International agierende Konzerne sind in ihrer Steuergestaltung oft einfallsreich – zum Nachteil auch Baden-Württembergs. Deshalb fordert der Finanzminister Nils Schmid (SPD), das Schlupflöcher für Abgabenflüchtlinge verstopft werden.

Stuttgart - Dem Landeshaushalt entgehen jedes Jahr Hunderte von Millionen Euro durch eine „zwar legale aber hoch aggressive Steuergestaltung multinationaler Konzerne“, stellt der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid (SPD) fest. „Das torpediert die Konsolidierung des Haushalts und muss beendet werden.“ Das Land werde sich auf allen Ebenen dafür stark machen, dass Steuerschlupflöcher geschlossen werden. In steuerlichen Fragen pflege er mit dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) inzwischen fast so etwas wie eine Brieffreundschaft, flachste Schmid. Der Kollege im Bund sei in der Sache auch aufgeschlossen. Das Land habe eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe angestoßen, die seit Anfang des Monats Wege sucht, um „internationale Steuergestaltungsmodelle“ zu bekämpfen.

 

Aus dem Land fließt dort die Expertise der 14 Leute von der Gruppe für Auslandsfälle beim Zentralen Konzernprüfungsamt in Stuttgart ein. Seit zwei Jahren existiert diese Sondereinheit der Betriebsprüfer. Sie kümmert sich um besonders komplexe und große Steuerfälle mit Auslandsbezug. Die eher kleineren Fälle, bei denen grenzüberschreitende Steuerfragen zu klären sind, werden in den 30 Finanzämtern im Land bearbeitet, bei denen Betriebsprüfer angesiedelt sind. Von ihnen kommen oft auch die Hinweise auf von der Zentralstelle zu untersuchende Konzerne. Etwa 280 Firmen überprüft die Sondereinheit pro Jahr, sagte deren Leiter, Stefan Flamm. 2012 haben sie dabei 130 Millionen Euro für das Land hereingeholt. Jeder der Prüfer war damit für neun Millionen gut – dann doch einiges mehr, was er an Gehalt bekommt.

Künstliche Verlagerung von Gewinnen

Die Leute der Sondereinheit sind keine Steuerfahnder, ihre Klientel wendet prinzipiell keine illegalen Methoden an. Sie alle haben eine mehrjährige Praxis als Betriebsprüfer hinter sich und sind auf das internationale Steuerrecht spezialisiert. Ihre Aufgabe besteht darin, in den Konzernabschlüssen international agierender Konzerne nach Posten zu suchen, die aus ihrer Sicht anders zu bewerten sind, sodass der deutsche Fiskus noch ein paar Euro mehr herein bekommt.

Über Einzelheiten ließen sich Schmid und Flamm nicht aus. Der Minister deutete aber an, dass in erster Linie Konzerne mit US-amerikanischem Hintergrund aus rein steuerlichen Gründen Gewinne „künstlich in Länder mit Dumpingsteuersätzen verlagern“. Eine Möglichkeit dazu ist das „Zinsaufblähungsmodell“. Dabei ist etwa ein US-Konzern an mehreren Produktionsgesellschaften im Land beteiligt. Diese Beteiligungen hat das Mutterhaus mit eigenem Kapital finanziert. Doch dann gründet sie in Deutschland eine Holding, die nichts anderes tut, als die – eigenen – Gesellschaften zu kaufen.

Unlautere Wettbewerbsvorteile

Finanziert wird diese Transaktion mit einem Darlehen, das die US-Mutter aufgenommen hat. Die Zinskosten kann sie in den USA abziehen, gleichzeitig aber auch in Deutschland bei der Holding geltend machen. Optimiert wird dieses Modell dadurch, dass das Darlehen regelmäßig von einer konzerninternen Finanzierungsgesellschaft auf den Bahamas gewährt werde. Der Zinsertrag werde in dieser Steueroase dann auch noch minimal besteuert. Allein aus für in Baden-Württemberg bekannten Fällen sorge dieser Trick dafür, dass dem deutschen Fiskus jährlich 200 Millionen Euro entgehen. Weder das deutsche Steuerrecht noch das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den USA würden diesen Weg verbauen.

Ungeachtet dessen „nehmen die Unternehmen die Infrastruktur in Deutschland und auch in Baden-Württemberg in Anspruch“, sagt Schmid. „Diese finanziert aber der deutsche Steuerzahler; das passt nicht zusammen.“ Dort können auch die Auslandsspezialisten nichts mehr ausrichten. Schmid fordert deshalb, den unlauteren internationalen Steuerwettbewerb im ersten Schritt zumindest innerhalb der EU zu beenden. Weiter gelte, die unterschiedlichen nationalen Steuersysteme besser aufeinander abzustimmen.

Das mache das Gebot der Steuergerechtigkeit notwendig. Denn auf diese Weise agierende Konzerne verschafften sich Wettbewerbsvorteile. „Das benachteiligt den baden-württembergischen Mittelständler, der seinen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leistet,“ weiß Schmid.