Der Wegfall eines Viertels der Plätze zur Heroinsubstitution in Stuttgart wirft ein Schlaglicht auf die aktuelle Lage. Mit mehr Vorausschau hätte man den jetzt hohen Handlungsdruck vermeiden können, findet Redakteur Mathias Bury.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Dass sich in der Drogenpolitik wieder etwas zusammenbraut, ist seit geraumer Zeit feststellbar. Die Zahl der substituierenden Ärzte, die Heroinabhängige mit dem Ersatzstoff Methadon versorgen, nimmt ab. Die verbliebenen Suchtmediziner sind vielfach im Rentenalter. Für jüngere Ärzte, die sich selbstständig machen, ist dieses Feld offenbar wenig attraktiv. Es fehlt an Nachwuchs.

 

Und der Glaube, dass das Problemthema Heroinsucht der Vergangenheit angehört, hat sich als falsch erwiesen. Auch wenn die Zahl der Drogentoten längst nicht mehr so hoch ist wie noch in den 1990er Jahren, steigt sie auch in Stuttgart seit einiger Zeit wieder. Es gibt neue Phänomene des sogenannten Mischkonsums, bei dem die Süchtigen verschiedene Drogen konsumieren, die für die Betroffenen fatale Folgen haben. Und es ist heute günstigerer Stoff auf dem Markt als noch vor Jahren.

Angst vor offener Drogenszene

Wer geglaubt hatte, man könne diese Entwicklung auf sich zukommen lassen, wird nun eines Besseren belehrt. Der drohende Wegfall eines Viertels der Substitutionsplätze in Stuttgart zum Ende des Jahres wirft ein hartes Schlaglicht auf die Lage. Plötzlich rücken wieder das Bild einer offenen Drogenszene im Zentrum der Stadt ins Blickfeld und die Erinnerung an das Problem der Beschaffungskriminalität.

Schnelles Handeln ist jetzt gefragt. Stadt und Kassenärztliche Vereinigung müssen sich einiges einfallen lassen, um diese drohende Entwicklung abzuwenden. Auch Ideen, von denen man bisher vielleicht nichts wissen wollte, wird man prüfen müssen, von der Containerlösung bis zum Einsatz eines Substitutionsbusses.

Längerfristig wird man in der Ärzteschaft um mehr Nachwuchs in der Substitution werben müssen und in der Bevölkerung um mehr Verständnis für neue Suchthilfeeinrichtungen in der Stadt. In der Bürgerschaft hat das Bewusstsein von der Bedeutung solcher Angebote eher abgenommen, das zeigen einige Beispiele in der Stuttgarter Innenstadt und im Süden.

Mangelnde Vorausschau

Fragen kann man sich an dieser Stelle, ob es hat sein müssen, dass das Drogenproblem jetzt wieder so überfallartig auf die Tagesordnung kommt. Hätten sich die Beteiligten in dem konkreten Fall der Praxis im Stuttgarter Westen frühzeitig mit der Sache befasst, hätte man wenigstens mehr Zeit für Alternativen gehabt.