Strecke Wendlingen–Ulm Der Finanzplan für die ICE-Trasse birgt Risiken

Laut einem Projektdossier der Bahn sind von 2018 an noch fast 1,3 Milliarden Euro Bundesanteil für die Strecke nach Ulm offen.
Stuttgart - Neben den Planungs-, Genehmigungs- und Baurisiken könnte auch die schwierige Finanzierung den Zeitplan für die ICE-Neubaustrecke Wendlingen–Ulm gefährden – und damit auch die Inbetriebnahme des Bahnknotens Stuttgart 21. Laut einem Projektdossier der Bahn zur Neubaustrecke Wendlingen–Ulm, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt, rechnen die Fachleute von DB Netze nicht nur mit einer Verschiebung der Fertigstellung der ICE-Trasse um zwei Jahre. Aus dem Papier geht auch hervor, dass der Bund ab 2018 noch fast 1,3 Milliarden Euro zur Finanzierung der Neubaustrecke aufbringen muss. Die Gesamtfinanzierung des Projekts sei trotzdem sichergestellt, sagt eine Sprecherin von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) dazu zwar, aber wie der Bund das schaffen will, lässt sie offen.
Die ICE-Strecke Wendlingen–Ulm kostet den Steuerzahler nach derzeitigem Stand knapp 2,9 Milliarden Euro und sollte eigentlich Ende 2019 in Betrieb gehen. Dieser Termin wurde von der DB als Bauherrin noch bis vor wenigen Wochen versprochen. Auch in der Schlichtung und zur Volksabstimmung über das strittige Bahnprojekt im vorigen November wurde die rechtzeitige Fertigstellung immer zugesichert.
Ohne Trasse kein Bahnknoten
Der Bund soll mit rund 1,8 Milliarden Euro den Löwenanteil der Kosten von 2016 an bezahlen. Das Land Baden-Württemberg übernimmt bis dahin weitere 950 Millionen Euro gemäß der Zusage der früheren CDU-Landesregierung, die so den vorgezogenen Bau der – im Bedarfsplan eigentlich nachrangigen – Strecke erreichte. In den Finanzierungsverträgen von Bund und Land ist eine gleichzeitige Inbetriebnahme von ICE-Trasse und S 21 zwar vorgesehen, ein konkreter Fertigstellungstermin aber keineswegs verbindlich vereinbart. Ohne die ICE-Trasse jedoch kann der neue Bahnknoten Stuttgart mitsamt dem neuen unterirdischen Hauptbahnhof nicht in Betrieb gehen.
„Wir können die Fertigstellung bis 2020 schaffen, bei Stuttgart 21 wie bei der ICE-Strecke Wendlingen–Ulm“, sagte Bahn-Technikvorstand Volker Kefer am Montag bei einer Veranstaltung in Stuttgart – und nannte das Dossier aus seinem Haus „einen Zwischenstand“ in der Diskussion mit dem Bund. Dieser „Zwischenstand“, der von Anfang März datiert, zeigt allerdings, wie fragwürdig eine termingerechte Finanzierung der Neubaustrecke ist. Auf Seite 4 des Dossiers listen die Bahn-Fachleute auf, wie sehr die ICE-Trasse nach Ulm den ohnehin stark unterfinanzierten Verkehrsetat des Bundes in Anspruch nehmen wird (siehe Faksimile). Im Jahr 2016 will der Bund demnach erstmals 102 Millionen Euro für die Strecke zahlen. Im Jahr 2017 vervierfacht sich dieser Anteil schon auf 399 Millionen. Das wäre bereits mehr als ein Drittel des durchschnittlichen Neubauetats des Bundes für alle Bahnprojekte.
Ungleich verteilte Tranchen
Für 2018 und die Folgejahre werden laut Dossier noch weitere 1269 Millionen Euro gebraucht. Das wären bei einer – noch bis März zugesicherten – Fertigstellung Ende 2019 fast 635 Millionen Euro pro Jahr gewesen. Bei einer – inzwischen offiziell eingeräumten – Verspätung von einem Jahr bis Ende 2020 müsste der Bund jährlich immer noch 423 Millionen Euro finanzieren und damit vier Jahre lang einen großen Teil seines Neubauetats allein für die ICE-Strecke im Südwesten aufwenden, mit Geld aus einem Topf, aus dem alle 16 Bundesländer ihren Anteil verlangen. Im ursprünglichen Finanzierungsplan aus dem Jahr 2004 waren die Tranchen des Bundes wesentlich gleichmäßiger verteilt (siehe Tabelle).
Damit ist abzusehen, dass dem Bund entweder für andere wichtige Schienenprojekte das Geld fehlen oder die ICE-Strecke später fertig werden wird, weil der Bund nicht 1,3 Milliarden Euro in wenigen Jahren für ein einziges Projekt aufwenden kann. Im Etat von Verkehrsminister Ramsauer ist pro Jahr kaum mehr als eine Milliarde Euro für Neu- und Ausbau aller bundesweiten Bahnstrecken vorhanden, obwohl bereits jetzt überall Geld fehlt. Das hohe Staatsdefizit, der Spardruck und die gesetzliche Schuldenbremse werden die Situation noch verschärfen.
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