In einem Dialogforum wollen Land und Bahn alle Varianten der Fildertrasse für Stuttgart 21 diskutieren - das letzte Wort werden sie aber behalten.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Leinfelden-Echterdingen - Als die Unterhändler von Bahn, Stadt und Land am Freitagnachmittag das Verkehrsministerium betreten haben, war von Wochenendgefühlen nichts zu spüren. Zu ernst war das Thema, zu schwierig die Lage. Die Projektpartner von Stuttgart 21 wollten erörtern, welche Alternativen im Blick auf die noch nicht planfestgestellte Streckenführung auf den Fildern inklusive Flughafenbahnhof möglich seien. Geprüft werden sollte außerdem, ob es im Vorfeld des äußerst komplexen Planfeststellungsverfahrens eine offene Form von Bürgerbeteiligung geben könnte.

 

Am frühen Abend konnten die Beteiligten zumindest einen ersten Schritt auf dem Weg zum Vollzug melden. In einer gemeinsamen Erklärung verkündeten die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler, der Landesverkehrsminister Winfried Hermann und der Technikvorstand der Bahn, Volker Kefer, dass die Projektpartner „die Bürger in einem Dialogforum in die weitere Planung auf den Fildern einbeziehen“ wollten. Bis Ende Juni 2012 sollen „das formelle Bürgerbeteiligungsverfahren erläutert, Ausschlussprozesse relevanter Varianten für den Planfeststellungsabschnitt Filder sowie die Antragstrasse und die dahinter stehenden Planungsprämissen und Bewertungskriterien dargestellt werden“.

Übersetzt heißt das, die Bürger bekommen in eigens für sie ausgerichteten Veranstaltungen Detailinformationen über die bisher geplante Anbindung des Flughafens an das Fernbahnnetz von Stuttgart nach Ulm. Neben der umstrittenen Antragstrasse, die eine Nutzung derselben Gleise von S-Bahn und ICE durch Leinfelden-Echterdingen vorsieht, sollen aber auch „weitere relevante Varianten vertiefter behandelt“ werden. Die Projektpartner stünden diesen Alternativen offen gegenüber. Als Ergebnis des Dialogverfahrens sollten die Teilnehmer, deren Zusammensetzung noch festzulegen sei, Stellungnahmen abgeben, „die einer Empfehlung an die Projektpartner entsprechen“. Das letzte Wort aber behalten sich Bahn, Land, Stadt und Region vor. Sie entscheiden final, mit welcher Variante die Projektpartner in das Anhörungsverfahren der Planfeststellung gehen.

Roland Klenk hat klare Vorstellungen

Mit diesem Filderdialog „wollen wir das formelle Planfeststellungsverfahren unterstützen“, sagte die Staatsrätin Gisela Erler. „Das bietet uns allen die Möglichkeit, uns mit den bisherigen Planungen, den Alternativen, den Planungsprämissen und Bewertungskriterien, aber auch den Vorschlägen aus der Bürgerschaft näher auseinanderzusetzen“, sekundierte der Bahn-Vorstand Volker Kefer. Verkehrsminister Winfried Hermann betonte: „Die nächsten Schritte hängen sehr davon ab, wie engagiert sich die Bevölkerung einbringt.“

Da hat Roland Klenk schon klare Vorstellungen. Als Oberbürgermeister von Leinfelden-Echterdingen vertritt er jene Stadt, die von der Trassenführung auf den Fildern am stärksten betroffen ist. Klenk will eine Strecke, die parallel zur Autobahn verläuft, um die Rohrer Kurve mit dem Flughafenbahnhof zu verbinden – und zwar nördlich der Autobahn, also auf Stuttgarter Gemarkung. Erst auf Höhe des Echterdinger Eis sollten die Gleise die A 8 queren. Damit liegt der CDU-Oberbürgermeister auf einer Linie mit einem Vorschlag der SPD-Landtagsfraktion. Auch die Genossen wollen verhindern, dass die Fernzüge künftig auf denselben Gleisen durch Leinfelden-Echterdingen brausen wie die S-Bahnen. Vor allem aus Kostengründen ist dies in den bisherigen Plänen der Bahn vorgesehen.

Damit aber will sich Roland Klenk nicht abfinden. „Zwar sagt mir mein Realismus, dass ich von einer anderen Trasse nur träumen darf“, meint der OB von L-E, „aber wenn man ein Projekt mit Gesamtkosten von mindestens sieben Milliarden Euro realisiert, muss man sich schon überlegen, ob man nicht noch einmal 200 oder 300 Millionen Euro in die Hand nimmt, um ein Problem zu lösen, das sonst über Jahrzehnte besteht.“

Die Mehrkosten lassen sich nur schwer schätzen

Dieses heikle Thema hatten die Projektpartner bisher ausgeklammert. Zwar verlautet längst auch aus Bahnkreisen, dass die Planer eine eigene Fernbahntrasse bevorzugen und die ICE gerne an der Autobahn entlang fahren lassen würden. Offiziell traute sich aber keiner der Verantwortlichen, dieses zu sagen.

Noch immer hängt der Bahn in Sachen Stuttgart 21 das selbst gewählte Motto vom „bestgeplanten Projekt Deutschlands“ nach – ein Prädikat, das selbst hartleibigste Tiefbahnhoffreunde längst verfluchen. Doch wie hoch die Mehrkosten für die aktuelle Wunschtrasse fast aller Beteiligten tatsächlich wären, lässt sich im Moment nur schwer schätzen. So oder so liefen die Projektpartner Gefahr, die gedeckelte Gesamtsumme von 4,526 Milliarden Euro für das Bahnhofsprojekt – ohne Neubaustrecke nach Ulm – zu sprengen, wenn auf den Fildern nach neuen Plänen gebaut würde. Höhere Ausgaben für Stuttgart 21 aber hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zuletzt an jenem Tag kategorisch ausgeschlossen, da die Polizei die letzten Parkbesetzer aus dem Schlossgarten geräumt hat. Im gleichen Atemzug hat der Regierungschef jedoch im StZ-Interview betont, die Bahn müsse auf den Fildern „eine gute Bürgerbeteiligung machen und auf Vorschläge aus der Bürgergesellschaft eingehen, die gegebenenfalls besser sind als die eigenen“.

Diese Botschaft hat sowohl bei engagierten Filder-Bürgern als auch bei deren Rathauschefs einen neuen Hoffnungsfunken entfacht. Roland Klenk ist ebenso froh, dass „jetzt öffentlich über alle Varianten beraten wird“, wie seine Kollegin aus Filderstadt, Gabriele Dönig-Poppensieker. Sie mahnt, dass die Bürgerschaft auf den Fildern in Sachen S 21 ebenso tief gepalten sei wie in der Landeshauptstadt, „deswegen ist es umso wichtiger, dass die Anregungen der Menschen ernst genommen werden“.