Rolf Mützenich soll die Bundestagsfraktion der SPD übergangsweise führen. Der Neue an der Spitze ist ein ausgewiesener Parteilinker – ein Ideologe ist er aber keineswegs.

Berlin - Mein Name ist Rolf Mützenich.“ Ein ungewöhnlicher erster Satz, wenn sich ein designierter neuer Fraktionschef einer Volkspartei in dieser Rolle erstmals den Medien stellt. Eigentlich sind die Protagonisten auf dem politischen Parkett der Hauptstadt so von ihrer Bedeutung überzeugt, dass die eigene Bekanntheit immer schon als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Und doch hat sich Mützenich am Sonntag im Willy-Brandt-Haus genau so vorgestellt. Als Übergangs-Fraktionschef der SPD. Als der Mann, der eine Fraktion wenigstens zeitweilig übernimmt, die gerade in den Abgrund geschaut hat, die in einer testosterongetränkten Woche ihre Vorsitzende ins politische Aus befördert und sich selbst blutende Wunden geschlagen hat.

 

Sein bescheidener Auftritt ist keine Koketterie

Mützenichs bescheidener Auftritt war keine Koketterie. Diejenigen, die ihn länger kennen, sind darüber auch nicht überrascht. Der Kölner ist ein höflicher Mann. Einer, der auf Umgangsformen achtet. Journalisten, die sich per Mail mit einer Frage an ihn wenden, erhalten nicht nur eine Antwort, sondern oft auch einen Dank dafür, dass er seine Sicht der Dinge darlegen dürfe. So geht es sonst eigentlich nicht zu in Berlin. Man darf sich nicht täuschen. Mützenich ist zurückhaltend, dezent im Auftritt. Aber das heißt nun gar nicht, dass er keine Prinzipien hätte oder nicht wüsste, sie durchzusetzen. Im Kleinen wie im Großen.

Ein Beispiel fürs Kleine: Mützenich kam 2002 als direkt gewählter Abgeordneter neu in den Bundestag. Seither hat er seinen Kölner Wahlkreis immer verteidigt, zuletzt 2017 mit 32,3 Prozent. Der Autor dieser Zeilen bat Mützenich zu einem Treffen, um sich kennenzulernen. Junge Abgeordnete sind in der Regel keine schlechten Informanten, denn sie freuen sich über Pressekontakte. Und so begann Mützenich das Gespräch: „Das möchte ich gleich sagen: Ich stehe jederzeit zur Verfügung, wenn Sie Sachfragen erörtern wollen. Interna aus Partei oder Fraktion erfahren Sie von mir nicht.“

Seine Leidenschaft gilt der Außenpolitik

Ein Beispiel fürs Große: Mützenichs Leidenschaft gilt der Außenpolitik. Von 2009 bis 2013 war außenpolitischer Sprecher. Seither ist er als Fraktionsvize auch dafür zuständig. Die SPD als Friedenspartei, das ist seine Vision, natürlich geschult an Willy Brandt. Es ist ein Lebensthema für Mützenich. Er kommt aus einem Kölner Arbeiterhaushalt, Mutter Hausfrau, Vater Schlosser. Erst Hauptschule, dann Abitur, dann Studium der Politikwissenschaft. Promotionsthema: „Atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik – historische Erfahrungen, Rahmenbedingungen, Perspektiven.“ In der Bundestagsfraktion bearbeitet er mit Beharrlichkeit Abrüstungsfragen. Er ist es, der für die SPD die „Jemen-Klausel“ in den Koalitionsvertrag verhandelt – keine Waffenlieferungen an Beteiligte am jemenitischen Konflikt. Das ist die Grundlage dafür, dass die Koalition mindestens bis zum Herbst keine Waffen an Sadi-Arabien liefert.

Kein Netzwerker, eher ein Einzelgänger

Mützenich ist innerparteilich ein Linker, er ist auch Mitglied der Parlamentarischen Linken, der größten Gruppierung innerhalb der Bundestagsfraktion. Aber ein typischer Linker ist der Abgeordnete aus dem Rheinland nicht. Er ist kein Netzwerker, kein Freund von Seilschaften und Bündnissen innerhalb der Partei. Eher ein Einzelkämpfer, beharrlich, vielleicht ein bisschen stur.

Das macht ihn auch an andere Fraktionskreise anschlussfähig. Allseits schätzt man, dass er solidarisch ist – und kein Lautsprecher. Auf Twitter ist er nicht vertreten. Er sagt: „Jeder kann mir etwas sagen, jeder kann mir etwas schreiben. Aber wenn er das auf Twitter tut, erreicht mich das nicht, ich arbeite nicht damit, sondern ich bin traditionell darauf angewiesen, dass man mir seine Meinung, seine Haltung, seine Ideen konventionell übermittelt.“ Vielleicht kann die trudelnde SPD gerade so jemanden gebrauchen.