Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - So schnell geben wir nicht auf. Die Soko Grautöne ermittelt weiter. Und zwar auf Hochtouren. Noch einmal soll es darum gehen, wie und wann die Farben aus der Stadt verschwundenen sind. Viele sachdienliche Hinweise und Beobachtungen sind eingegangen. Fast wie bei „Aktenzeichen XY ungelöst“ war das in den letzten Tagen. Unsere Ermittlungsakte wird immer dicker. Deutlich wird, dass es sich beim Farbschwund um kein singuläres Ereignis handelt, von dem nur wenige graue Häuser betroffen sind. Nein, die Sache hat ähnlich wie der Enkeltrick offenbar System. Die Farbe wird ganz gezielt verdrängt. Die Suche nach den Hintermännern geht also weiter.

 

Farbe ist was für andere

So hat eine Leserin darauf hingewiesen, dass selbst in den angrenzenden kleinen Gemeinden, also den Orten mit durchaus dörflichen Strukturen, die Menschen seit einiger Zeit ihre Garagen grau anstreichen und ihnen schwarze Rolltore verpassen. Beobachtungen wie diese verdeutlichen nur, wie dieses Virus der Farbenauslöschung sich auch dort ausbreitet, wo man glaubt, eigentlich resistent zu sein. Darauf, dass es in diesem Zusammenhang aber auch so etwas wie ein Not-in-my-Backyard-Phänomen gibt, verweist ein weiterer Hinweisgeber. Denn was als farbenfrohes Fachwerk im Elsass ein Ausflugsziel für viele ist, hat in der Stadt selbst offenbar keine Chance, als Postkartenmotiv erhalten zu werden.

Störung der Monotonie

Eine ganz wichtige Spur führt jedoch in die Vergangenheit. Genauer, zurück ins Jahr 1976. Damals war die Farbe noch sehr erwünscht, wie ein Plakat belegt, das wir als Beweis hiermit vorlegen. Damals hat es in einem Fassadenwettbewerb noch geheißen, „Stuttgart zeigt Farbe“. Aus heutiger Sicht sind das durchaus mutige Worte. Ging doch. Auf Farbgebung, handwerkliche Ausführung und – man achte auf das Garagentor links unten auf dem Plakat – auch auf originelle Motive. Eine Torbemalung, die eine Straße zeigt, die bis zum zum Horizont reicht, und das noch in bunt, wäre heute wahrscheinlich undenkbar. Zumindest müsste sich der Besitzer von seinen Nachbarn in den grauen Häusern viele irritierte Frage anhören. Tenor: Stört das nicht irgendwie die Monotonie des Wohnumfeldes?

Wo soll das enden?

Beim Fassadenwettbewerb zogen übrigens das Hochbauamt Stuttgart, die Architektenkammer Baden-Württemberg und die Maler- und Lackiererinnung Stuttgart an einem Strang. Bemerkenswert dabei auch, dass damals ebenfalls ein preiswürdiges Kriterium war, ob durch Blumenschmuck die Stadt grüner wurde. Stadtökologie ist also keine so ganz frische Idee. Wenn man bedenkt, dass es heute Gebäude gibt, bei denen die Hausordnung Blumenschmuck ausdrücklich verbietet, fragt sich die Soko Farbsuche schon: Wo soll das alles enden? Und ist eine Farb- und Naturphobie vielleicht doch therapierbar? Wir bleiben dran.