Marode Schulen, Wohnungsknappheit und ein drohender Verkehrsinfarkt – das alles sind Probleme, für die der Ludwigsburger Baubürgermeister Michael Ilk Lösungen finden muss. Im Interview spricht er über die Widerstände, die es dabei zu überwinden gilt.

Ludwigsburg - Michael Ilk hat keinen einfachen Job. Viele Schulen in Ludwigsburg sind marode, die Innenstadt soll umgestaltet werden, Wohnungen sind knapp, es droht ein Verkehrsinfarkt: Das alles sind Probleme, für die Ilk, der Baubürgermeister, Lösungen finden muss. Im Interview spricht er über die Widerstände, die es dabei zu überwinden gilt.

 
Herr Ilk, haben Sie den Wechsel von Bamberg nach Ludwigsburg je bereut?
Keine Sekunde. Bamberg ist eine Weltkulturerbe-Stadt. Dadurch sind der baulichen Entwicklung enge Grenzen gesetzt, da dieses Erbe bewahrt werden will. Ludwigsburg ist eine total interessante Stadt, in der das Gestalten im Vordergrund steht, und das macht Spaß.
Im Gemeinderat ist immer wieder die Rede davon, wie überlastet Ihr Dezernat sei.
Wir bearbeiten vieles parallel. Es gab in den vergangenen Wochen viele Tage, an denen ich meine Frau nicht oder nur kurz gesehen habe. Trotzdem überwiegt die Freude an der Arbeit.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Oberbürgermeister Werner Spec, der ständig neue Ideen entwickelt, die Sie dann umsetzen sollen?
Das ist seine Aufgabe, denn das bringt die Stadt weiter. Wir sind zwar nicht immer einer Meinung, aber uns geht es um die Sache. Wir haben ein gutes Verhältnis.
Geplant wird viel, aber umgesetzt wurde zuletzt eher wenig. Oder täuscht der Eindruck?
Ich bin jedenfalls der Meinung, dass wir vor der Umsetzung manchmal unnötige Schleifen drehen. Das kostet Zeit.
Woran liegt das?
Nehmen wir den Bau des Radwegs an der Marbacher Straße. Dazu waren alle Beschlüsse gefasst, aber dann wollten Teile des Gemeinderats das Ganze erneut aufrollen. Ich beobachte mit Sorge, dass die jeweils unterlegene Partei versucht, Entscheidungen rückgängig zu machen.
Haben Sie ein weiteres Beispiel?
Die zentrale Innenstadtentwicklung, die Umgestaltung des Schiller- und Arsenalplatzes, ist eines unserer wichtigsten Projekte. Jetzt liegt ein Antrag auf dem Tisch, das gesamte Verkehrskonzept noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Dabei hatten wir diesen Punkt längst erledigt.
Ärgert Sie das?
Nein. Es zeigt mir, dass wir im Vorfeld noch mehr Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Die Stadt will aus dem Arsenalplatz einen Park machen. Dabei würden viele Parkplätze wegfallen, was für die Freien Wähler tabu ist. Überzeugen dürfte da schwierig werden.
Mag sein, aber trotzdem müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, dass in den Gremien Menschen mit den unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen sitzen. Wir müssen komplexe Sachverhalte so rüberbringen, dass jeder sie versteht.
Die Verwaltung trifft bei den Verzögerungen eine Mitschuld: Es war schließlich der Oberbürgermeister, der meinte, er müsse einen Streit mit dem Land vom Zaun brechen – weil er will, dass das Staatsarchiv aus der City verschwindet.
Ich finde es legitim, dass man, bevor man ein derart bedeutendes Vorhaben angeht, über alle Möglichkeiten nachdenkt. Der Zeughausplatz zwischen den Staatsarchiv-Gebäuden ist für die Belebung der Innenstadt von zentraler Bedeutung. Da ist es doch richtig, sich die Frage zu stellen: Was wäre möglich, wenn das Archiv insgesamt verlagert würde?
Aber das Land will die beiden Gebäude nun einmal nicht hergeben.
Es ist aber nun bereit, das Erdgeschoss des Zeughauses zu räumen, was ein großer Fortschritt ist. Das ist die Basis, auf der wir bald den städtebaulichen Wettbewerb für das gesamte Areal ausloben werden.
Sie haben beim Amtsantritt gesagt, Ihr wichtigstes Ziel sei die Umgestaltung der öffentlichen Plätze. Ist das hier besonders schwierig, weil die Autolobby so stark ist?
Die Lobby gibt es überall, das ist der normale Widerstreit der Interessen.
Aber die Debatte ist ideologisch aufgeladen – es wird um jeden Parkplatz gestritten.
Das ist natürlich schwierig, aber andererseits auch ganz einfach: Wenn der Arsenalplatz ein Parkplatz bleiben soll, brauchen wir keinen städtebaulichen Wettbewerb. Dann kann man schauen, ob man die eine Parkuhr etwas nach rechts und die andere ein bisschen nach links versetzt, das war es dann auch. Will man wirklich etwas verändern, muss man es umfassender angehen.
Ein weiteres Großprojekt ist der Umbau der Weststadt, aus der ein kleines Silicon Valley werden soll. Zu sehen ist davon wenig.
Wenn dort künftig Dienstleistungsunternehmen angesiedelt werden, Start-ups, Firmen aus der Kreativbranche, dann muss die Umgebung dem gerecht werden. Gewerbegebiete haben traditionellerweise keine städtebauliche Qualität, das muss sich ändern. Die Mitarbeiter wollen sich dort wohlfühlen. Aber es ist nun einmal das Wesen einer Planung, dass man anfangs vor Ort eher wenig davon sieht.
Was ist die größte Hürde?
Auch hier sind es die Parkplätze, die überall in der Weststadt verteilt sind. Will man mehr Aufenthaltsqualität, müssen dafür Lösungen her.
In welchem Bereich hat Ludwigsburg den größten Handlungsbedarf?
Ganz klar ist das der Verkehr.
Eine Stadtbahn könnte helfen . . .
Durchaus. Deshalb ist die Doppelstrategie ja auch ein guter Weg.
Der OB ist gegen die Stadtbahn und setzt voll auf Schnellbusse. Die meisten anderen Beteiligten, der Landrat, die Bürgermeister der Nachbarkommunen, wollen eher die Bahn. Man kann das Doppelstrategie nennen. Letztlich will Ludwigsburg mit den Bussen aber doch nur Zeit gewinnen, um die Stadtbahn in Ruhe beerdigen zu können.
Das täuscht. Ich kenne die Vorteile einer Stadtbahn. Aber eine neue Trasse von Remseck über Ludwigsburg nach Markgröningen – bis so etwas umgesetzt ist, vergehen mehr als zehn Jahre. So lange können wir nicht warten. Mit Bussen können wir schneller Verbesserungen für Mensch und Luftqualität erreichen.
Sollen Busse schnell sein, benötigen sie eigene Fahrspuren – damit hat man das gleiche Problem wie mit der Bahn. Es fehlt an Platz.
Wir müssen Verkehre entmischen und Straßen oder Spuren für Autos sperren, damit dort Busse fahren können. Dann würde, nur als Beispiel, die Schorndorfer Straße für den Individualverkehr und die Fuchshofstraße für Schnellbusse reserviert. Ein anderes Beispiel: In Remseck soll eine zweite Neckarbrücke gebaut werden. Was spricht dagegen, dass dann über die eine Brücke Autos und über die andere Busse fahren?
Es spricht dagegen, dass Remseck keine Schnellbusse will, sondern eine Bahn.
Es gibt dort eine große Skepsis, ja. Auch da müssen wir die Vorteile noch deutlicher herausarbeiten.
Nehmen Sie das Baugebiet Fuchshof mit fast 550 Wohnungen. Das planen wir seit 2013, und 2018 fangen wir an. Es war ein aufwendiger Diskussionsprozess im Gemeinderat, in dem viele unterschiedliche Haltungen zum Ausdruck kamen – etwa in Bezug auf die Höhe und die Dichte der Bebauung. So etwas dauert. Die Umsetzung des Neubaugebiets Schauinsland hat jetzt begonnen, und in Grünbühl werden bald rund 400 Wohnungen entstehen. Die großen Vorhaben stehen jetzt an.
Sie haben als Student in Ludwigsburg gewohnt. Wenn Sie damals und heute vergleichen: Wie hat die Stadt sich verändert?
Stark zum Positiven. Ich erinnere mich, dass der Akademiehof in den 1980er Jahren noch eine Schotterfläche war: schön zum Parken. Jetzt ist dort ein zentraler Platz mit hoher Aufenthaltsqualität entstanden. Auch auf dem Marktplatz standen Autos, und als man das ändern wollte, hagelte es Kritik. Manche dachten, die Stadt würde ohne diese Parkplätze ausbluten. Die Sorge war unbegründet.
Der Gemeinderat fordert, dass Ihre Verwaltung künftig bei allen größeren Bauvorhaben einen externen Controller hinzuzieht, der Einsparmöglichkeiten finden soll. Ein Misstrauensvotum gegen Sie?
Nein, ich sehe das als eine Chance zur Optimierung. In anderen Städten gibt es das auch. Wenn es der Verwaltung hilft, noch besser zu werden, ist das völlig okay.
Die Hälfte Ihrer Amtszeit ist vorüber. Wissen Sie schon, ob Sie noch mal antreten?
Aus heutiger Sicht sage ich: selbstverständlich.