Die Bahn hat ihren Zeitplan für Stuttgart 21 erneut korrigiert. Trotz der Verschiebung einzelner Baumaßnahmen soll die Inbetriebnahme des neu geordneten Bahnknotens im Jahr 2020 erfolgen.

Stuttgart - Demnächst soll die Grafik mit den grünen und grauen Balken auch auf der Internetseite des Kommunikationsbüros für Stuttgart 21 veröffentlicht werden, momentan ist der Zeitplan aber sozusagen noch unter Verschluss. Erneut hat die Bahn darin einzelne Bauleistungen im Gesamtablauf verschieben und den ursprünglich geplanten Ablauf beim Bau des Tiefbahnhofs und der diversen Tunnelröhren ändern müssen. Der Endtermin, also die Inbetriebnahme der neuen Station im Talkessel zum Fahrplanwechsel Ende des Jahres 2020, bleibe aber unberührt, sagt der Projektsprecher Wolfgang Dietrich auf Anfrage. „Wir werden den Terminplan einhalten.“

 

Erneut verschoben werden musste im aktualisierten Zeitplan unter anderem der Startschuss für das Grundwassermanagement, das nun statt im Januar 2013 erst im Februar in Betrieb gehen soll. Allerdings fehlt auch dafür nach der erfolgreichen Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim nach wie vor die Genehmigung durch das Eisenbahn-Bundesamt. Um grünes Licht zu bekommen, muss die Bahn zuerst artenschutzrechtliche Auflagen erfüllen und dies in einem ergänzenden Verfahren nachweisen. Um mehrere Monate verschoben worden ist zudem die für den Bau der Logistikstraßen notwendige Deckelung der Jägerstraße. Ursprünglich für März dieses Jahres vorgesehen, soll mit diesen Arbeiten nun erst im November begonnen werden.

Reichle: Umsetzung wird um „einiges sportlicher“

Betroffen von den Änderungen im Zeitplan sind aber vor allem auch die großen Baumaßnahmen der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB), die für Stuttgart 21 vorgenommen werden müssen. So muss der Stadtbahntunnel zwischen Hauptbahnhof und Türlenstraße auf einer Länge von 650 Metern eine Etage tiefer gelegt und Richtung Kriegsberg gerückt werden, um Platz für den neuen Fernbahntunnel zu schaffen. Im April 2011 ist nach langen Verhandlungen die Kreuzungsvereinbarung mit der Bahn abgeschlossen worden, im April dieses Jahres hätten die Arbeiten ursprünglich beginnen sollen. Dies hatte sich einige Monate verzögert, nachdem die Vergabekammer das Ausschreibungsverfahren gestoppt hatte und die Frist verlängert werden musste, um weiteren Bietern die Möglichkeit zu geben, Unterlagen einzureichen. Nun verschiebt sich der Beginn dieser Arbeiten erneut auf Anfang November. „Das ist momentan der Stand der Dinge“, sagt der SSB-Projektleiter Winfried Reichle. Durch die Verzögerung werde die Umsetzung „einiges sportlicher“, es hänge dabei alles an der Synchronisation mit den Baumaßnahmen der Bahn, so Reichle. „Mit der Fertigstellung bis Mitte 2015 wird es aber nichts mehr.“

Mit der zweiten großen Maßnahme im öffentlichen Nahverkehr der Stadt, der Versetzung der Haltestelle Staatsgalerie und einer neuen unterirdischen Linienführung am Cityring, kann in diesem Jahr zudem gar nicht mehr begonnen werden. Derzeit wird wieder einmal zwischen Bahn und SSB über Möglichkeiten der Kosteneinsparung verhandelt. Dazu soll unter anderem der ursprüngliche Tunnelverlauf in Richtung Hauptbahnhof noch einmal umgeplant werden. Ein realistischer Baubeginn könne derzeit daher nicht benannt werden, so Reichle.

Auch bei der SSB wird der Zeitrahmen enger

Nach Angaben der Bahn wirken sich die erneuten Verzögerungen und Umplanungen aber nicht auf das Gesamtprojekt aus. Es dürfe aber nicht mehr viel passieren, betont Projektsprecher Dietrich: „Die Bahn kämpft jeden Tag darum, den Zeitplan einzuhalten.“ Anfang nächsten Jahres werde es in Stuttgart richtig mit den großen Baumaßnahmen losgehen, wodurch die „Zustimmung für das Projekt weiter zunehmen“ werde, so Dietrichs Prognose. „Die jüngste Umfrage hat ja bereits gezeigt, dass die Ablehnung in der Bevölkerung deutlich gesunken ist.“

Klagen und Verfassungsbeschwerde

Der Münchner Physiker Christoph Engelhardt von der Wissenschaftlerinitiative Wikireal hat bei der 142. Montagsdemo gesprochen. Engelhardt wirft der Bahn vor, dass der Tiefbahnhof lediglich für 32 Züge in der Spitzenstunde ausgelegt sei. Die hohen Leistungsaussagen zu Stuttgart 21 von 60, 70 oder noch mehr Zügen basierten auf methodischen Fehlern der Gutachter oder seien gänzlich haltlos, so Engelhardt. Das prognostizierte Wachstum von bis zu 80 Prozent setze voraus, dass nachts mehr Züge fahre müssten als mittags. Die Genehmigungsbehörden und Parlamente seien getäuscht worden, so Engelhardt. Er fordere Verkehrsminister Winfried Hermann auf, die Kündigung des Finanzierungsvertrags zu prüfen. Laut Parkschützer haben 2500 S-21-Gegner an der jüngsten Montagsdemo teilgenommen, die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer auf rund 1800.

Das Aktionsbündnis gegen S 21 unterstützt eine Verfassungsbeschwerde eines Eigentümers vor dem Bundesverfassungsgericht. Anlass ist der Abriss eines Wohnhauses in der Sängerstraße. „Die Enteignung ist aufgrund der mangelnden Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 und wegen der verfassungswidrigen Finanzierung nicht zu rechtfertigen“, sagt Eisenhart von Loeper, Anwalt und Bündnissprecher.

Die Stuttgarter Netz AG hat vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart Klage gegen den Rückbau der oberirdischen Gleisanlagen am Hauptbahnhof eingereicht. So soll das Eisenbahn-Bundesamt verpflichtet werden, sofort ein Planfeststellungsverfahren zur Stilllegung durchzuführen und nicht erst 2023, wenn der Rückbau der Gleise fertig ist. Laut Immobilienvertrag will die Bahn das Gelände dann geräumt an die Stadt übergeben.