Die Wirtschaft im Land schafft überdurchschnittlichen Wohlstand; doch auch skeptische Stimmen mischen sich in den Jubel.

Stuttgart - Schneller als erwartet hat sich die Wirtschaft im Land erholt. Dabei war der Absturz tiefer als anderswo. Die Wirtschaftsleistung war um bis zu sieben Prozent gesunken. Jetzt stellen Firmen wieder ein, die Arbeitslosigkeit ist mit 4,5 Prozent niedriger als in jedem anderen Bundesland. Betriebe ziehen Lohnerhöhungen vor. Der wieder in Gang gekommene Welthandel und die starke Exportorientierung des Landes machen es möglich. Allein die Ausfuhren nach China sind 2010 um 70 Prozent gewachsen. Das spricht für die Konkurrenzfähigkeit der von Mittelständlern und Großunternehmen geprägten Südwest-Ökonomie.

 

Doch auch skeptische Stimmen mischen sich in den Jubel. Inzwischen sind rund ein Viertel aller Beschäftigungsverhältnisse im Südwesten atypisch. Damit meint man befristete Stellen, Leih- und Zeitarbeit, Teilzeit- oder geringfügige Beschäftigung wie 400-Euro-Jobs. Diese erlauben den Unternehmen mehr Flexibilität. Der Stellenzuwachs nach der Krise sei überwiegend einem Plus bei der Leiharbeit zuzurechnen, stellt der DGB fest. Dabei liege der mittlere Bruttolohn für Vollzeit tätige Leiharbeiter um 48 Prozent unter dem der normal Beschäftigten. Der Anteil befristeter Arbeitsverträge liegt im Land höher als im Bundesdurchschnitt. Mehr als die Hälfte der befristet Angestellten machen jedoch einen qualifizierten Job. Dies hat das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) im Auftrag des Wirtschaftsministeriums ermittelt.

Andererseits beklagt die Wirtschaft einen wachsenden Fachkräftemangel. Bei sinkender Bevölkerungszahl wird qualifiziertes Personal knapp. Was kann die Politik tun? Frauen haben beste Schul- und Hochschulabschlüsse, arbeiten aber oft nicht oder nur in Teilzeit. Familien- und Erwerbsleben sind häufig nicht zu vereinbaren. Den Aufbau der Kleinkindbetreuung im Land hat erst Günther Oettinger propagiert - mit Verspätung. Es besteht Nachholbedarf: Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Frauen liegt im Land eine Stunde unter dem Bundesschnitt.

Das Ziel ist anspruchsvoll

Gefragt wären auch Modelle, wie gering Qualifizierte ausgebildet werden können, so dass sie bessere Chancen auf Arbeit und Betriebe Zugriff auf Fachpersonal bekommen und Sozialkosten gespart werden. Dies freilich ist in erster Linie ein Betätigungsfeld für karitative Einrichtungen - die immerhin Fördermittel erhalten. Ansonsten ertönt stereotyp die Forderung nach besserer Schulbildung.

Im Auftrag von Regierungschef Stefan Mappus (CDU) haben Experten vom IAW und von der Unternehmensberatung McKinsey Zukunftschancen untersucht. Die Bestandsaufnahme fällt zwiespältig aus, das Ziel anspruchsvoll: Die Gutachter stellen bei allen Spitzenleistungen "eine deutliche Abschwächung der wirtschaftlichen Dynamik" fest. Um wieder vorne mitzumischen, müsse die Wirtschaft im Land "etwa doppelt so stark wachsen wie in den vergangenen zehn Jahren".

Wie das erreicht werden könnte, sagen die Fachleute auch: durch Konzentration auf die vier Schwerpunkte nachhaltige Mobilität, Umwelttechnologie, Gesundheit und Informationstechnik. Die Politik kann dabei mehr tun als die Infrastruktur wie Verkehrswege, Forschungseinrichtungen, Energieversorgung, aber auch Breitbandnetze fördern. Sie sollte "den Strukturwandel begleiten". Sie "muss die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz" für Technologien wie Nano- oder Biotechnologie schaffen, sagen die Experten.

Die Berater votieren auch bei Förderung und Programmsteuerung auf "eine klare Fokussierung". Eine gleichberechtigte Verteilung der Ressourcen "führt im Ergebnis zu einer Depriorisierung der wirklich wichtigen Themen". 80 Prozent der Landessubventionen sollten in diese vier Bereiche fließen. Dann müssten manche Fördermaßnahmen eingestellt werden. Das käme allerdings einer Abkehr von der bisherigen Linie der Landesregierung gleich, die gern breit gestreut hat.