„Bunte Wiesen“ in Tübingen

Oliver Betz ist von Beruf Entomologe, also Insektenforscher – er untersucht als Professor an der Universität Tübingen die Evolutionsbiologie wirbelloser Tiere. Aber das war es gar nicht, was ihn zu der Initiative „Bunte Wiesen“ gebracht hat. Vielmehr musste er auf dem Campus immer wieder zusehen, wie die Wiesen bis

 
Oliver Betz in Tübingen Foto: privat
zu acht Mal im Jahr gemäht wurden – ein schrecklicher „ästhetischer Minimalkonsens“, wie Betz fand. Heute helfen ihm immer 15 bis 20 Studierende, 40 Wiesen mit zusammen 14 Hektar Fläche im Tübinger Stadtgebiet zu pflegen. Dort wird selten gemäht. Studierende konnten in Abschlussarbeiten, bei denen intensiv und extensiv genutzte Wiesen verglichen wurden, nachweisen, dass sich die Zahl der Pflanzen- und Tierarten schon im ersten Jahr deutlich erhöht hat. Bei Käfern etwa lag die Zahl der Arten auf den wenig gemähten Wiesen um 50 bis 80 Prozent höher. Oliver Betz ist froh, dass die Stadt Tübingen und das Land – ihnen gehören die Wiesen – offen sind für das Projekt; Tübingen will gar längerfristig ein Gesamtkonzept entwickeln. Noch werden aber nur knapp sechs Prozent der öffentlichen Flächen so zurückhaltend bewirtschaftet: „Andere Kommunen sind da schon deutlich weiter“, sagt Oliver Betz.

Moor-Renaturierung bei Isny

Vor wenigen Tagen erst haben alle Beteiligten mit einer Exkursion ins Moor den Abschluss des aufwendigen Projektes Bodenmöser gefeiert: Vertreter von Nabu, ForstBW, den Kommunen Isny und Argenbühl sowie Daimler, der mit der Spende von knapp einer Million Euro alles erst ermöglicht hat, wanderten durch die fünf renaturierten Moorgebiete. Rund 50 Hektar sind mit großem Aufwand

Tom Kutter in Isny Foto: Faltin
wiedervernässt worden: 620 kleine und 168 größere Torfdämme wurden eingezogen, alte Entwässerungsgräben wurden verschlossen, Waldarbeiter haben 10 000 Festmeter Fichtenholz entfernt. Jetzt soll auf den offenen Flächen wieder Bruchwald wachsen können, mit Erlen und Moorbirken. Verantwortet hat dies alles Tom Kutter, der als Nabu-Experte für Moore schon viele solche Projekte geleitet hat. Auch für Insekten sind die Moore ein wichtiger Rückzugsort. Der pensionierte Lehrer Rudolf Schick war in den vergangenen Jahren zuständig für die Zählung der Schmetterlinge: 700 Arten hat er in den Bodenmöser entdeckt, tatsächlich vermutet er dort bis zu 1500 Arten. Der Schwund der Insekten ist für Schick eine Tatsache: „Wenn wir die Ursachen nicht schnell bekämpfen, übertrifft dies alles, was es bisher an Umweltkatastrophen gab“, sagt er.

Das Umweltbildungszentrum Listhof in Reutlingen

Das Umweltbildungszentrum Listhof bei Reutlingen setzt sich gleich doppelt für die Insekten ein, wie Markus Schwegler vom Leitungsteam erzählt. Die fünf Hauptamtlichen und etwa 15 Ehrenamtlichen des Vereins haben vor drei Jahren das Krabbeltierhaus eingeweiht: Dort können Kinder und Jugendliche zuschauen,

Gibt es auch Erfolge?

Laut dem jüngsten Artenschutz-Report des BfN wuchs bei 1,7 Prozent der Insektenarten die Population, bei weiteren 16 Prozent blieb der Bestand seit 1998 stabil. Erfolge kann der Naturschutz vor allem bei Wirbeltieren verbuchen: Wildkatze, Fischotter, Biber, Fischadler, Schwarzstorch oder Äskulapnatter fühlen sich in Deutschland wieder deutlich wohler. Im Folgenden stellen wir drei Initiativen vor, die gegen das Insektensterben in Baden-Württemberg kämpfen.

Drei Projekte gegen das Artensterben

„Bunte Wiesen“ in Tübingen

Oliver Betz ist von Beruf Entomologe, also Insektenforscher – er untersucht als Professor an der Universität Tübingen die Evolutionsbiologie wirbelloser Tiere. Aber das war es gar nicht, was ihn zu der Initiative „Bunte Wiesen“ gebracht hat. Vielmehr musste er auf dem Campus immer wieder zusehen, wie die Wiesen bis

Oliver Betz in Tübingen Foto: privat
zu acht Mal im Jahr gemäht wurden – ein schrecklicher „ästhetischer Minimalkonsens“, wie Betz fand. Heute helfen ihm immer 15 bis 20 Studierende, 40 Wiesen mit zusammen 14 Hektar Fläche im Tübinger Stadtgebiet zu pflegen. Dort wird selten gemäht. Studierende konnten in Abschlussarbeiten, bei denen intensiv und extensiv genutzte Wiesen verglichen wurden, nachweisen, dass sich die Zahl der Pflanzen- und Tierarten schon im ersten Jahr deutlich erhöht hat. Bei Käfern etwa lag die Zahl der Arten auf den wenig gemähten Wiesen um 50 bis 80 Prozent höher. Oliver Betz ist froh, dass die Stadt Tübingen und das Land – ihnen gehören die Wiesen – offen sind für das Projekt; Tübingen will gar längerfristig ein Gesamtkonzept entwickeln. Noch werden aber nur knapp sechs Prozent der öffentlichen Flächen so zurückhaltend bewirtschaftet: „Andere Kommunen sind da schon deutlich weiter“, sagt Oliver Betz.

Moor-Renaturierung bei Isny

Vor wenigen Tagen erst haben alle Beteiligten mit einer Exkursion ins Moor den Abschluss des aufwendigen Projektes Bodenmöser gefeiert: Vertreter von Nabu, ForstBW, den Kommunen Isny und Argenbühl sowie Daimler, der mit der Spende von knapp einer Million Euro alles erst ermöglicht hat, wanderten durch die fünf renaturierten Moorgebiete. Rund 50 Hektar sind mit großem Aufwand

Tom Kutter in Isny Foto: Faltin
wiedervernässt worden: 620 kleine und 168 größere Torfdämme wurden eingezogen, alte Entwässerungsgräben wurden verschlossen, Waldarbeiter haben 10 000 Festmeter Fichtenholz entfernt. Jetzt soll auf den offenen Flächen wieder Bruchwald wachsen können, mit Erlen und Moorbirken. Verantwortet hat dies alles Tom Kutter, der als Nabu-Experte für Moore schon viele solche Projekte geleitet hat. Auch für Insekten sind die Moore ein wichtiger Rückzugsort. Der pensionierte Lehrer Rudolf Schick war in den vergangenen Jahren zuständig für die Zählung der Schmetterlinge: 700 Arten hat er in den Bodenmöser entdeckt, tatsächlich vermutet er dort bis zu 1500 Arten. Der Schwund der Insekten ist für Schick eine Tatsache: „Wenn wir die Ursachen nicht schnell bekämpfen, übertrifft dies alles, was es bisher an Umweltkatastrophen gab“, sagt er.

Das Umweltbildungszentrum Listhof in Reutlingen

Das Umweltbildungszentrum Listhof bei Reutlingen setzt sich gleich doppelt für die Insekten ein, wie Markus Schwegler vom Leitungsteam erzählt. Die fünf Hauptamtlichen und etwa 15 Ehrenamtlichen des Vereins haben vor drei Jahren das Krabbeltierhaus eingeweiht: Dort können Kinder und Jugendliche zuschauen,

Das Krabbeltier-Haus Foto: privat
wie Raupen sich verpuppen und zu Schmetterlingen werden oder sie können mit Lupen Insekten selbst bestimmen – und dabei auch ein wenig Angst vor so manchem Krabbeltier verlieren. Bis Ende Oktober noch ist das Haus an den Wochenenden am Nachmittag zum freien Rundgang geöffnet. Daneben kümmert sich der Listhof um ein 124 Hektar großes Naturschutzgebiet gleich nebenan. Früher gehörte die Fläche dem französischen Militär, jetzt gehört es allein den vielen seltenen Tieren und Pflanzen. So legen die Naturschützer regelmäßig Tümpel an, um Lebensräume für Libellen und Gelbbauchunken zu schaffen. Markus Schwegler kann die Studie über das Insektensterben aus eigener Erfahrung nur bestätigen, auch er erlebt einen deutlichen Rückgang der Arten in „seinem“ Gebiet. Die Konsequenz für ihn ist eindeutig: „Es reicht eben nicht aus, nur ein paar Inseln als Naturschutzgebiete zu schützen.“

Auch im eigenen Garten kann jeder den Insekten Gutes tun

Jeder einzelne kann etwas für die Insekten tun

Wer einen Garten besitzt, hat eine Fülle von Möglichkeiten, um Refugien für Insekten zu schaffen. Man kann wilde Ecken mit Brennnesseln stehen lassen. Die Pflanzen in den Beeten sollte man im Herbst nicht abräumen, denn dort überwintern viele Insekten. Einheimische Blütenmischungen geben Nahrung. Wer es mit seinem Ordnungssinn vereinbaren kann, sollte einen Teil des Rasens nur ein oder zwei Mal im Jahr mähen – oder den ganzen Rasen immer acht Zentimeter lang lassen. Wer keinen Garten hat, kann ein Insektenhotel auf dem Balkon anbringen.

Noch steht nicht fest, dass vor allem die Insektizide verantwortlich sind für das Insektensterben. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, kann aber Bioprodukte kaufen – denn diese werden ohne jeglichen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln angebaut.

Wer mehr machen möchte, kann zum Beispiel eine Streuobstwiese erwerben, diese höchstens ein bis zwei Mal pro Jahr mähen und das Gras abtransportieren. So können die Pflanzen Blüten und Samen bilden, und die Wiese bleibt mager. Die Arbeit auf dem Stückle spart dem Besitzer zudem das Geld fürs Fitnessstudio.