Über die richtige Strategie im Umgang mit der besonderen Haushaltssituation sind sich die Räte uneins. Die CDU und die FDP halten die angepeilte Verschuldung für zu groß. Die Freien Wähler und die Grünen wollen investieren.

Sindelfingen - Haushaltsdebatte zweiter Akt: viel Lob für den zweiten Entwurf und die Schnelligkeit, mit der er erstellt worden war, gab es von den Stadträten bei der Etatdebatte am Dienstagnachmittag. Die ersten Haushaltsberatungen hatte die Stadt Sindelfingen Ende März gestoppt, nachdem sie erfahren hatte, dass sie nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 38 Millionen Euro Gewerbesteuer aus dem Jahr 2002 plus 24 Millionen Euro Zinsen an die Daimler AG zurückzahlen muss. Die bereits gehaltenen Reden der Fraktionschefs waren Makulatur. Im Rathaus begann erneut das Rechnen. Ende Mai legte die Verwaltung den zweiten Etatentwurf vor. 350 Positionen hatte sie im Vergleich zum ersten geändert. Große strukturelle Eingriffe gibt es jedoch nicht, es wird lediglich die eine oder andere geplante Maßnahme verschoben. Die Vereinszuschüsse bleiben unangetastet. Möglich macht dies die Prognose über die zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen in diesem Jahr, die gut klingen. Erfreulich war auch, dass die Verwaltung bei der erneuten Debatte die Redezeit strikt begrenzt hatte. In mehr als einer Stunde hatten alle sechs Redner ihr Statement abgegeben.

 

Um künftig solche Finanzeinbrüche zu vermeiden, forderte der CDU-Fraktionschef Walter Arnold, dass die Stadt sich ein Rücklagenpolster schaffen müsse. Die geplante Verschuldung der kommenden Jahre hält die CDU-Fraktion für zu hoch. Besser sei zu sparen und die eine oder andere Investition zu schieben. Das hielt die Fraktion jedoch nicht davon ab, einen weiteren Antrag einzubringen. Sie forderte die Einstellung von zwei 400-Euro-Kräften für den städtischen Vollzugsdienst. Diese sollten gezielt an den Wochenenden zum Beispiel wilde Parker aufspüren und Spiel- und Grillplätze kontrollieren.

Die Verschiebung der Tiefgaragensanierung unter dem Marktplatz kritisierte Ingrid Balzer, die Chefin der Freien Wähler, genauso wie das Aufschieben der Renovierung einiger Schulen. Auch die Streichung von einer halben Million Euro für die Straßensanierungen fand keine Zustimmung in der Fraktion. Allerdings sei das Jahr bereits so weit fortgeschritten, dass man „davon ausgehen kann, dass die Verwaltung diese 500 000 Euro Einsparung ohnehin nicht mehr würde umsetzen können“. Statt auf Einnahmen durch Grundstücksverkäufe zu hoffen, sollte die Stadt lieber in ein Grundstück oder eine Immobilie investieren: für den Stadtteiltreff Viehweide, forderte Balzer.

Die SPD-Fraktion kritisierte die geplante zehnprozentige Gebührenerhöhung für die Schüler der Schule für Musik, Tanz und Theater (SMTT). Diese „scheint ja zumindest im April nicht geplant gewesen zu sein“, sagte der Fraktionschef Andreas Schneider-Dölker. Kritik äußerte er auch an der Abwicklung der Baumaßnehmen der Stadt. Aus dem vergangenen Jahr gebe es noch Haushaltsreste von 15 Millionen Euro für beschlossene, aber nicht erfolgte Sanierungen und Neubauten. Dringend notwendig seien die Sanierungen der Städtischen Galerie und vor allem der Tiefgarage unter dem Marktplatz. Diese dürfe „keinen Tag verzögert“ werden.

In die gleiche Kerbe schlug Hans Grau, der Fraktionschef der Grünen. „Für die auferlegten Aufgaben ist unsere Bauverwaltung zu dünn besetzt.“ Alle – Verwaltung und Gemeinderat – hätten den Fehler gemacht, zu viel auf einmal zu wollen. Als falsch erwiesen habe sich auch die Strategie, fehlendes Personal im Bauamt durch befristet angestellte Mitarbeiter auszugleichen. „Gute Arbeit kostet Geld. Das muss auch bei der Stadt gelten und würde sich bestimmt positiv auf die Qualität von Bewerbern auswirken.“ Außerdem schlug Grau vor, einige wichtige Bauprojekte – wie die Unterkünfte für Flüchtlinge – auch an Architekturbüros nach außen zu vergeben, um die städtischen Mitarbeiter zu entlasten. Anders als noch vor einigen Jahren , als Grau stets den Obersparer gab, forderte er jetzt Stadt und Ratskollegen zum Schuldenmachen auf, um die notwendigen Investitionen zu stemmen. „50 Millionen sind derzeit machbar und beherrschbar.“

Genau das Gegenteil – nämlich Sparen – forderte hingegen die FDP. „Die benötigten Kredite werden in den nächsten Jahren rasant ansteigen und einen Schuldenberg anhäufen, den dann wohl unsere Kinder zurückzahlen müssen“, sagte Jürgen Konzelmann. Und er forderte: „Die Ausgaben müssen reduziert werden.“ Zehn Prozent bis zum Ende der Legislatur möchte er einsparen. Dazu sollte die Haushaltsstrukturkommission reaktiviert werden. Auch die Bürger forderte Konzelmann zum Maßhalten auf. „Bei allem Verständnis für die Eltern der Kindergartenkinder. Man kann nicht gleichzeitig die Einkommenserhöhung für Erzieher unterstützen und jegliche Gebührenerhöhung ablehnen.“ Wer mehr bezahlen wolle, müsse sagen, „woher das Geld kommen soll“.

Richard Pitterle, der Sprecher der Linken, wiederum kritisierte genau diese geplanten Gebührenerhöhungen für die Eltern von Kindergartenkindern sowie für die Musikschüler der SMTT. „Wer die Misere bezahlen soll, wurde deutlich kommuniziert. Eine einzige Gruppe soll deutlich belastet werden: die Eltern von Kita-Kindern und Musikschulkindern. Das finde ich – mit Verlaub – erbärmlich.“ Mit der Linken sei das nicht zu machen. Stattdessen forderte Pitterle, wie schon in den Jahren zuvor, die Gewerbesteuer anzuheben, um das Haushaltsdefizit zu drücken. Andere Standorte von Automobilkonzernen hätten einen höheren Gewerbesteuersatz als Sindelfingen.