Er war ein entscheidender Faktor im Abstiegskampf des VfB Stuttgart: Am Spielfeldrand spricht Serey Dié über seinen Wechsel von Basel nach Stuttgart und was er von der neuen Spielweise des Trainers hält.

St. Gallen - So viel Aufregung wie an diesem Wochenende war selten im Industriegebiet von St. Gallen. Vor der Eingangstür des Hotels Säntispark patrouillieren italienische Sicherheitskräfte in schwarzen Sonnenbrillen, weil hier neben dem VfB Stuttgart auch die Mannschaft von Juventus Turin für ihr Testspiel gegen Borussia Dortmund (0:2) Quartier bezogen hat. Drinnen in der Lobby läuft der Juve-Star-torwart Gianluigi Buffon umher, seine Zigarettenschachtel stilecht in die Socken gestopft. Und im Barbereich sitzt Serey Dié und redet über sich und sein Leben – auch das ein äußerst seltenes Bild.

 

Genau genommen ist es das erste Mal überhaupt, dass der Fußballprofi von der Elfenbeinküste Auskunft gibt, seit er im vergangenen Januar vom FC Basel zum VfB gekommen ist. Serey Dié (30) ist ein Mann von eisernen Prinzipien – und eines von ihnen lautet: „Wenn die Saison läuft, dann gibt es nichts zu reden und zu sagen – dann zählt allein die Arbeit auf dem Platz.“

Noch sind es zwei Wochen bis zum Pokalspiel in Kiel, drei Wochen bis zum Bundesligaauftakt gegen den 1. FC Köln – Gelegenheit also, all das aufzuarbeiten, was im vergangenen halben Jahr passiert ist, „einer ganz speziellen Zeit in meiner Karriere“, wie Serey Dié meint.

Als frisch gekürter Afrikameister wechselte der Mittelfeldspieler damals zum VfB – an Vorbehalten fehlte es dennoch nicht. Ein 30-Jähriger, der nicht zu den Allerschnellsten zählt, ein Mann, für den es in Basel keine Verwendung mehr gab – würde so einer den VfB wirklich weiterbringen?

Probleme mit Trainer Sousa

Über die Umstände der Trennung vom Schweizer Meister hat Serey Dié nie gesprochen, nun tut er es zum ersten Mal. Bei Fans und Mitspielern sei er bis zum letzten Tag hoch angesehen gewesen, nur mit Paulo Sousa, zu Beginn der vergangenen Saison als neuer Trainer nach Basel gekommen, habe er Probleme gehabt. Nur vier Tage Urlaub wollte der Portugiese ihm nach der WM 2014 gewähren, während die Schweizer Nationalspieler zwei Wochen frei bekamen. Serey Dié intervenierte bei der Clubführung, durfte sich ebenfalls 14 Tage erholen – und wurde nach seiner Rückkehr von Sousa, inzwischen in Florenz auf der Trainerbank, nicht mehr beachtet. Wie gerufen kam das Angebot aus Stuttgart – „die Bundesliga war immer mein großer Traum“.

Im ersten Training beim VfB kam der Kapitän Christian Gentner auf ihn zu. Der hatte sich in Basel bei Marco Streller erkundigt, seinem früheren VfB-Mitspieler aus dem Meisterjahr 2007, und nur Gutes über den Neuzugang erfahren. „Serey, du musst uns helfen“, habe Gentner zu ihm gesagt, was den Ivorer „sehr berührt“ habe. Serey Dié spielte anfangs ein paar Fehlpässe und lief auch mal hinterher – sehr schnell aber wurde deutlich, warum die Wahl des VfB-Managers Robin Dutt auf ihn gefallen war, als sich der Trainer Huub Stevens in der Winterpause einen erfahrenen, kampfstarken Mann für das zentrale defensive Mittelfeld gewünscht hatte.

Serey Dié verkörpert exakt das, was man eine furchtlose Führungsfigur nennt – also den Gegenentwurf zu Moritz Leitner oder Oriel Romeu, die nie im Abstiegskampf ankamen. Serey Dié hingegen wurde, genau wie die Offensivleute Daniel Ginczek und Filip Kostic ein wesentlicher Faktor für den Klassenverbleib. In den alles entscheidenden Spielen bot er seine besten Leistungen.

Dié: „Das wird eine gute Saison“

„Ich bin ein Mann mit zwei Gesichtern“, sagt Serey Dié. Auf dem Spielfeld kennt er keine Freunde, da begreift er sich als Krieger – und gibt Gegenspielern, denen er hinterherjagt, „das Gefühl, das sind die letzten Momente ihres Lebens“, wie der VfB-Trainer Alexander Zorniger sagt. Neben dem Platz jedoch ist Serey Dié nicht nur ein fürsorglicher Vater von vier Kindern, sondern auch ein Spaßvogel im Mannschaftskreis und Ratgeber für junge Spieler. Ein halbes Jahr nur hat er gebraucht, um in den fünfköpfigen Mannschaftsrat gewählt zu werden – klares Zeichen für die Wertschätzung. „Es macht mich stolz, dass mir die Mitspieler so vertrauen“, sagt Serey Dié, der am Sonntag wegen Oberschenkelproblemen das Training abbrechen musste.

Seine beste Zeit soll aber erst noch kommen. „Perfekt“ sei für ihn die neue Spielweise, die nicht mehr auf Abwarten beruht, sondern auf aggressiver Vorwärtsverteidigung. „Das wird eine gute Saison“, sagt Serey Dié – und entschwindet in der belebten Lobby des Hotels Säntispark. So schnell wird er nicht mehr reden – von nun an will sich wieder aufs Kämpfen konzentrieren.