Die Sozialpsychiatrischen Dienste bekommen immer mehr zu tun. In fünf Jahren hat sich die Zahl der Hilfe Suchenden um 44 Prozent erhöht. Das Land will die Dienste nun rechtlich absichern.

Stuttgart - So klar sagen es wenige: „2012 waren die Aktivitäten der neuen Landesregierung deutlich wahrzunehmen“, schreibt Hans Heinz, der Vorstandsvorsitzende der Liga der freien Wohlfahrtspflege im Jahresbericht 2001 über die Arbeit der Sozialpsychiatrischen Dienste im Land. Grün-Rot hat Kürzungen früherer Regierungen bei den Diensten zurückgenommen, sodass ihnen wieder zwei Millionen Euro mehr pro Jahr zur Verfügung stehen.

 

Diese Mittel werden offenbar gebraucht. Denn wie aus dem Bericht hervorgeht haben vergangenes Jahr fast 23 000 Menschen bei einem der 67 Sozialpsychiatrischen Dienste Rat und Hilfe gesucht. Das sind gegenüber dem Jahr zuvor 4,2 Prozent mehr. Beeindruckend ist der Zuwachs über einen längeren Zeitraum betrachtet. 2006 haben etwas mehr als 15 000 Menschen einen Dienst in Anspruch genommen. Der Zuwachs innerhalb von fünf Jahren beträgt also mehr als 44 Prozent.

Viele kommen aus eigenem Antrieb

Ein Patient kommt meist nach einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. Er wird von seinem Nervenarzt auf den Dienst aufmerksam gemacht, von Nachbarn oder Angehörigen, viele kommen aus eigenem Antrieb. Fast 90 Prozent der Klienten suchen sozialpsychiatrische Grundversorgung, um wieder ins gesellschaftliche Leben zurückzufinden.

Die kann zum Beispiel darin bestehen, dass Betroffene bei Arztterminen oder Vorstellungsgesprächen begleitet werden. Man übt mit ihnen das Busfahren oder plant mit Familienmitgliedern die Haushaltsorganisation.

In schweren Fällen versucht man Menschen aus der Einsamkeit zu holen und vor der Verwahrlosung zu bewahren, etwa wenn sie über Jahre keine Körperpflege mehr betreiben und von sich aus die Kleider nicht wechseln würden. In Krisensituationen, etwa bei Selbstmordversuchen, ist womöglich eine stationäre Versorgung zu organisieren.

Bei den 67 Diensten kümmern sich zumeist Sozialarbeiter und Sozialpädagogen um die Klienten, seltener Pflegefachkräfte und Psychologen. Insgesamt sind 200 Stellen eingerichtet. Pro Stelle schießen das Land und der jeweilige Stadt- oder Landkreis pro Jahr pauschal 9700 Euro zu. 2005 hatte das Land seinen Finanzierungsanteil halbiert, jetzt wurde er wieder auf das alte Niveau angehoben. Die Krankenkassen zahlen nur für verordnete Soziotherapien. Die Schwellen für eine solche Verordnung seien aber so hoch, dass immer weniger Anträge genehmigt werden, beklagen Wolfgang Mohn vom Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart und Matthias Kneißler vom Diakonischen Werk Württemberg. Im vergangenen Jahr waren es noch knapp 900 Genehmigungen, 2006 mehr als 1100. Aus der Finanzierung der Grundversorgung sind die Kassen vor Jahren ausgestiegen. Seither tun zumeist die Stadt- und Landkreise mehr als sie tun müssten. In vielen Fällen ist das Defizit aber auch bei den Träger hängen geblieben.

Das Land tüftelt an einem Gesetz

Grün-Rot will auch hier stützend wirken. Das machten die Landtagsabgeordneten Manfred Lucha (Grüne) und Florian Wahl (SPD) deutlich. Die Landesregierung bringt ein „Psychisch-Kranke-Hilfegesetz“ auf den Weg, das die Leistungen der Sozialpsychiatrischen Dienst rechtlich absichern soll. „Das realisiert lange formulierte Wünsche“, sagt der Liga-Chef Hans Heinz.