Immer wieder bleiben Passanten vor dem neuen Automaten am Restaurant Zum Reussenstein stehen und schauen sich die Auslage an. Zu sehen sind Spätzle, Spätzle und nochmals Spätzle, jeweils portionsweise in Pappboxen verpackt, außerdem in Bechern abgefüllter Kartoffelsalat, Linsen mit oder ohne Speck und zwei verschiedene Soßen. Auf Knopfdruck wandern die gewählten Speisen per Aufzug sacht in die Auslage, bezahlt wird bargeldlos.
„Spätzomat 24/7“ steht auf dem Automaten, und nicht nur der Name, sondern auch die Idee ist eine Erfindung des Reussenstein-Wirts Timo Böckle. „Das ist der weltweit erste Spätzle-Automat“, sagt er und lacht. Die Herstellerfirma Stüwer, bekannt für die verschiedensten Regiomat-Varianten, bestätigt: Einen Automaten nur für frisch zubereitete Spätzle, das gab’s noch nie.
Obwohl der Automat erst diese Woche in Betrieb gegangen ist, ist die Nachfrage schon gut, sagt der aus dem Fernsehen bekannte Koch, während er die Becher mit Kartoffelsalat nachfüllt. Aus der Computerauswertung weiß er: „Sobald der Spätzle-Drive-In geschlossen hat, geht’s los.“ Er sei gespannt, wie der Automat am Wochenende angenommen wird, denn: „Wenn nachts um 11 Uhr der Hunger kommt, gibt es sonst nicht viele Möglichkeiten.“ Die Spätzle auf Knopfdruck sind hingegen zu jeder Tages- und Nachtzeit erhältlich und immer frisch: „Wir füllen alle 24 Stunden neu auf.“ Anders als beim Drive-Inn, wo die Gerichte warm abgeholt werden, sind sie beim Spätzomat auf zwei Grad gekühlt und müssen zuhause aufgewärmt werden.
Weniger Mehrwertsteuern auf Speisen zum Mitnehmen
Und warum das Ganze? Als das Ende der coronabedingten Mehrwertsteuersenkung auf Speisen von 19 auf sieben Prozent absehbar war, hat Timo Böckle nach einer Idee gesucht, wie er weiterhin wirtschaftlich arbeiten kann. Da auf Mitnahmespeisen weiter der geringe Steuersatz gilt, hat er sich entschieden, in diesem Feld zu investieren. „Der Automat ist unsere Antwort auf die Geschichte“, sagt er, und meint damit das Ende der Steuersubvention. Man merkt ihm den Ärger darüber an. Denn er findet: „Tischkultur, Handwerk, guten Service höher zu besteuern als schnelles Essen auf die Hand, das Müll erzeugt, das ist falsch gedacht.“
Dass die angekündigte Steuererhöhung Gäste fernhält, kann Böckle bisher aber nicht feststellen. Allerdings hat er seine Preise noch nicht erhöht, da er zunächst abwarten möchte, wie die lokalen Bauern ihre Preise gestalten, von denen er sämtliche Lebensmittel direkt bezieht. „Ich kann nicht jede Woche die Karte neu drucken, deshalb warte ich den Januar ab. Einfach 12 Prozent aufzuschlagen wäre zu kurz gedacht“, sagt Böckle.
Wie gehen andere Gastronomen mit der Mehrwertsteuererhöhung auf Speisen um? „Momentan ist es noch zu früh, mit Maßnahmen um sich zu schießen“, sagt Arnold Nölly vom Gasthof Hasen in Herrenberg
. Eine Zurückhaltung der Gäste, Essen zu gehen, merkt der Gastronom im neuen Jahr aber „definitiv“. Verglichen mit vergangenem Jahr sei der Januar diesmal „extrem schlecht“ angelaufen. Ob das auf die Preiserhöhung zurückzuführen ist oder auf das „Januarloch“, wie er den in Restaurants häufig schwachen ersten Monat des Jahres nennt, oder auf eine Kombination aus beidem, könne er noch nicht einschätzen. Aus Gesprächen mit Gästen wisse er aber, dass einige vorhaben, seltener Essen zu gehen.
Den höheren Steuersatz möchte Nölly moderat an die Gäste weitergeben. „Wir haben versucht, einen Mittelweg zu finden und nicht alle Preise pauschal um zwölf Prozent zu erhöhen“, sagt der Gastronom, denn: „Bei manchen Preisen schluckt man selber.“ Stattdessen werde zum Beispiel mal eine Beilage weggelassen, um so die Kosten im Rahmen zu halten. Die Mehrkosten komplett selbst zu tragen, komme nicht infrage. „Gastronomen haben im Durchschnitt eine Umsatzrendite von 1,5 Prozent. Da gibt es keine Möglichkeit für Rabatte.“
Wie hält man seine Gäste?
Auch der Hasen-Wirt und seine Familie denken darüber nach, ihr Take-away-Geschäft auszuweiten, um auf diesem Weg Speisen mit dem niedrigeren Steuersatz verkaufen zu können. Die räumlichen Gegebenheiten seien nicht optimal, „aber wir überlegen noch, ob wir da wieder mehr Fuß fassen wollen“, sagt Nölly. Eine andere Idee sei, mehr kleinere und dadurch günstigere Gerichte auf die Karte zu nehmen und so bezahlbare Preise zu ermöglichen. Nölly fürchtet aber, dass dennoch weniger Gäste ins Lokal gehen könnten. Der Grund: „Vielen hat sich so eingebrannt, dass es teurer geworden ist, dass sie gar nicht erst essen gehen.“
Die Krone in Steinenbronn hat nach der Weihnachtspause eben erst wieder geöffnet, weshalb Geschäftsführer Tim Hornung noch nicht einschätzen kann, ob seine Gäste ihr Ausgehverhalten geändert haben. „Aber ich habe schon letztes Jahr mit vielen Gästen gesprochen, und es ist ungefähr 50:50, ob sie genauso oft essen gehen werden oder seltener“, sagt der Gastronom. Er rechnet damit, dass viele Kollegen mehr Selbstabholung anbieten und Biergartenangebote einen Aufschwung erfahren werden, „aber ich forciere das nicht“.
Die Preise seiner Speisekarte hat Tim Hornung bereits angepasst. „Ich muss die zwölf Prozent weitergeben“, sagt er. Da er keine krummen Preise möchte, habe er in der Regel nach unten abgerundet. Er rechnet vor, dass ein Gast für zwei Essen und Getränke nun rund zehn Euro mehr bezahlen müsse. „Das ist halt leider so. Wir können die Mehrkosten nicht schlucken“, sagt Hornung.
Dehoga-Umfrage: Mehrheit der Gastronomen sehen ihre Zukunft düster
Umfrage
Der baden-württembergische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga hat seine Mitglieder im Dezember nach möglichen Auswirkungen des erhöhten Mehrwertsteuersatzes befragt. 780 Unternehmen beteiligten sich an der Umfrage. 17,3 Prozent der Teilnehmenden bezeichneten die Steuererhöhung als wirtschaftlich verkraftbar, fünf Prozent gaben an, kaum oder gar nicht betroffen zu sein. Knapp 61 Prozent erklärten, die Erhöhung werde ihren Betrieb wirtschaftlich hart treffen, 11,5 Prozent rechneten damit, an den Rand des Ruins zu kommen und 5,4 Prozent kündigten an, ihr Lokal mangels Perspektiven aufzugeben.
Preise
Fast 90 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Betriebe kündigten als direkte Folge einer Mehrwertsteuererhöhung die Anhebung ihrer Preise an. Knapp 72 Prozent wollten ihr Angebot aufgrund der Steuererhöhung anpassen, 34 Prozent planten eine Kürzung ihrer Öffnungszeiten.