Stay-at-home-Challenge der Stuttgarter Clubs Der Chef des Palasts der Republik erlebt eine Corona-Odyssee

An der Stay-at-home-Challenge beteiligt sich Stefan Schneider gern – froh ist er, endlich daheim zu sein. Der Palast-der-Republik-Chef hat eine Odyssee mit vielen Hindernissen aus Ibiza nach Stuttgart erlebt und appelliert: „Bleibt zuhause!“
Stuttgart - Wenn es das Wetter zulässt, hocken in normalen Zeiten Hunderte auf dem Asphalt vor dem Palast der Republik. Doch normal ist momentan nichts mehr. Dies weiß der Wirt Stefan Schneider zu gut, der einen der erfolgreichsten Treffs des Stuttgarter Nachtlebens an der viel befahrenen Friedrichstraße seit dem Jahr 1992 führt. Eine Woche lang hat er auf einen Rückflug aus Ibiza warten müssen, direkt nach Deutschland zurück ging nichts mehr. Über Barcelona, so sagte man ihm, könne er einen Flug nach Hamburg bekommen.
Als der Gastronom dann in der katalonischen Hauptstadt gelandet ist – immerzu trug er Mundschutz –, war der dortige Flughafen wie ausgestorben. Von wegen Weiterflug nach Deutschland! „Ich habe gerade noch einen Ausgang gefunden“, erzählt Schneider. Dort wurde seine Temperatur gemessen „Hätte ich Fieber gehabt, hätte man mich in spanische Quarantäne gebracht.“ Ein Taxi – nur ein einzelner Fahrgast darf damit fahren – brachte ihn in eines der wenigen Hotels, die für Gestrandete noch geöffnet sind. „Keine Sekunde hab’ ich dort geschlafen“, berichtet er, „ich hatte Angst, mich in Barcelona anzustecken.“ Aus dem Wasserhahn kam braune Brühe, ein Frühstück gab es nicht.
„Mir war egal, was es kostet – Hauptsache nach Hause!“
Stefan Schneider telefonierte wie wild, um herauszufinden, wie er nach Hause zurückkehren könne. Nahezu alle Flüge waren gestrichen. Auch aus seinem Plan, dann halt wieder zurück nach Ibiza zu fliegen, wurde nichts. „Ausländer, die nicht das ganze Jahr dort wohnen, werden nicht mehr reingelassen.“ Ein Freund schlug ihm schließlich vor, einen Privatjet zu mieten. Dank dessen Beziehungen ist dies dem Stuttgarter Wirt gelungen. „Mir war egal, was es kostet“, sagt er, „ich wollte nur noch zurück.“ Als er mit dem Privatjet am Freitag in Stuttgart gelandet ist, erfuhr er, dass auch die privaten Flüge nun nicht mehr erlaubt sind.
Aus dem Plan, den Betrieb im Palast der Republik nun hochzufahren, wird nichts. Stefan Schneider will mit der Stadt, der Besitzerin der Lokalität, darüber verhandeln, ob sie mit Mietnachlässen einverstanden ist. „Unsere Außengastrozeit fällt dieses Jahr wohl weitgehend aus“, sagt er, „und im Winter ist unser Geschäft immer ein Zuschussbetrieb.“
1926 als öffentliche Bedürfnisanstalt erbaut
Der Palast der Republik hat in Stuttgart einen guten Klang und darf in der Stay-at-home-Challenge der Bars und Clubs nicht fehlen. Nach der Wiedervereinigung ist unweit des Metropol-Gebäudes der Ort, der mal ein Örtchen war, mit ironischem Gespür nach „Erichs Lampenladen“ benannt worden, wie Honeckers Stolz in Ostberlin beim Volke hieß.
Der Palast von Stuttgart ist das genaue Gegenteil vom Protz der SED-Machtzentrale. Er liefert über fast drei Jahrzehnte den Beweis dafür, dass es für den Erfolg einer gastronomischen Einrichtung nicht viel bedarf, wenn man es nur richtig anpackt.
Die denkmalgeschützte Mini-Bar ist 1926 als öffentliche Bedürfnisanstalt erbaut worden. In den 1930er Jahren hat die Familie Wittwer den kleinen Raum über den weiterhin zugänglichen Kellertoiletten zum Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften gepachtet. Aus dem Kiosk ist ein Buchladen geworden, als Kriegsbomben das eigentliche Geschäft von Wittwer an der Schlossstraße zerstört hatten. Das Unternehmen baute in den 1960ern ein neues Domizil an der Königstraße, das bis heute das Stammhaus ist und kürzlich von Thalia übernommen wurde. Bis in die 1980er blieb der Wittwer-Kiosk über dem öffentlichen Männer- und Frauenklo. Danach wurde daraus der „Musentempel“, wie die Kneipe dort hieß, die mit mäßigem Erfolg einzog.
Das magische Dreieck der Nacht
Aufwärts ging es mit den Neuen vom Palast der Republik. Die kleine, meist überfüllte Bar bildete mit dem Unbekannten Tier im Metropolgebäude (bis 1996 aktiv) und dem Imbiss Zum Zum an der Bolzstraße (das dortige Gebäude wurde 2004 abgerissen) ein magisches Dreieck der Nacht. Legendäres, etwa von der einarmigen Currywurstverkäuferin, wird aus der Historie dieses Straßenzugs noch heute mit Wonne erzählt.
In dunklen Zeiten, als gleichgeschlechtliche Liebe unter Strafe stand, diente die Toilette als „Klappe“ zur Kontaktaufnahme von Schwulen. Auch nach dem Krieg mussten die Männer auf der Hut sein. Immer wieder mischten sich Polizisten in Zivil unter die Suchenden, denen eine Strafanzeige drohte. Die Zeiten haben sich zum Glück geändert. Aber es sind neue, eigenartige Zeiten mit dem Coronavirus gekommen.
Schneider appelliert an alle eindringlich
Normalerweise zeigt sich am Palast der Republik auf faszinierende Weise, wie jung, bunt und quicklebendig Stuttgart ist. Damit dies bald wieder möglich ist, sagt Stefan Schneider, müssten jetzt alle diszipliniert sein. Nach seinen Erlebnissen in Spanien appelliert er eindringlich: „Bleibt jetzt alle mal mindestens zwei Wochen zuhause!“
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