Die Abtreibungsklinik Stapf muss Ende des Jahres ihre Räume verlassen. Ohne Hilfe der Stadt Stuttgart soll der weitere Betrieb nicht mehr möglich sein. Doch zwei andere Praxen haben jetzt erklärt, dass sie die fehlende Kapazitäten ausgleichen könnten.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Abtreibungsklinik Stapf wird nur weiter bestehen können, wenn die Landeshauptstadt diese wie bisher unterstützt. „Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht“, sagte Friedrich Stapf. Zuvor hatte der Klinikeigner mit einem potenziellen Vermieter neuer Räume verhandelt. „Diese Kosten sind nicht darstellbar“, sagte der Gynäkologe. Unterdessen stellt sich die Frage, ob mit dem Aus der Abtreibungsklinik in der Region tatsächlich eine Versorgungslücke entsteht. Zwei andere Praxisbetreiber haben erklärt, dass sie die wegfallenden Kapazitäten anbieten könnten.

 

Er müsse sich mehr um seine Stuttgarter Klinik kümmern, hat Friedrich Stapf festgestellt. Am Donnerstag war der Arzt, der auch eine Abtreibungsklinik in München betreibt, in der Jugendstilvilla an der Türlenstraße anzutreffen, wo nach eigenen Angaben jedes Jahr rund 2200 Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Dass der bundesweit bekannte Mediziner 2004 im Stuttgarter Norden eine Bleibe gefunden hat, nachdem er seine Praxisräume in der alten Frauenklinik im Osten verlassen musste, hat die Stadt ermöglicht. Sie baute das Haus um und vermietete es Stapf zu einem annehmbaren Preis. Nun benötigt das Klinikum das Gebäude selbst, weil dort eine innerstädtische Dependance der Psychiatrie einziehen soll. Und Friedrich Stapf kann nicht verlangen, dass ihm die Verwaltung Ersatzräume beschafft, weil er versäumt hat, den Vertrag zu verlängern. Nach einem Aufschub von einem halben Jahr muss die Klinik Ende des Jahres raus.

Wie berichtet, hat Krankenbürgermeister Werner Wölfe (Grüne) Stapf Unterstützung bei der Suche nach neuen Räumen zugesagt, ob damit auch Hilfe in der bisherigen Form gemeint war, ist aber offen.

Friedrich Stapf glaubt nicht mehr, dass er auf dem freien Markt ein passendes und auch bezahlbares Ersatzobjekt findet. Einige jüngst eingegangene Angebote hätten eine „Hinterhofatmosphäre“, sagte der Abtreibungsarzt. Und Räume im Nordbahnhofviertel mit Umbaukosten von bis zu 280 000 Euro plus etwa 100 000 Euro für die Einrichtung seien für die Klinik-GmbH, die Stapfs Frau gehört, nicht erschwinglich.

Andere wollen Operationen übernehmen

Finden die Stadt und der Abtreibungsarzt nicht zusammen, fürchten die Beratungsstelle Pro Familia und Sozialministerin Kathrin Altpeter (SPD), werde in der Region eine „gravierende Versorgungslücke“ entstehen und die betroffenen Frauen in eine „sehr schwierige Situation“ geraten.

Aber wäre das so? Der Eigentümer einer mittelgroßen Praxisklinik in der Stuttgarter City, der namentlich nicht genannt werden will, hat der Sozialministerin und der Beratungsstelle eine E-Mail geschickt mit der Frage, warum sie „in dieser dramatischen Diskussion nicht an uns gedacht haben“. Der Klinikchef sagt: „Wir könnten die Zahl der Eingriffe auf Anhieb und ohne Wartezeiten verdoppeln.“ Unter den unterschiedlichen Operationen, die in der Praxisklinik vorgenommen werden, sind im Jahr auch rund 400 Abtreibungen, es sind aber auch schon mal 800 gewesen. Der Mediziner ist überzeugt, dass ein Aus der Klinik Stapf für die Stadt tragbar wäre.

Ähnlich sieht es Johannes Gottenbos, der in Ludwigsburg eine Abtreibungspraxis betreibt, die ähnlich groß ist wie die in Stuttgart. „Wir könnten die Lücke füllen“, sagt der Gynäkologe. Im Jahr werden dort etwa 1500 Abbrüche vorgenommen. „Wir könnten unsere Zahlen ohne Probleme verdoppeln“, erklärt Gottenbos. Er hat sein OP-Programm ohnehin von fünf auf drei Tage reduziert.

Noch in den 90er Jahren verzeichnete der Gynäkologe, der seine Praxis ohne öffentliche Hilfe führt, 3000 Abtreibungen im Jahr. Damals suchten viele Frauen, die vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien geflohen und nun schwanger geworden waren, seine und andere Praxen auf. Und seit geraumer Zeit sinkt die Zahl der Abtreibungen pro Jahr um fünf Prozent, weil die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter abnimmt. Die Frage sei jedenfalls nicht, findet Gottenbos, ob die Kapazitäten für Abbrüche in der Region auch ohne die Klinik Stapf ausreichten, sondern ob diese in Stuttgart vorhanden sein müssten. Der Mediziner merkt an: „Nach Ludwigsburg sind es nur fünf S-Bahn-Stationen.“

Am Freitag befasst sich der Krankenhausausschuss mit dem Thema.