Die Ausstellung „The Mystery of Banksy – A Genius Mind“ ist noch bis 30. Juli in den Stuttgarter Königsbau-Passagen zu sehen, für 18 Euro Eintritt. Ein Widerspruch? Denn Streetart gehört doch auf die Straße, wo sie für jede:n zugänglich ist? Wir haben uns mit Stuttgarter Künstler:innen ausgetauscht.

Die meisten Streetart-Künstler:innen machen Kunst auf der Straße, damit diese von möglichst vielen unterschiedlichen Menschen gesehen wird, um für alle sichtbar Gesellschafts- und Kunstmarktkritik zu üben und Werke zu produzieren, die für jede:n zugänglich ist, statt hinter den Gemäuern eines Museums oder einer Galerie zu stehen. Natürlich gilt das nicht für alle.

 

Streetart: Viel Straße, null Mainstream

Trotzdem oder gerade deshalb ist diese Art der Kunst keine, die man unbedingt mit einer kuratierten Ausstellung im Museum in Zusammenhang bringt. Streetart ist rough, urban, schnell und meistens auch „auf die Fresse“ – viel Straße, null Mainstream. Die Stadt als Leinwand ist die Essenz dieser Kunstgattung.

Nun wird Banksy – der wohl bekannteste Streetartist der Welt – in einer Ausstellung in Stuttgart ausgestellt. Niemand kennt sein Gesicht, seine Kunst kennt so gut wie jede:r. Nicht zuletzt, weil er mit dem Kunstwerk von „Girl with Balloon“ (später „Love is in the Bin“), das während einer Auktion geschreddert wurde, für Furore sorgte.

Man weiß vom Artist selbst, dass er den Kapitalismus verachtet. In seinen Werken wird immer wieder die Ablehnung des Kunstbetriebs und seine Aversion gegenüber der Kommerzialisierung derselben thematisiert. Sein größter Coup: Kurz nachdem der Hammer fällt, schreddert sich der 1,04-Millionen-Kunstkauf „Girl with Balloon“. Und es kommt, wie’s kommen muss: Wenige Jahre später geht das halb zerstörte Bild für 16 Millionen Pfund über die Theke – eine Farce, die die Absurdität des Kunstmarkts vor Augen führt. Banksys Mittelfinger in Richtung Kunstbetrieb könnte nicht ausgestreckter sein.

Mit ein Grund, warum sämtliche Ausstellungen um ihn und seine Werke stets ohne sein Okay und Zutun stattfinden und stattgefunden haben. Auf seiner Homepage schreibt der UK-Künstler: „I wrote ‘Copyright is for Losers’ in my (copyrighted) Book and still encourage anybody to take and amend my Art for their own personal Amusement, but not for Profit or making it look like I’ve endorsed something when I haven’t. Thanks.“ (übersetzt: „Ich habe in meinem (urheberrechtlich geschützten) Buch geschrieben ,Copyright ist für Verlierer‘ und ermutige trotzdem jeden, meine Kunst zu seinem persönlichen Vergnügen zu nehmen und zu ändern, aber nicht aus Profitgründen oder um es so aussehen zu lassen, als hätte ich etwas unterstützt, obwohl ich es nicht getan habe. Danke.“) Auch die in Stuttgart gastierende Ausstellung ist eine „unauthorized Exhibition“ mit Reproduktionen seiner Werke. Aber wo kein identifizierbarer Urheber, dort kein Urheberrecht.

Die Macher von „The Mystery of Banksy – A Genius Mind“ wollen es besser machen

Klar, dass vor diesem Hintergrund erst mal viel Kritik an der Wanderausstellung „The Mystery of Banksy – A Genius Mind“, die nun auch in Stuttgart in den Königsbau-Passagen zu sehen ist, laut wurde. Zumal diese 18 Euro Eintritt kostet – am Wochenende sogar 20 Euro.

Doch die Macher:innen beteuern eine gute und gewissenhafte Absprache mit Banksys Umfeld. Das passiere auch inhaltlich mit den Texten, die zu den Werken präsentiert werden. „Das ist alles auf seine Richtigkeit geprüft“, betont Kuratorin Virginia Jean. Auch findet man die Ausstellung bisher nicht auf Banksys Liste von Fake-Ausstellungen, die er auf seiner Homepage veröffentlicht hat. Originale von Banksy sind auf den 2000 Quadratmetern in den Königsbau-Passagen keine zu finden. Und das hat auch seinen Grund. „Viele seiner Werke sind in privatem Besitz. Oder sie sind noch an dem Ort, an den Banksy sie gesprüht hat. Und da sollen sie auch bleiben“, betont Kuratorin Virginia Jean.

Wir haben mit Stuttgarter Künstler:innen darüber gesprochen, was sie von der ganzen Sache halten. Niemand wurde gefunden, der die Ausstellung positiv sieht.

Frederik Laux, Fotograf und Co-Founder der Necktar Galerie:

Ich habe mir die Ausstellung angesehen und war ein wenig enttäuscht. Es ist totaler Mainstream. Für Menschen, die sich mit der Materie nicht auskennen, ist es super. Aber es gibt auch ein gutes Buch von ihm selbst, das ziemlich ausreichend ist.

SJKS - Sven Schoengarth, Künstler:

Banksys künstlerisches Talent liegt in seiner Fähigkeit, seine Kritik an Kapitalismus, Politik und Menschheit mit Humor und zynischem Witz auszudrücken. Die Tatsache, dass Menschen mit seinem Namen und seiner Kunst Geld machen, ist bizarr. Derzeit ist die Ausstellung nicht als „FAKE“ von Banksy gelistet, vielleicht kommt das noch.

In meiner Interpretation von Banksys Denkweise sollten Formate für lokale Künstler geschaffen werden, in denen Kunst und die darin enthaltene Gesellschaftskritik mit Menschen in Kontakt gebracht werden. Ohne zwingende, finanzielle Gegenleistungen. Ich werde weiterhin Streetart dort betrachten und schaffen, wo sie hingehört: im öffentlichen Raum.

Chris G., Künstler:

Ganz klar, hier versucht jemand die Banksy-Kuh zu melken und will mit dem Hype Geld verdienen. Peinlich für Stuttgart! Das ist kein Banksy – jemand hat sich Banksy-Bilder angeschaut und sie nachmalen lassen. Sehr billig, obwohl der Eintritt alles andere als das ist.

Sarah Gilgien, Grafik-Designerin, die ihren „Kleinen Regenbogen“ auch schon auf der Straße verewigte:

Ich stehe der Ausstellung kritisch gegenüber und frage mich, wie solch eine unauthorisierte Ausstellung ohne Beteiligung und Genehmigung des Künstlers legal möglich ist. Sie hat für mich wenig mit dem eigentlichen Anliegen Banksys und seiner Kunst zu tun. Ich vermute Banksy ist „not amused“.

Joaquin Lemaitre aka Fortune Hunter, Künstler:

Als Künstler und Banksy Fan finde diese Ausstellung einfach nicht in Ordnung, denn es profitieren andere Parteien davon ohne Genehmigung oder Beteiligung des eigentlichen Künstlers. Selbst wenn sich das Ganze gerade noch im legalen Bereich bewegt, ist es einfach ein Mangel an Fantasie. Dass es so viele große Institutionen als Sponsoren gibt, ist für mich ein Rätsel. Besser wäre: Entweder die Original-Werke in einer authentischen Show zu zeigen oder stattdessen die regionalen Künstler:innen zu unterstützen.