Baubürgermeister Peter Pätzold erhält im Streit über die Planung des Bahnhofsumfelds nur eingeschränkt Rückendeckung der Stuttgarter Architektenschaft. Die Stadt sieht sich bei der Vorbereitung im Zeitplan.

Stuttgart - Für die Architektenkammer Baden-Württemberg gibt es gleich acht gute Gründe für die Veranstaltung von Wettbewerben: Wer „die beste, nicht nur die erstbeste Lösung“ suche, solle für sich die Konkurrenz unter den Fachleuten nutzen, heißt es in einer Broschüre der Kammer. Wettbewerbe garantierten „eine maximale Vielfalt an möglichen Lösungen“, die von Preisgerichten neutral beurteilt würden. Sie optimierten die Verfahren und verringerten die Baukosten und zögen das Interesse der Öffentlichkeit auf sich. Stuttgarts Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) hört die Botschaft gerne.

 

Der gelernte Architekt liegt bekanntlich im Clinch mit dem Düsseldorfer Kollegen Christoph Ingenhoven. Dieser plante im Auftrag der Deutschen Bahn den Tiefbahnhof. Mit Verweis auf den im Frühjahr 1997 ausgelobten Wettbewerb für S 21 nimmt er für sich zudem in Anspruch, die Schillerstraße und das gegenüber dem Bonatz-Bau auf dem heutigen Gleisvorfeld vorgesehene markante Gebäude nach seinen Vorstellungen gestalten zu dürfen. Pätzold sieht „keinen fälligen und durchsetzbaren Anspruch“, dafür seien die Planungen auch schon viel zu angestaubt. Das habe die Stadt juristisch prüfen lassen. Der Baubürgermeister sagt, Stuttgart sei „die Stadt der Wettbewerbe“ und lädt Ingenhoven ein, sich der Konkurrenz zu stellen.

Architektenschaft will sich nicht festlegen

Die Stuttgarter Kollegen sehen das differenzierter. Carmen Mundorff, Sprecherin der Architektenkammer Baden-Württemberg, teilte auf Anfrage mit, die Stadt sei „vielgestaltig“ und die Kammer daran interessiert, „dass sie zukunftsfähig weiterentwickelt wird“. Mehr möchte der Vorstand derzeit nicht sagen, man führe aber Gespräche mit der Stadt. Auch Susanne Kletzin vom Stuttgarter Kammerbezirk, im Ehrenamt SPD-Stadträtin, sieht gegenwärtig keinen Sinn darin, Stellung zu beziehen. „Berührt sind bei der Diskussion Fragen des Wettbewerbsrechts, die fundiert geprüft werden müssen.“ Man habe noch Gesprächsbedarf. Auch Grundsätzliches zum Thema einer sinnvollen Stadtentwicklung war der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden nicht zu entlocken.

Der BDA zeigt klare Kante

Volle Rückendeckung erfährt Pätzold lediglich durch die Stuttgarter Gruppe des Bundes Deutscher Architekten (BDA). Jens Wittfoht begrüßt grundsätzlich die Ausschreibung von Wettbewerben, da damit „die funktional und gestalterisch besten Lösungsvorschläge“ gefunden würden. Ob Ingenhoven einen Anspruch auf die Planung des Bahnhofsvorplatzes und des A-3-Geländes habe, könne er nicht beurteilen. „Allerdings sollte man sich die Frage stellen, inwieweit ein fast 20 Jahre zurückliegender Entwurf in der Lage ist, adäquate Antworten auf den jetzigen Stand der Dinge zu geben“, so der BDA-Kreisgruppenchef.

In den Auslobungsunterlagen der Bahn wird als Ziel definiert, Vorschläge für den neuen Hauptbahnhof zu erhalten. „Darüber hinaus ist die städtebauliche, gestalterische und funktionale Einbindung“ des Haltepunkts in das städtebauliche Umfeld und den Schlossgarten herzustellen.

Daraus leitet Ingenhoven ab, sowohl die Schillerstraße, die Klett-Passage als auch das A-3-Gelände gestalten zu dürfen. Die Stadt sagt dagegen, dieser Auftrag sei nur informell gewesen; ein Bahnhofsentwurf ohne Anbindung an die Umgebung hätte unvollständig gewirkt. Auf ihren Grundstücken habe sie die Planungshoheit. Man müsse zudem, wie jetzt geschehen, die Bürger einbinden – ein Umstand, der vor fast 20 Jahren kaum eine Rolle gespielt habe. Hinweise des Architekten, sein Auftrag reiche bis zur Willy-Brandt-Straße, werden nicht als Widerspruch gesehen. Dort sei schließlich der Endpunkt des Bahnhofstrogs. Die Stadt hat zudem bereits 2009 widerspruchsfrei fremdgeplant: Werner Sobek präsentierte damals auf Bitten von OB Schuster eine Illustration für eine „Schlossgarten-Philharmonie und ein Haus der Kulturen“. Dort steht planerisch nur eines fest: die Tiefgarage.

„Wichtige Gründe“ ließen Ingenhovens Plan platzen

Dass Ingenhoven laut Paragraf 7 des Regelwerks „Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe auf den Gebieten der Raumplanung, des Städtebaus und des Bauwesens“ (GRW) die weiteren Planungsleistungen zu übertragen seien, sieht die Stadt entspannt. Dies gelte schließlich nur, wenn „kein wichtiger Grund einer Beauftragung entgegen“ stehe. Eine gefühlte Verjährung könnte ein solches Argument sein.

Irritiert hat die Stadt bekanntlich auch auf Äußerungen Ingenhovens reagiert, sie müsse bei der Planung für das Bahnhofsumfeld einen Zahn zulegen. Aber bereits vom 23. Juli 2013 stammt der „Zielbeschluss zur Gesamtsituation Bahnhofsumfeld/Schillerstraße“. Die Stadträte nahmen Kenntnis von den Planungen zur Erweiterung des Cityrings bis zur Wolframstraße. Wer den Bereich zwischen Bahnhof und Königstraße von 50 000 Fahrzeugen täglich befreien, mit attraktiven Querungen versehen und die Radwege ausbauen will, braucht eine Alternative. Diese Untersuchungen dauern an, auf der Wolframstraße sind heute nur 20 000 Autos unterwegs.

Planfeststellungsverfahren für aufwendigen Rückbau

Das Tempo für die Planung des Gleisvorfelds bestimmt die Bahn. Sie bereitet derzeit mit der Stadt das Verfahren zum Rückbau vor. Ob Philharmonie, Linden-Museum oder Kongresszentrum auf dem A-3-Gelände – gebaut werden kann erst, wenn Gleise, Schotter, Leitungen und Gebäude entfernt sind und alle Zauneidechsen eine neue Heimat gefunden haben.

Im Juli 2015, als die Verwaltung vom Gemeinderat finanzielle und personelle Ressourcen für die „planerische Entwicklung des Rosensteinviertels“ einforderte, hieß es, „alle wesentlichen Weichen“ würden in den nächsten acht Jahren gestellt. Damals ging man von einer Fertigstellung 2021 aus und einer Dauer für die Räumung des Geländes von mindestens drei Jahren. In den Auslobungsunterlagen von 1997 sollte der Bahnhof 2008 eingeweiht werden.