommenden Wochen, und nötig wäre ein nicht allzu heftiger, lange anhaltender Regen, der vom Boden aufgenommen werden kann“, betont Pasqui. Erforderlich wären mindestens 50 solche Regentage – und das sei leider „wenig wahrscheinlich“.

Franzosen müssen Wasser sparen

Mangel
 Frankreich trifft angesichts anhaltender Trockenheit Sofortmaßnahmen, um sich für einen erneuten Dürresommer zu rüsten. „Die Abwesenheit von Regen seit inzwischen über 30 Tagen in Frankreich ist eine große Bedrohung für unsere Wasserreserven in diesem Sommer“, sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch.

Verbote
In den Departements Pyrénées-Orientales, Var, Isère, Ain, Bouches-du-Rhône und Savoie wurden schon Einschränkungen getroffen, so die Zeitung „Libération“. Das Bewässern von Gärten und Sportstadien, das Auffüllen von Swimmingpools oder das Autowaschen sind verboten.