Solitude-Stipendiaten Wirbel um Israel-Kritik aus Landesakademie

Sitz der Akademie: Schloss Solitude Foto:/Lichtgut/Achim Zweygarth

Stipendiaten der Akademie Schloss Solitude haben eine Erklärung mit antiisraelischen Positionen verbreitet. Das zuständige Ministerium und die Akademie halten scharf dagegen. Nun läuft die Aufarbeitung.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Die Akademie Schloss Solitude gehört zu den Einrichtungen, auf die das Land besonders stolz ist. Seit 1990 dient sie Künstlern und Wissenschaftlern aus aller Welt für einige Monate als Rückzugsort, an dem sie Projekte verfolgen und sich fächerübergreifend austauschen können. Mehr als 1600 Stipendiatinnen und Stipendiaten haben bereits die Gelegenheit genutzt. International, rühmt sich das zuständige Wissenschaftsministerium von Petra Olschowski (Grüne), gelte die Akademie als „eine der wichtigsten und innovativsten“ derartigen Förderinstitutionen.

 

Wo Menschen aus mehr als 120 Ländern zusammenkommen, wird natürlich auch über die Weltlage diskutiert. Aktuell steht die Situation im Nahen Osten besonders im Fokus. Auf ihrer Homepage hat die Akademie dazu, anders als üblich, sogar eine Erklärung veröffentlicht. Man sei „zutiefst besorgt über die jüngste Eskalation der Gewalt in Israel und Palästina“, heißt es da. Der Terrorangriff der Hamas sei erschütternd und zu verurteilen: „Wir sind gegen jede Verherrlichung solcher Taten.“ Besorgt zeigt sich die Akademie aber auch „über die Polarisierung des öffentlichen Diskurses“. Man fördere einen respektvollen, kritischen Dialog und gegenseitiges Verständnis.

Offener Brief mit „antiisrealischen Positionen“

Das Statement von Ende Oktober liest sich so, als gäbe es etwas klarzustellen. Tatsächlich, bestätigt jetzt eine Ministeriumssprecherin, sei es eine Reaktion auf einen offenen Brief, der über einen privaten, anonymen Instagram-Account verbreitet worden sei. Zu den Unterzeichnern gehörten auch aktive und ehemalige Stipendiaten der Akademie. Geprägt sei die Stellungnahme von „antiisraelischen Positionen“ und Argumenten, „die auch in antisemitischen Diskursen verwendet werden“.

„Ein Jahrhundert anhaltender kolonialer Gewalt gegen Palästinenser muss ein Ende haben“, heißt es etwa in dem englischsprachigen Text, von dem das Ministerium einen Auszug übermittelte. Gleiches gelte für die „Apartheid des israelischen Staates“ und ethnische Säuberungen . Gefordert wird die „Befreiung“ aller Palästinenser, ob im Gazastreifen, im Westjordanland oder anderswo. Ein großes Echo fand das offenbar nicht.

Durch eine „anonyme E-Mail“ wurde die Akademie auf den Brief aufmerksam und informierte das Ministerium. Beide reagierten hochgradig irritiert: „Solchen Aussagen“ widerspreche man „mit Nachdruck“. Die Akademieleitung habe unverzüglich das Gespräch mit allen Stipendiatinnen und Stipendiaten gesucht, berichtet die Sprecherin; man bleibe mit ihnen im „engen Austausch“. Nach StZ-Informationen konnten die Unterzeichner des Briefes zunächst kein Problem erkennen. Sie wollten diesen sogar über die Akademie veröffentlichen, ließen sich aber überzeugen, dass das nicht möglich sei. Die Frage nach Folgen für die betreffenden Stipendiaten – können sie an der Akademie bleiben? – ließ das Ministerium zunächst unbeantwortet. Es gebe jedenfalls „keinen Anlass, die Finanzierung der Akademie infrage zu stellen“. Immerhin verbietet die Haushaltsordnung des Landes Zuschüsse für Personen oder Projekte, die „dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderhandeln“.

Akademie erhält anonymen Hinweis

Zur Klarstellung auf der Webseite kam es offenbar auf Initiative des Ministeriums. Die Akademie habe den Text verfasst und in Abstimmung mit dem Ressort veröffentlicht, teilte die Sprecherin Olschowskis mit. Beide sähen die Solitude als „Ort des offenen Austausches“, mit klarer Orientierung am Grundgesetz und „im Bewusstsein der historischen Verantwortung Deutschlands“. Jede Form von Antisemitismus lehne man ab, das Team der Akademie habe ebenso wie Ministeriale entsprechende Schulungen absolviert.

Ans Ende ihrer Erklärung stellte die Akademie einen Appell, der unstrittig sein dürfte: „Wir unterstützen alle, die sich für den Frieden einsetzen, und bitten alle Parteien um ein baldiges Schweigen der Waffen.“

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