Hinter Lieferanten und Saftherstellern liegt ein außergewöhnliches Apfeljahr. Das betrifft die Menge an Streuobst, aber auch die Preispolitik, die einige Erzeuger enttäuscht hat. Vermutlich wird die Ernte mit dieser Woche so gut wie abgeschlossen sein.

Weinstadt/Waiblingen - Wer den sonnigen Spätherbst für einen Spaziergang durch die Streuobstwiesen genutzt hat, der wird es schon bemerkt haben: Die diejährige Ernte ist fast vorüber. Vereinzelt hängen noch Früchte am Baum, „aber neunzig Prozent der Äpfel sind drin“, sagt Jürgen Petershans, Geschäftsführer der Bittenfelder Fruchtsäfte. Diese Woche werden er und seine Kollegen auf jeden Fall noch Früchte annehmen, dann wird das außergewöhnliches Streuobstjahr beendet.

 

800000 Tonnen Streuobstäpfel in Deutschland

„Ich bin schon seit mehr als 20 Jahren im Geschäft, aber so eine Saison habe ich zum ersten Mal erlebt“, sagt Matthias Maier, Geschäftsführer der Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei. Und zwar gleich wegen mehreren Punkten. „Wir haben dieses Jahr mit der Ernte sehr früh angefangen, bereits im August“, berichtet Maier. Zudem unterschied sich die diesjährige Saison vor allem wegen der unglaublichen Menge an Äpfeln deutlich von anderen Jahren. Bereits im Juli hatte der Verband der deutschen Fruchtsaftindustrie geschätzt, dass in Deutschland dieses Jahr etwa 800 000 Tonnen Streuobstäpfel geerntet werden können – also etwa 60 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Verband rechnete mit der besten Streuobsternte seit sechs Jahren.

Aber nicht nur in Deutschland, in ganz Europa fiel die Ernte außergewöhnlich gut aus. Das allein reicht oft schon, um den Preis für den Doppelzentner zu drücken. Doch dieses Jahr kam noch ein weiterer Umstand hinzu: „Aufgrund des Einfuhrverbots können keine deutschen Äpfel nach Russland verkauft werden. Wir sind aber ein absolutes Exportland“, erläutert Jürgen Petershans. Die Folge: zum Anfang der Saison lag der Preis für hundert Kilo Äpfel bei 3,50 bis vier Euro, gegen Ende bekamen Streuobstlieferanten etwa sechs Euro für den Doppelzentner. „Da waren viele Erzeuger schon enttäuscht und haben ihre Äpfel erst garnicht aufgelesen“, sagt Matthias Maier, der deswegen die Menge auch besser bewältigen konnte, als zunächst angenommen. Auch Jürgen Petershans konnte jeden angelieferten Apfel abnehmen: „Wir haben zehn Tanks von der Fruchtsaftkelterei Bauer übernommen, um unsere Kapazität zu erhöhen.“ Die Firma Paul Bauer Fruchtsaft hat ihren Betrieb in Weinstadt dicht gemacht, „daraufhin haben uns einige aus Großheppach und der Umgebung angerufen, ob sie bei uns abliefern können.“

Saftgutscheine lohnen sich mehr

Von einem Lieferboykott gegenüber den Keltereien, wie es der Naturschutzbund Nabu im August aufgrund der geringen Preise gefordert hatte, halten die beiden großen Saftkeltereien im Rems-Murr-Kreis nichts. „Man muss bei Äpfeln ein mehrjähriges Bewusstsein haben. Im nächsten Jahr kann es wieder ganz anders aussehen“, sagt Matthias Maier. Zudem gibt es sowohl bei der Beutelsbacher Fruchtsaftkelterei wie auch bei den Bittenfelder Kollegen die Möglichkeit, sich Saftgutscheine ausstellen zu lassen: „Dann entspricht der Preis etwa 20 bis 30 Euro für hundert Kilo, und das lohnt sich dann schon. Deswegen machen das auch viele“, sagt Jürgen Petershans. Wie der ganze Saft an den Mann gebracht werden kann, darauf ist Matthias Mauer schon gespannt: „Jeder zweite Liter Apfelsaft, der in Deutschland getrunken wird, kommt aus Baden-Würtemberg. Weil dieses Jahr viele ihre Äpfel unterbringen müssen, wird der Export schwierig“, sagt Maier.

Auch junge Leute bewirtschaften Streuobstwiesen

Trotz dieser Probleme ist Jürgen Petershans der Meinung, dass der Streuobstbau nicht stirbt: „Gejammert wird immer, auch wenn der Preis höher ist“, sagt er. Er könne aber beobachten, dass auch junge Leute Streuobstwiesen bewirtschaften. Und letzlich habe es auch der Verbraucher in der Hand, wieviel Geld den Erzeugern gezahlt werden kann. „Wer nicht den Aldi-Apfelsaft kauft, sondern zum Beispiel Waiblinger Apfelsaft konsumiert, der unterstützt den Streuobstbau.“