Die Stadt muss sparen – von 2017 an sind es 29 Millionen Euro pro Jahr. Die Ämter und Eigenbetriebe fangen jetzt an, Vorschläge zu erarbeiten. Im Oktober fällt die Entscheidung. Betroffen sind vor allem freiwillige Leistungen, etwa Zuschüsse für Kultur und Sport.

Stuttgart - Im Stuttgarter Rathaus wird der Rotstift angesetzt. Ein Bestandteil des Ende 2015 von der schwarz-grünen Mehrheit verabschiedeten Haushalts 2016/2017 ist das vom Regierungspräsidium empfohlene Sparkonzept für die Verwaltung. Die jährliche Minderausgabe beläuft sich auf 29 Millionen Euro und gilt von 2017 an. Zahlreiche beschlossene Maßnahmen müssen zurückgenommen oder reduziert werden. Das lässt einen Verteilungskampf im Gemeinderat erwarten.

 

Ämter erstellen nun „Giftlisten“

In den Etatberatungen hatten sich wegen der geringen Gewerbesteuereinnahmen, der negativen Entwicklung bei der Einkommensteuer und den steigenden Ausgaben bei sozialen Leistungen eine erhebliche Unterdeckung in den laufenden Haushalten herauskristallisiert. Weil die Aufwendungen für 2017 und die folgenden Jahre nach Einschätzung von Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) die Einnahmen übersteigen und eine Kürzung der Umfänge nicht gewollt war, ließ er sich eine einprozentige Kürzung des Gesamtaufwands von 2,95 Milliarden Euro von 2017 an genehmigen. In den Ämtern werden jetzt „Giftlisten“ erstellt, die im Herbst verabschiedet werden.

Schwarz-Grün hielt Einsparungen von 29 Millionen Euro für vertretbar, obwohl bekannt ist, wie streng der Kämmerer in den Gesprächen mit seinen Kollegen und Amtsleitern darauf achtet, dass deren Budgets knapp bemessen bleiben. CDU-Fraktionschef Alexander Kotz meinte sogar, so viele „alte Zöpfe“ abschneiden zu können, dass es noch für eine Grundsteuersenkung reichte. Und die Grünen genehmigten sich die Unterstützung einer Konferenzreihe für die Gemeinwohlökonomie, verbessern den Bienenschutz und fördern ein Kleinzellen-Netzprogramm zum Schutz vor schädlichen Mobilfunkstrahlen.

Die letzte Konsolidierung liegt noch nicht lange zurück

In der Verwaltung wird dagegen das Bild von der Zitrone benutzt, aus der längst der letzte Saft gepresst ist. Die letzte Kürzungsaktion war mit einer Haushaltssperre 2009 beschlossen worden, damals umfasste das Haushaltssicherungskonzept für die Jahre 2010 und 2011 je 75 Millionen Euro. Das wirkt vor allem beim Personal nach. Zuletzt hat Föll sogar neue Stellen versagt, obwohl ein zusätzlicher Arbeitsaufwand nachgewiesen wurde, der sich allein durch die steigende Bevölkerungszahl erklärt.

Noch ist unklar, welches Referat welchen Anteil erbringen muss. Sicher ist, dass der Kämmerer nicht mit der Rasenmähermethode arbeiten kann. Weil sich das Streichkonzert auf nur rund ein Drittel des Ergebnishaushalts beschränkt, werden aus der einprozentigen Kürzung in einigen Bereichen bis zu zehn Prozent. Um manche Bereiche muss Föll einen Bogen machen, weil die Aufgaben wie Sozialhilfeleistungen gesetzlich vorgeschrieben sind. „Aber selbst bei Pflichtaufgaben kann man über Standards diskutieren“, gibt Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) zu bedenken. Als unwahrscheinlich wird angesehen, dass sich die Stadt erneut mit den freien Trägern anlegt, indem sie die Vereinbarung zur Erhöhung der Zuschüsse für Kitas zurücknimmt.

Bleiben also in erster Linie die Leistungen und Aufgaben, die die Stadt freiwillig erbringt, die damit aber längst nicht entbehrlich sind; diese könnten „so relevant für das Funktionieren unserer sozialen Netze sein, dass sie unverzichtbar sind“, so Fezer. Dazu zählt etwa die Flüchtlingshilfe.

Im Dezember fühlte sich Bürgermeisterin Eisenmann als Siegerin

Föll erteilt den Ämtern Quotenvorgaben und legt Ausnahmen fest. Einbezogen würden Zuschüsse sowie Sach- und Personalaufwendungen. Die Einsparsumme entspräche rund 500 Stellen pro Jahr; das sind fast so viele, wie im Etat neu bewilligt wurden. Mancher Amtsleiter wäre aber um eine zusätzliche halbe Stelle froh. Besonders Susanne Eisenmann (CDU), Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Sport wird sich wappnen müssen. Sie sah sich bei den Etatberatungen als Siegerin, weil Schwarz-Grün die Unterstützung kultureller Einrichtungen erheblich ausweitete. Um rund 700 000 Euro wurden die Zuschüsse für personalintensive Kultureinrichtungen erhöht. Für Einrichtungen wie das Theater in der Badewanne tragen wenige Tausend Euro mehr zur Existenzsicherung bei.

Die Häuser wären gut beraten, die Mittel für 2017 nicht voll zu verplanen, denn das Kulturreferat müsste im Falle einer Sparvorgabe von fünf Prozent auf 3,7 Millionen Euro verzichten – das wäre der Betrag, den der Gemeinderat bewilligt hatte. Auch auf den Sport kommen Kürzungen zu – eine Million Euro bei der Fünf-Prozent-Annahme. Dabei hatten die Stadträte im Landtagswahlkampf noch betont, ihre Parteien hätten sich für Breitensportveranstaltungen wie „kitafit“, „fit ab 50“ oder „Sport im Park“ eingesetzt und die Baukostenzuschüsse für Vereine erhöht.

Eine heftige Debatte wird schon deshalb erwartet, weil hart umkämpfte zusätzliche Mittel für die Sanierung von Straßen, Stäffele und Brunnen sowie die Pflege von Wegen auf Friedhöfen und Parks zur Disposition stehen. Ordnungsbürgermeister Martin Schairer ist gespannt, ob der Gemeinderat gewillt sei, an der Sicherheit zu sparen und am Personal für die Überwachung von fließendem und ruhenden Verkehr. Keiner will freiwillig verzichten – auch nicht OB Fritz Kuhn (Grüne)? Seine Wunschprojekte wie E-Mobilität und öffentlicher Nahverkehr, Verkehrsüberwachung sowie das Tanzfestival Colours oder die „Stadt am Fluss“ stehen ebenfalls zur Debatte.