Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich bei einer Podiumsdiskussion in Tübingen dafür eingesetzt, die Mundart zu stärken. Aber Dialektpflege löst nicht alle Probleme.

Tübingen - Baden-Württemberg Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fordert eine Aufwertung des Dialekts. Er dürfe nicht diskriminiert werden, weil er zur Beheimatung von Menschen beitrage, sagte der Politiker am Donnerstagabend bei einer Online-Podiumsdiskussion in Tübingen.

 

Kretschmann hatte 2020 eine „Dialektinitiative“ zur Stärkung der Dialekte im Land gestartet. Sie ist auch Teil der des neuen grün-schwarzen Koalitionsvertrags. Baden-Württembergs Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) verlangte, die Vielfalt der Sprachen wertzuschätzen. Das gebe dialektsprechenden Kindern Selbstvertrauen. Als Kind kurdischer Arbeitsmigranten habe sie erfahren, dass Dialekt ausgrenzend wirken könne.

Die Abwertung fing im Norden an

Der Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger erklärte, der Dialekt als Kulturgut sei immer ein für alle verfügbares Mittel gewesen, um Gemeinsamkeit auszudrücken. Der Gründer des Universitätsfachs – der ehemaligen Volkskunde – wies darauf hin, dass Dialektpflege nicht nur Probleme löse, sondern auch auslöse.

Nach Einschätzung des Dialektforschers Hubert Klausmann spielt Dialekt im ländlichen Raum im familiären Bereich noch eine Rolle. Die Abwertung des Dialektes habe vor 200 Jahren im Norden stattgefunden, da die niederdeutschen Dialekte viel stärker von der Standardsprache abwichen als die im Süden. Das Klischee des minderwertigen Dialekts tradierten auch die Medien, indem sie ein norddeutsches Hochdeutsch pflegten, kritisierte der Wissenschaftler; diese Problematik müsse in der Lehrerausbildung behandelt werden.

Die Veranstaltung „Dialekt und Sprachvielfalt – Heimat und Beheimatung“ des Ludwig-Uhland-Instituts für Empirische Kulturwissenschaft und des Fördervereins Schwäbischer Dialekte fand aus Anlass des 50. Geburtstag des Fachs Empirische Kulturwissenschaft an der Universität Tübingen statt.