In Stuttgart wird die Forderung nach einem neuen Veranstaltungsort in zentraler Lage laut. Ein neues Tagungs- und Kongresszentrum könnte in der Nähe des Hauptbahnhofs entstehen.

Stuttgart - In der Innenstadt könnte in den nächsten Jahren ein neues Kongresszentrum entstehen. Nach Aussage des Ersten Bürgermeisters Michael Föll (CDU) kommen für den Neubau drei Flächen in der Nähe des Bahnhofs in Frage. Die Chancen dafür sind hoch. Die Liederhalle und anderen Veranstaltungsorte sind komplett ausgelastet – sowohl Nachfrage als auch Bedarf gehen darüber hinaus.

 

„Es gibt Überlegungen“, erklärt Föll auf StZ-Anfrage und fügt an: „Die Zentralität des neuen Bahnhofs legt neue Kapazitäten für einen Kongress- und Veranstaltungsort nahe.“ Auch wenn es noch keine konkrete Bauplanung gibt, nennt Föll bereits drei Flächen, die für ein neues Kongresszentrum in Frage kommen. Zum einen könnten Tagungsflächen auf den Baufeldern vier und fünf des Europaviertels entstehen. Zwischen dem Einkaufszentrum Milaneo, der Stadtbücherei und der Heilbronner Straße werden derzeit noch neue Stadtbahntunnel gegraben. Die Flächen sind Eigentum der Deutschen Bahn. „Die Vermarktung ist in Gang gesetzt worden“, sagt der Finanzbürgermeister.

Bahn will Konzept im Oktober vorstellen

Die Bahn erklärt auf Anfrage, man wolle in der nächsten Sitzung des Stuttgart-21-Lenkungskreises im Oktober über die Konzeption für die verbliebenen Baufelder im Europaviertel und den Bonatz-Bau informieren. Zudem gebe es wegen der Flächen Gespräche mit der Landeshauptstadt.

Als alternative Standorte nennt Michael Föll das Grundstück zwischen der ehemaligen Bahndirektion an der Heilbronner Straße und der Jägerstraße sowie die Rückseite des Bonatz-Baus, angrenzend an den auf den heutigen Gleisflächen geplanten Straßburger Platz.

Föll will in den kommenden Wochen mit einer genauen Analyse des Kongressstandorts Stuttgart in den Gemeinderat gehen. „Wir müssen auf einer soliden Basis entscheiden“, sagt er. Zwar handelt es sich bislang nur um abstrakte Überlegungen, mit den Details der Grundstücke hat sich Föll jedoch bereits sehr genau beschäftigt. Für den Standort im Europaviertel gilt unter Investoren das Thema Parkplätze als größtes Hemmnis. „Die Baufelder vier und fünf sind nicht komplett untertunnelt“, erklärt Föll. „Es ist möglich, in den Untergrund zu gehen.“ Eine Tiefgarage wäre also denkbar. Auch sei der Standort in der Nähe des Bahnhofs sehr gut an den Nahverkehr angeschlossen, die notwendigen Stellplätze könnten reduziert werden. „Die Stadt hat hier Ermessensspielraum“, sagt Föll.

Stadt ist bereit, mit Investoren zu verhandeln

Da Veranstaltungsgebäude von Investoren nicht Profit bringend vermarktet und im Gegensatz zu Handels- oder Büroobjekten kaum an Immobilienfonds verkauft werden können, steht vor dem Bau meist die Frage nach öffentlichen Zuschüssen. „Wir sind gesprächsbereit“, sagt der Finanzbürgermeister, fügt aber an: „Ich kann jetzt natürlich keine fixe Förderung in Aussicht stellen.“

Der Bedarf an neuen Tagungs- und Veranstaltungsflächen ist hoch. „Wir haben aktuell Engpässe im Raumangebot“, analysiert Stuttgarts Tourismuschef Armin Dellnitz. Um internationale Veranstaltungen in die Stadt zu holen, müssten hochwertige Hotels und der Tagungsort in zentraler Lage nahe beieinanderliegen. „Es geht um fußläufige Distanzen“, sagt Dellnitz. „Wir befinden uns im Wettbewerb um Kongresse mit 1000 bis 3000 Teilnehmern. Die Konkurrenten heißen Barcelona, Rom oder London“, sagt der Tourismuschef. Das Image der starken Wirtschaftsregion sei positiv. Doch Dellnitz sagt auch: „Wenn wir die Infrastruktur nicht bieten, fällt die Entscheidung gegen uns.“ Die Wettbewerber könnten das leichter bieten.

2000 neue Hotelbetten

Die Stuttgarter Hotellerie ist derweil bereits dabei, die Kapazitäten zu erhöhen. „Wir bekommen in den kommenden Jahren rund 2000 neue Hotelbetten in Stuttgart“, sagt Dellnitz. Ein großer Teil davon siedelt sich rund um das Europaviertel und somit in Bahnhofsnähe an. Der Anteil von Geschäftsreisenden liegt bei den Übernachtungsgästen in Stuttgart je nach Rechnung zwischen 66 und 74 Prozent. Die Ausgaben der Tagungs- und Kongressgäste werden in der Stadt auf rund 450 Millionen Euro pro Jahr geschätzt – Verpflegung oder private Einkäufe nicht inbegriffen. Aus Sicht des Tourismuschefs stellt sich für die Stadt daher folgende Frage: „Will ich investieren, um von diesem Markt zu profitieren, oder nicht?“

Aus Sicht des Ersten Bürgermeisters scheint die Antwort klar zu sein. „Die Tagungs- und Kongressgäste machen den höchsten Pro-Kopf-Umsatz aller Reisenden“, sagt Föll und fügt an, der Tourismus in Stuttgart habe enormes Potenzial. „Wenn wir von diesem Wachstum profitieren wollen, müssen wir auch die entsprechenden Örtlichkeiten schaffen.“

Zusätzlich zu den Neubauplänen wird weiter über die Nutzung des Bonatz-Baus als Veranstaltungsort nachgedacht (die StZ berichtete). „Daran sind wir sehr interessiert“, sagt Michael Föll.