Emotionen, um in Topform zu kommen
An diesem Donnerstag (19.05 Uhr) treffen sie beim Bundesliga-Spiel TVB Stuttgart gegen HSV Hamburg aufeinander. Es herrscht akute Explosionsgefahr in der Porsche-Arena. Denn das Aufeinandertreffen von Stuttgarts Heinevetter („Für mich ist das in den 60 Minuten nichts Besonderes“) und Hamburgs Bitter ist auch das Duell der Torwart-Vulkane. Auf dem Handballfeld sind beide sehr ehrgeizig und impulsiv, beide brauchen die Emotionen, um in Topform zu kommen, beide brauchen die Paraden, um sich zu puschen. Doch das war es dann auch schon an Gemeinsamkeiten, vom gemeinsam gewonnenen EHF-Pokal-Titel mit dem SC Magdeburg im Jahr 2007 mal abgesehen.
Ihr Torwartstil ist völlig unterschiedlich. HSV-Keeper Bitter hat mit seiner Größe von 2,04 Metern naturgemäß eine größere Spannweite, der 40-Jährige bleibt so lange wie möglich stehen, um den Schützen zu verunsichern. Sein eher sachlicher Spielstil mit einem sehr guten Stellungsspiel hat etwas aus einem Lehrbuch. Der zwei Jahre jüngere und zehn Zentimeter kleinere Heinevetter besticht durch eine ungewöhnliche Technik. Oft liegt er quer in der Luft, zieht unorthodox im Stile eines Kung-Fu-Kämpfers ein Bein hoch, mit einem Arm deckt er den unteren Raum ab.
Spielen, halten, siegen – und gut
Zwar verfährt auch Heinevetter am liebsten nach dem Motto: spielen, halten, gewinnen – und gut. Doch im Gegensatz zu Bitter war Heinevetter immer auch ein Mann des Boulevards, liebte den Glanz und bediente durch seine frühere Liaison mit Schauspielerin Simone Thomalla die Klatschpresse. Bitter schottet sein Privatleben dagegen schon immer komplett ab. Seine Beziehung zu Ex-Handball-Nationalspielerin Anna Lörper hielt der gebürtige Oldenburger – Vater von drei Söhnen und einer Tochter – lange Zeit geheim.
Dass es dem TVB Stuttgart gelang, solche Torwart-Ikonen zu verpflichten, ist nicht selbstverständlich. „Dahinter steckte aber kein Masterplan“, stellt TVB-Geschäftsführer Jürgen Schweikardt klar. Vielmehr schlug der TVB im Januar 2016 zu, als Bitters Club HSV Insolvenz anmelden musste. „Dass er dann bis 2021 bei uns blieb, konnte damals keiner erwarten.“ Jetzt freut sich der Hamburger auf die Rückkehr ins Schwabenland: „Ich habe selten verbrannte Erde hinterlassen und bin stolz, Teil der Entwicklung in Stuttgart gewesen zu sein.“
Toptorwart lohnender Invest
Anders lag der Fall, als vor dieser Saison Heinevetter von Ligarivale MT Melsungen an Land gezogen wurde. „Zu diesem Zeitpunkt waren wir schon deutlich etablierter und eine gute Adresse in der Bundesliga“, sagt Schweikardt und stellt die Wichtigkeit der Torwart-Position heraus: „Der Keeper ist die entscheidende Figur im Handball, da muss man als Verein bereit sein zu investieren.“
Bitter war viereinhalb Jahre die Lebensversicherung des TVB, nun ist es Heinevetter, der bis 2024 unter Vertrag steht und seit Saisonbeginn eine Topquote aufweist. Kein anderer Bundesliga-Keeper kann mehr Paraden vorweisen als er (170), Bitter liegt mit 157 Paraden auf Platz sechs. Doch nicht nur wegen seiner herausragenden Leistungen ist Schweikardt voll des Lobes über den in Bad Langensalza geborenen Keeper: „Ich arbeite jetzt ein halbes Jahr mit Silvio zusammen, wie er sich auf und außerhalb des Feldes verhält, ist wirklich top.“ Was Schweikardt besonders imponiert: „Er nimmt sich immer wieder Zeit für unsere Jugendspieler und spricht viel mit ihnen.“
Beide können feiern
Und dann will der TVB-Chef auch noch mit einem Vorurteil aufräumen, nämlich dass Heinevetter das deutlich wildere Feierbiest der beiden Torhüter ist. „Beide können ganz ordentlich feiern, und es gehört zum Teamsport auch dazu, dass man gemeinsame Erfolge auch gemeinsam feiert“, verrät Jürgen Schweikardt.
Mal sehen, wer am Donnerstag beim heißen Duell der Torwart-Vulkane Grund dazu hat. Auch Bob Hanning wird es aus der Ferne beobachten.