Das Inferno liegt 80 Jahre zurück: Am 2. März 1944 haben die Alliierten 31 000 Bomben über Stuttgart abgeworfen. Fast komplett wurde das Neuen Schloss zerstört. „Die Erinnerung daran sollte uns eine Mahnung sein“, erklärt Finanzminister Danyal Bayaz.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Es war die Nacht, als in Stuttgart die Sirenen heulten, Bomben fast ohne Ende vom Himmel fielen, die Erde bebte, in den Bunkern große Angst herrschte und die Stadt brannte. Die verheerenden Luftangriffe vom 2. März 1944 zielten unter anderem auf das Neue Schloss, auf die einstige Pracht der württembergischen Herzöge und Könige. Werner Flieschhauer, ein damaliger Mitarbeiter des Schlossmuseums, schrieb seine Erinnerungen an das Inferno später so auf: „Gegen 4 Uhr brach die Kuppel mit der Krone unter gewaltigen Getöse in sich zusammen und durchschlug die Decke des großen Marmorsaals darunter. Eine riesige Feuergarbe fuhr in den Nachthimmel empor.“

 

Im Zweiten Weltkrieg kamen in Stuttgart 4562 Menschen ums Leben

Im Innenhof und im Außenbereich des Neuen Schloss, so ergaben Untersuchungen später, waren sechs Sprengbomben eingeschlagen, die dafür sorgten, dass alle Türen und Fenster der einstigen Residenz herausgerissen wurden. Der starke Wind hat den Brand weiter angefacht. Nachdem stundenlang die Flammen in den Innenräumen loderten, brach die hölzerne Dachkonstruktion des Marmorsaals ein.

Mutige Museumsmitarbeiter und Bürger hatten die wertvollen Kunstobjekte des Museums gerade noch rechtzeitig auf 16 Lastwagen verteilt und gesichert. Doch die Zerstörung ihrer Stadt konnten sie nicht aufhalten. Im Zweiten Weltkrieg gab es insgesamt 53 Luftangriffe auf Stuttgart. Dabei wurden 4562 Menschen getötet und 40  000 Gebäude zerstört.

Zum 80. Jahrestag des verheerenden Angriffs auf das Neue Schloss ruft Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) dazu auf, die Geschichte dieses zentralen Gebäudes von Stuttgart als „Mahnung“ zu verstehen. Das zerstörte Schloss stehe sinnbildlich dafür,wohin Faschismus führe, nämlich zu„unendlichem Leid“, erklärt der Minister, der im Land für Schlösser verantwortlich ist. Hitler und die Nationalsozialisten hätten den Krieg begonnen, so Bayaz, die Bomben der Alliierten seien eine Reaktion darauf gewesen, um den Nationalsozialismus zu besiegen. Der Faschismus habe bereits die erste Demokratie von Deutschland zerstört, die Weimarer Republik, woran der Grüne erinnert.

„Wir müssen die Demokratie verteidigen“

Jetzt gehe es darum, das seit 1945 geltende Privileg der Deutschen, in einer liberalen und insgesamt stabilen Demokratie zu leben, nicht zu gefährden. „Und deshalb lohnt es sich, für Demokratie einzustehen, uns für diese Demokratie zu engagieren und sie auch zu verteidigen“, betont Danyal Bayaz.

Der Wiederaufbau des Neuen Schlosses war zunächst umstritten – fast wäre die Ruine, die über zehn Jahre unverändert stehen blieb, sogar abgerissen worden. Im Land entbrannte ein Streit, was mit der einstigen Pracht der Herrschenden geschehen sollte. Abriss oder Wiederaufbau? Viele plädierten für etwas ganz Neues. Es gab Pläne, an diesem Ort ein Mineralbad, ein Kurhotel oder ein Kaufhaus neu zu bauen – oder den Landtag.

Die beiden Stuttgarter Tageszeitungen sammelten Spenden für die Schlossrettung. Die Entscheidung fiel erst im April 1955. Mit nur einer Stimme Mehrheit lehnte der Landtag einen Plenarsaal im Schloss ab, das man aber mit Repräsentationsräumen für die Landesregierung rekonstruieren wollte. Stattdessen sollte das Parlament im Akademiegarten einen Neubau erhalten.

Auf die Krone wurde verzichtet

Beim Wiederaufbau des Neuen Schlosses hat das Land darauf verzichtet, die große Krone, die sich auf der Kuppel befunden hatte, am alten Ort zu rekonstruieren. Die Krone der Herzöge und König wich der baden-württembergischen Landesfahne, die auf der hohen Warte weht.

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