Eine Menge Geld aus der Asphaltindustrie fließt in Bürgerinitiativen, die für Ortsumgehungen kämpfen. Viele wissen nicht, wer wirklich spendet. Denn sie kommen von einer Tarn-Gesellschaft, die sich für „umweltgerechte Straßenplanung“ einsetzt.

München - Lärm und Gestank machen uns krank! Plant B 30 neu!“ – ein Hilferuf geplagter Bürger am Straßenrand. Wer von Ulm Richtung Bodensee fährt, erblickt das farbige Großbanner kurz hinter Bad Waldsee. Die Bundesstraße ist an dieser Stelle ein Nadelöhr, ihr Ausbau wird seit Jahren gefordert. Auch die Gesellschaft zur Förderung umweltgerechter Straßen- und Verkehrsplanung (GSV) findet es richtig, an dieser Stelle eine Ortsumgehung zu errichten. Großzügig hat der als gemeinnützig eingetragene Verein die Haltevorrichtungen für die Großbanner bezahlt. Darüber freuen sich die „Bürgerinitiative B 30“ und die Ortsvorsteher. Auch einem anderen Aktionsbündnis greift der GSV hilfreich unter die Arme: „Staufreie A 8 – jetzt!“ ist eine Forderung bayerischer Bürgerinitiativen und Kommunalpolitiker unweit von Augsburg. Sechs statt vier Streifen soll die Autobahn haben, das hält auch die GSV für dringend nötig.

 

Selbstlosigkeit ist das Kennzeichen gemeinnütziger Vereine. Doch bei der Gesellschaft zur Förderung umweltgerechter Straßen- und Verkehrsplanung stellt sich die Frage, wie uneigennützig ihre Vertreter agieren. Der Name klingt nach Tempolimit und Sorge um die Natur. Doch hinter dem kleinen Kreis ehemaliger Straßenbauamtsleiter und Bürgermeister steckt die große deutsche Asphaltlobby. Finanziert wird die GSV über einen Förderverein namens „Fördergemeinschaft für umweltgerechte Straßen- und Verkehrsplanung“ (FSV).

Die Sponsoren kommen aus der Asphaltindustrie

Zu dessen Sponsoren zählen unter anderem die Strabag-Tochter Deutsche Asphalt, die Mitteldeutschen Hartsteinwerke, das Asphaltschotterwerk Deutag GmbH, die AWH Asphaltwerke Haßberge oder die Ingolstädter Asphaltmischwerke. Vorsitzender der Gesellschaft ist Diplom-Ingenieur Rolf Crone, der bis April 2003 Abteilungsleiter Straßenbau im hessischen Verkehrsministerium war.

Nach außen tritt die GSV mit Sitz in München als großer, neutraler Wohltäter auf. Zitat von der Internetseite: „Wir wollen mithelfen, die Bürgerinnen und Bürger von den oft unerträglichen Folgen des ständig wachsenden Straßenverkehrs zu entlasten, die Lebensqualität zu verbessern und die Verkehrssicherheit in den Orten zu erhöhen.“ Doch hinter dem Versprechen, die Bürgersorgen mitzutragen, stecken schnöde Geschäftsinteressen: Straßen bauen, wo es nur geht – egal ob Autobahnen, Umgehungsstraßen oder Brücken. Dieser Tarnkappen-Lobbyismus funktioniert schon seit dem Jahr 1980. Und nur selten machen die Lobbyisten ihre Verbindungen auch deutlich.

In den vergangenen Jahren hat die GSV auch über ihre Landesbeauftragten selbst Bürgerinitiativen gegründet und bestehende Gruppierungen professionell beraten. Viele bringen Knowhow aus dem Straßenbau und der Verwaltung mit. In den zurückliegenden Jahrzehnten sind laut Lobby-Control rund 300 Straßenbauprojekte durch die GSV vorangetrieben worden.

Ein Fölrderverein bekommt das Geld und reicht es an die Initiativen weiter

Der Weg der Spenden ist einfach strukturiert. Zunächst fließt das Geld der Asphaltunternehmen an den Förderverein, der es dann an die GSV transferiert. Von dort erst gehen die Gelder an die Initiativen vor Ort. Doch manche Fördervereinsmitglieder sind schon mal überrascht, wie relativ wenig bei den Aktionsbündnissen am Ende ankommt. Ziemlich viele Euro bleiben dabei auf der Strecke.

Darüber machte der frühere Vorsitzende des Fördervereins, Professor Bernhard Steinauer, bis 2011 Lehrstuhlinhaber für Straßenwesen, Erd- und Tunnelbau an der Technischen Hochschule Aachen, voriges Jahr in der Mitgliederversammlung eine Bemerkung. Steinauers Kritik bezog sich auf die hohen Ausgaben für die sogenannten Werkverträge der GSV, mit denen Geschäftsführer Klaus Wild und die derzeit fünf – ehrenamtlichen – Vorstandsmitglieder bezahlt werden.

So hatte die Fördergemeinschaft 2013 rund 115 000 Euro der Asphaltindustrie an den GSV weitergeleitet, wie aus der Haushaltsbilanz hervorgeht. Davon gab der GSV allein 76 154 Euro für „Werkverträge“ aus sowie 8460 Euro für Reisekosten. Die Bürgerinitiativen wurden mit 35 355 Euro bedacht. Nimmt man die Gesamteinnahmen des GSV in diesem Jahr (144 716 Euro), gingen lediglich 25 Prozent an die Bürgerinitiativen, der Rest verblieb quasi im System – ohne nähere Aufschlüsselung. Ein Missverhältnis sei das, trug Steinauer in der Versammlung vor und mahnte laut Protokoll, dass die Gemeinnützigkeit des GSV auf der Kippe stehen könnte. Der Professor stach offenbar in ein Wespennest. Er wurde als Vorsitzender nicht wiedergewählt.

Die Offenlegung der Werksverträge des Vorstands ist nicht passiert

Andere FSV-Mitglieder ließ Steinauers Hinweis nicht ruhen. Doch der mehrmals vorgetragenen Forderung nach Offenlegung der „Werkverträge“ ist der Vorstand bisher nicht nachgekommen. Dies hat den Rechtsanwalt und früheren Notar Rolf Schilpp aus Friedrichshafen auf den Plan gerufen. Schilpp ist selbst Mitglied einer Bürgerinitiative und sieht das Gebaren des GSV äußerst kritisch. Im August schrieb er dem Finanzamt Bonn einen Brief. Bonn ist der Vereinssitz der GSV. Schilpp legte dar, dass nach seiner Meinung die GSV ein „Selbstbedienungsladen“ sei, weil insbesondere an die Vorstandsmitglieder „unangemessene Vergütungen“ geleistet würden. Gemeint sind die „Werkverträge“. Auch die Spenden an die Bürgerinitiativen seien nicht einzeln aufgelistet, daher nicht transparent, monierte er.

Schilpps Fazit: die Bestimmungen der Gemeinnützigkeit seien nicht erfüllt, was für ihn die Frage aufwirft, ob in diesem Fall dann nicht auch Steuern hinterzogen oder verkürzt worden sind. Der GSV-Vorsitzende Crone sagte auf Anfrage, ihm liege ein Bescheid des Finanzamtes über die Gemeinnützigkeit des GSV vor, und nur dies gelte. Dass hinter den „Werkverträgen“ die Vergütung der Vorstandsmitglieder verborgen ist, bestritt Crone nicht. Die Kritik Schilpps sei für ihn „ohne Bedeutung“.