Die Stadtwerke Stuttgart und die EnBW haben am Freitag den Kooperationsvertrag für den gemeinsamen Betrieb des Strom- und Gasnetzes in Stuttgart unterschrieben. Streit gibt es aber beim Hochspannungsnetz – da droht der Rechtsweg.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Plötzlich ist alles ganz schnell gegangen: Am Freitagnachmittag haben die Stadtwerke Stuttgart und die Energie Baden-Württemberg (EnBW) den Kooperationsvertrag zu den Stuttgarter Strom- und Gasnetzen unterzeichnet, um den es zuletzt einigen Wirbel gegeben hat. Rückwirkend können nun die Eigentümer- und die Betriebsgesellschaft zum 1. Januar 2014 gegründet werden – letzter möglicher Termin für den Vertrag wäre der 31. August gewesen. Die schnelle Unterzeichnung war vor allem für die Stadtwerke wichtig, weil ihnen sonst Einnahmen für ein ganzes Jahr entgangen wären. Dem Vernehmen nach haben OB Fritz Kuhn und EnBW-Chef Frank Mastiaux persönlich die letzten Details ausgehandelt.

 

Bürgermeister Michael Föll, Stadtwerke-Geschäftsführer Michael Maxelon und Steffen Ringwald von der EnBW unterschrieben den Vertrag, dem noch die Gremien zustimmen müssen. Das größte Problem zwischen Stadtwerken und EnBW ist aber weiter nicht gelöst – der Streit darüber, ob das Hochspannungsnetz künftig zur Kooperationsgesellschaft gehört oder nicht. Die EnBW ist der Meinung, dass sie alleiniger Eigentümer der 150 Kilometer an 110-Kilovolt-Leitungen bleiben muss, weil es sich vorwiegend um Durchleitungen handele – diese Kabel führten weit über die Stuttgarter Gemarkung hinaus. Alle großen Energiekonzerne argumentieren ebenso. Die Stadtwerke wiederum vertreten die Ansicht, dass die 110-Kilovolt-Leitungen zum Verteilnetz gehören, das zur Versorgung der Endkunden benötigt werde. Es geht um viel Geld und um den Einfluss beim Ausbau der Stromnetze.

Der Streit um das Hochspannungsnetz ist deshalb beim jetzigen Vertrag ausgeklammert worden. Die Gespräche gehen weiter, aber es wird immer wahrscheinlicher, dass ein Gericht die Sache entscheiden muss. Sollte der Klageweg beschritten werden, so solle dies die Kooperation nicht belasten, betonten beide Seiten am Freitag. Aber ein Verfahren wird dauern. Und das hat Folgen.

Experte hält das Hochspannungsnetz für hochattraktiv

So kann die neue Netzgesellschaft, an der im Betrieb die EnBW zunächst 74,9 und die Stadtwerke 25,1 Prozent halten, mit der Entflechtung des Netzes nicht bis zu einer Gerichtsentscheidung warten. Also werden das EnBW-Netz und das neue Stuttgart-Netz nun so entkoppelt werden, dass das Hochspannungsnetz bei der EnBW bleibt. Die Zahl der Übergabepunkte ist dadurch höher, die Kosten für die Entflechtung liegen bei acht Millionen Euro. Sollte das Hochspannungsnetz später doch der gemeinsamen Netzgesellschaft zugesprochen werden, wäre diese Entflechtung zu einem großen Teil überflüssig gewesen.

Beim Gasnetz ist die Form der Entflechtung ebenfalls strittig. Da die Kosten mit 23 Millionen Euro deutlich höher sind, will man dabei umgekehrt verfahren: Erst wenn ein Gericht entschieden habe, werde entflochten – alles andere sei wirtschaftlich nicht vertretbar.

Den Stadtwerken entgehen auf Dauer oder zumindest bis zur Klärung Einnahmen aus dem Hochspannungsnetz. Dass es dabei um bedeutende Summen geht, daran zweifelt niemand. Carolin Heitzer von der Bundesnetzagentur glaubt allerdings nicht, dass mit dem Hochspannungsnetz, das etwa drei Prozent des gesamten Netzes ausmacht, 30 Prozent der Umsätze generiert würden – diese Zahl kursiert derzeit in Stuttgart. Aber es fließen viel größere Strommengen durch 110-kV-Leitungen als durch die etwa 5000 Kilometer an Nieder- und Mittelspannungsleitungen. Ein Stromexperte vermutet zudem, dass das Stuttgarter Hochspannungsnetz weitgehend abgeschrieben ist und deshalb nicht viel kostet: „Dann spielt da die Musik.“

Neues BGH-Urteil könnte Haltung der Stadtwerke stärken

Wie das eventuelle Gerichtsverfahren zwischen EnBW und Stadtwerken ausgehen wird, weiß niemand. Allerdings ist erst Anfang Juni ein Urteil des Bundesgerichtshofes (Az.: EnVR 10/13) ergangen, das manche Experten so interpretieren, dass die Chancen der Stadtwerke gestiegen sind. In dem Streit zwischen dem Energiekonzern Eon und der Stadt Homberg war es zwar um Mittelspannungsleitungen gegangen, aber die höchstrichterliche Entscheidung sieht so aus, dass der neue Konzessionsnehmer Anspruch habe auf alle örtlichen Verteilungsanlagen, „die für die Versorgung aller vorhandenen Netznutzer im Konzessionsgebiet notwendig sind“.

Stadtwerke wie EnBW haben zuletzt immer die gute Atmosphäre in den Gesprächen gelobt. Aber klar ist auch: Bereits der Rückkauf des Wassernetzes entscheidet sich vor Gericht, nun auch der Streit ums Strom- und Gasnetz. Und auch das Thema Fernwärme ist äußerst strittig. EnBW und Stadtwerke: sie sind derzeit Partner, Konkurrenten und Prozessgegner.