Ingenieure haben eine Idee und wollen einen unschönen Straßenzug in Vaihingen zu einem attraktiven Stadtviertel umbauen.

Vaihingen - Ein neues Quartier mitten im Stadtbezirk Stuttgart-Vaihingen nahe der S-Bahn, Grünzüge zwischen den Häusern und dazu ein modernes Verkehrskonzept, und all dies, ohne neue Flächen zu versiegeln: So könnte die Ideallösungen für innerstädtischen Wohnungsbau aussehen. Eine Gruppe von Ingenieuren mehrerer örtlicher Konstrukteursbüros hat genau diese Idee jüngst dem Bezirksbeirat Vaihingen präsentiert. Ihr Vorschlag: Einen Deckel über die B 14 im Johannesgraben zu spannen und diesen zu bebauen und zu begrünen. Die Idee ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Das Gremium sucht nun den besten Weg, wie das Projekt rasch von der Verwaltung geprüft und weiterverfolgt werden könnte.

 

Fast einen Kilometer lang und rund 30 Meter breit solle der Deckel über den Johannesgraben werden, sagte Wolfgang Seeliger vom Büro Leichtbau BW. „Wir wollen eine Überdeckelung schaffen, die mehr ist als ein reiner Lärmschutzwall“, sagte Andreas Schönbrunner vom Stuttgarter Büro Structure Lightweight Design. Der Deckel solle aus verschiedenen Modulen bestehen, dem Segment Wohnen und den Segmenten der Grünbrücken. Das Ressourcen schonende Bauen und der effiziente Umgang mit den Materialien seien wesentliche Elemente im Leichtbau. „Wir haben uns die Situation in Vaihingen ohne Auftrag auf eigene Initiative angeschaut. Wir haben das gemacht, weil wir von dem Deckel überzeugt sind. Der Graben ist ein tiefer Einschnitt, er ist ideal dafür.“ Das auf dem knapp einen Kilometer langen Deckel über den Abschnitt von der Allmand- bis zur Katzenbachstraße zu schaffende „Adapter-Quartier“ verbinde die Uni und die Wohngebiete jenseits des Grabens ebenerdig in idealer Weise.

Je dichter das Gebiet bebaut werde, desto eher rechnen sich die Kosten

Sein Kollege Johannes Hawlik von Octopus Real Estate ging detaillierter darauf ein, was man alles auf dem Deckel schaffen könne. Wenn man von Häusern mit drei Geschossen ausgehe, käme man auf 72 000 Quadratmeter Wohnfläche. Ziehe man Randflächen entlang der Straße heran, käme man auf bis zu 144 000 Quadratmeter Wohnfläche: „Damit könnte man einen Stadtteil schaffen.“ Die Anbindung könne über den öffentlichen Nahverkehr in der Umgebung erfolgen.

Je dichter das Gebiet bebaut werde, desto mehr rechneten sich auch die Kosten des Deckels, und die Grünflächen darauf trügen zur Verringerung von Schadstoffen bei. Die Kosten lägen je nach Bebauung und den Preissteigerungen zwischen 300 Millionen und 600 Millionen Euro. Nach rund 50 Jahren, sagten sie auf Nachfrage von Christian Spindler (Puls), müsse der Deckel saniert werden. Die Leichtbauer verwiesen darauf, dass sie Kontakte zum Vaihinger Fraunhofer Institut hätten. Dabei gehe es darum, wie moderne Mobilitätsformen für das Adapter-Quartier genutzt werden könnten. Die Universität wolle diese mit dem Projekt Mobilab dafür nutzen, ihren Campus CO2 -frei zu machen.

Vor allem die Verkehrsanbindung wirft Fragen auf

In der Aussprache nach der Präsentation bestätigten die Ingenieure die Frage des Bezirksvorstehers Kai Jehle-Mungenast, ob seine Rechnung richtig sei, dass auf dem Deckel Platz für Wohnungen sei, die 3000 Menschen beherbergen könnten. Ulrich Bayer (CDU) verwies darauf, dass der Johannesgraben für die Stadt unter anderem eine wichtige Kaltluftschneise und ein Hochwasser-Hotspot sei. Er finde es außerdem mutig, die Verkehrsanbindung nur über den ÖPNV und über ein Projekt der Uni lösen zu wollen. Das Quartier würde einen „enormen Zuwachs“ mit sich bringen und er finde es „spannend“, wie es funktionieren solle. „Mich hat die Voruntersuchung nicht überzeugt“, sagte er. Mit seiner Einschätzung blieb er allerdings alleine. Selbst Gerhard Wick (Die Fraktion), der neuen Quartieren überwiegend kritisch gegenübersteht, sagte: „Sie haben eine ziemlich gute Idee vorgestellt. Wenn man dafür den Bauanteil auf dem Eiermann-Campus reduzieren und auf dem Deckel die Grünflächen ausdehnen würde, hielte ich das für eine gute Alternative zu dem, was man bisher an Bauflächen verwendet hat.“

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„Es ist spannend zu sehen, was man aus so einer hässlichen Straße machen kann“, sagte Volker Schweizer (Grüne). Auch der Campus habe bereits ein Parkhaus mit einem Fotovoltaik-Dach über den Johannesgraben vorgeschlagen, sei aber im Bezirksbeirat auf Ablehnung gestoßen. Die Flächen entlang des Deckels, gab er zu bedenken, würden oft von Spaziergängern mit Hunden genutzt, die diesen Freiraum bräuchten. „Ich bin von dem, was wir hier gesehen haben, sehr angetan. Ich hoffe, dass Sie sich von Bedenkenträgern nicht entmutigen lassen. Ich will Sie darin bestärken, die Idee weiterzuverfolgen.“ Allerdings müsse man schauen, wie die Anbindung des Quartiers an den ÖPNV, der ein bis zwei Kilometer entfernt sei, verbessert werden könne. Die Buslinie 82 könne dies alleine nicht leisten.