Zwei Ausfälle bei den vorher gebuchten Solisten – und dennoch: Das letzte Meisterkonzert der Saison in der Stuttgarter Liederhalle wird mit dem Pianisten Kit Armstrong und der Dirigentin Mirga Grazinyte-Tyla dann doch ein herausragender Abend.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Besetzungskapriolen, die auch die Konzertdirektion Russ in ihrer langen Geschichte noch nicht erlebt hat: Zuerst musste die Pianistin Yuja Wang die Zusammenarbeit mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra unter deren litauischer Chefdirigentin Mirga Grazinyte-Tyla aus gesundheitlichen Gründen absagen. Folgte eine Solisten- und Programmumstellung unter der Woche: Zu- und dann doch wieder Absage durch die Violinistin Patricia Kopatchinskaja, aus familiären Gründen. Der zweite Einspringer war dann erneut ein Pianist, den sie kennen im Orchester: Kit Armstrong, Schüler von Alfred Brendel (und noch keine dreißig Jahre alt), der dann aber wieder einmal dem Titel des Films alle Ehre machte, der über diese Zusammenarbeit entstanden ist: „Set the Piano Stool on Fire“.

 

Romantik als Rahmen

Wiewohl das Feuerlegen in der Liederhalle sich relativierte in Robert Schumanns a-Moll-Klavierkonzert, denn Armstrong ging zwar mit Verve, aber auch mit kühlem Verstand ans Werk. Die Monothematik des ersten Satzes wurde so gewissermaßen aufgemeißelt, technisch brillant und rhetorisch mutig mitteilsam, nie abgekapselt. Nicht von ungefähr umarmten sich Grazinyte-Tyla und Armstrong nach dem Allegro Vivace, in dem alles Musikromantische allenfalls als Rahmen noch bestand: Gedankenscharf wurde gemeinsam entwickelt, dass Schumann nur noch die epische Form bediente, über die er im Episodischen längst hinaus war. Glänzend!

Völlige Klarheit

Auf höchstem Niveau bereits der Anfang dieses Konzerts mit Maurice Ravels „Le Tombeau de Couperin“, wo Mirga Grazinyte-Tyla mit ihrer ausschwingenden linken Hand Stimmen heran- und herausholte (Klarinette, Oboe), die man in dieser Klarheit wahrlich nicht immer hört. Insgesamt scheint das City of Birmingham Symphony Orchestra unter ihrer Chefdirigentin sowohl an Kompaktheit wie an Klangintelligenz noch gewonnen zu haben. Kleinste Zeichen werden sofort verstanden und umgesetzt – und Grazinyte-Tyla leuchtete sehr klug aus, wo bei Ravel die Oberfläche leuchtet und wo der Untergrund schwarz durchschimmert. Großartig gesungen dann, wuchtig, aber stets en détail befragt, mit überaus samtenen Celli und stupendem Holz wie Blech, dann Johannes Brahms‘ Zweite Sinfonie, die anmutig gegen alle Klischees interpretiert wurde. Frisch wie am ersten Tag, mitteilsam und, im Ernst: empathisch. Eine Sternstunde also im Meisterkonzert, umständehalber. Man mochte nicht die Umstände, wohl aber die Konstellation des Abends gleich wieder herbeirufen!