Die Kampagnen von "Ja zum Ausstieg" und "Pro Stuttgart 21" erhalten in einer Studie der Universität Hohenheim jeweils gute Noten.

Stuttgart - In der Schule würde es gerade noch so für die Versetzung reichen. Mit einer Note von 4,2 ist das Plakat der "IG Bürger für Baden-Württemberg" zumindest bei den noch unentschiedenen Stuttgarter Bürgern trotzdem durchgefallen. Der Spruch "Wut statt Mut? Wir sind doch nicht blöd!" auf rotem Grund samt dem Bild eines Mannes, der sich mit dem Zeigefinger an den Kopf tippt, kam bei ihnen jedenfalls gar nicht gut an. Das ist das Ergebnis einer nicht repräsentativen Studie der Universität Hohenheim. Die hatte 348 Personen zu den Plakaten befragt, mit denen Befürworter wie Gegner des Projekts derzeit für sich werben.

 

So erzielten die bunten Plakate des Bündnisses "Ja zum Ausstieg" gute Werte für Sympathie, Überzeugungskraft und Verständlichkeit. Die eher schlichten Plakate von "Pro Stuttgart 21" bekamen Topnoten in den Kategorien Glaubwürdigkeit und Sachlichkeit. Wenig verwunderlich ist, dass die Menschen vor allem für die Plakate die meisten Punkte vergaben, die ihre eigenen Überzeugungen widerspiegelten. Unterm Strich wurden die beiden Kampagnen aber ähnlich gut bewertet. Auffällig schlecht schnitten nur die Schilder der "IG Bürger" ab. "In keiner einzigen Kategorie ist ein Plakat dieser Kampagne auf den ersten drei Plätzen", sagt Jan Kercher, der Leiter der Studie.

"Botschaft ist genauso unterirdisch wie die Gestaltung"

"In meinen Augen vollkommen zu Recht", betont Carsten Preiss, der Sprecher des Bündnisses "Ja zum Ausstieg". Seine Abneigung kann er nicht verhehlen. "Die Botschaft, die diese Kampagne transportiert, ist genauso unterirdisch wie die Gestaltung. Es ist ein Unding, nicht Argumente auszutauschen, sondern anderen den Vogel zu zeigen."

Auch im Lager der Projekt-Befürworter will man sich lieber von den roten Plakaten mit den provokanten Sprüchen distanziert wissen. "Unser Milieu erreicht man mit konkreten Aussagen" sagt Matthias Wesselmann, der Sprecher von "Pro Stuttgart 21". Dennoch sei die Kampagne unter Umständen "eine ganz praktische Ergänzung. Die ,IG Bürger' sprechen andere Leute an." Wer diese sind, lässt Preiss offen. Aber "jeder, der bei uns sein Kreuzchen macht, ist wichtig", sagt er.

Provokation war nicht das Ziel

Sebastian Heinel nimmt es derweil gelassen. "Im Prinzip ist es doch egal, wie wir bei der Studie abgeschnitten haben", sagt der Sprecher der "IG Bürger". "Wir haben erreicht, was wir erreichen wollten." Ursprünglich sei es keineswegs das Ziel der Gruppe gewesen, zu provozieren. Man wollte nur zum Gespräch anregen und dadurch die Menschen mobilisieren. Doch nehme man es gern in Kauf, nun kritisiert zu werden. "Für das kleine Budget, das uns zur Verfügung steht, haben wir doch ziemlich viel Aufmerksamkeit bekommen." Das sei eben wie mit der neuen Werbung von Benetton, meint Heinel. Der italienische Modekonzern, der für provokante Fotos bekannt ist, wirbt derzeit mit dem Konterfei des Papstes, der einen Imam küsst. Auf anderen Montagen knutschen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy oder Benjamin Netanjahu und Mahmud Abbas. Prompt hagelte es Beschwerden, Benetton zog die Werbung mit Papst Benedikt XVI. zurück. "Was doch zählt, ist, dass darüber gesprochen wird", findet Heinel.

Laut der Hohenheimer Studie ist es jedoch unwahrscheinlich, dass durch die Plakatwerbung das Ergebnis des Volksentscheids beeinflusst wird. "Wenn es um das geplante Abstimmungsverhalten der Befragten geht, dann lösen die Kampagnen zwar Wanderungsbewegungen zwischen beiden Lagern und den Unentschiedenen aus", sagt der Hohenheimer Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider. "Doch unterm Strich gleichen sich diese wieder aus."

Was bleibt, ist die Verwirrung. Denn wer ja meint, meint nein - und umgekehrt. Bestenfalls 80 Prozent der Befragten ordneten Plakate der richtigen Seite zu. "Im schlechtesten Fall hat mehr als ein Drittel der Teilnehmer die Botschaft falsch zugeordnet", sagt Brettschneider.