Seit 25 Jahren moderiert Wieland Backes das "Nachtcafé“. Stets blieb der Moderator der Mann der leisen Töne – und kommt damit beim Publikum in Südwest an.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Stuttgart - Gerlinde Kretschmann trägt einen groben Wollrock und sagt, dass ihr Mann Winfried, der grüne Ministerpräsident, im Gegensatz etwa zu Karl Theodor zu Guttenberg nur die Früchte erntet, die er selbst gesät hat. Liliana Matthäus, die Ex des Ex-Fußballers, trägt am Ende ihrer sehr langen Beine schwarze Plateau-Highheels mit einer roten Sohle. Sie erzählt, dass sie bald ihren Namen ändern wolle, um nicht mehr vom Promifaktor ihres früheren Ehemanns zu profitieren.

 

Beim „Nachtcafé“ treffen Woche für Woche Gäste auf den grauen Ledersesseln im Entree des Ludwigsburger Schlosses Favorite aufeinander, die im normalen Leben wohl schnurstracks aneinander vorbeigehen würden. Am Freitagabend erweitern noch die Schauspielerin Uschi Glas und der blinde Bergsteiger Andy Holzer, die Bestsellerautorin Susanne Fröhlich, und der Chef der Drogeriemarktkette DM Götz Werner die Runde; Gerlinde Kretschmann ist selbstredend mit Winfried gekommen – Wieland Backes will mit ihnen ihre „Erfolgsgeheimnisse“ ergründen.

Das Thema der Jubiläumssendung ist natürlich kein Zufall

Der Anthroposoph Werner sagt: „Je besser man seine Kunden versteht, desto größer ist der Erfolg.“ Der Sechstausenderbezwinger Holzer sagt: „Man muss das Feuer in sich glühen lassen.“ Ohne Fleiß und Ehrgeiz kein Erfolg, weiß dagegen Susanne Fröhlich. Es ist natürlich kein Zufall, dass genau diese Leute genau solche Sätze genau an diesem Abend sagen und damit auch den Erfolg des „Nachtcafés“ analysieren: Die SWR-Talkshow feiert mit dieser 597. Sendung ihr 25-jähriges Bestehen.

Am 14. Februar 1987 spazierte Wieland Backes mit einem Strauß Tulpen im Arm durch die Glastür und begrüßte seine Zuschauer – „Schwierige Lieben“ lautete das Thema bei der Premiere, und unter den Gästen waren Christine Kaufmann und Dietmar Schönherr. Auch zu Beginn der Jubiläumsausgabe hat Backes Tulpen im Arm, ein deutlich runderes Gesicht und weniger Haare, aber genau die gleiche wohlige Stimme, dasselbe schüchtern-gewinnende Lächeln von damals. Selbst im Besonderen noch verlässlich sein, das ist eine vertrauensbildende Maßnahme, und Backes hat es fertiggebracht, das Vertrauen seiner Zuschauer nie zu enttäuschen. Mit zweistelligen Zuschauerquoten, die in der Spitze 18 Prozent erreichen, gehört das „Nachtcafé“ zu den Flaggschiffen des SWR. Das Format ist sich stets selbst treu geblieben: 25 Jahre lang der gleiche Ort, das gleiche Konzept – die unterschiedlichsten Menschen erzählen persönliche Geschichten über ihr Leben. Und vor allem: der gleiche Moderator.

Die Mentalität des Moderators passt zu der des Publikums

Damals, erzählt Wieland Backes einen Tag vor der Aufzeichnung der Geburtstagssendung, habe er sich einfach hingesetzt und moderiert, mit seiner Sprache, seiner Ironie, seinem Humor. Im Zusammenspiel mit den Zuschauerreaktionen habe sich hernach der viel gerühmte „Stil“ dieses Südwest-Talks herausgebildet. Gemeint ist damit wohl seine behutsam-naive, aber beharrliche Art zu fragen und sich dabei manchmal vertraulich den Gästen entgegenzuneigen, seine Zurückgenommenheit bei gleichzeitiger Angriffslust, mit der er die Menschen dazu bringt, sich in die Karten schauen zu lassen, ohne sich auszuliefern. Vielleicht ist aber auch ein Großteil des Erfolgs des „Nachtcafés“ einfach darin begründet, dass die Mentalität des Moderators und die des Publikums weitgehend deckungsgleich sind. „Hier im Südwesten“, sagt Backes, „liebt man die Zwischentöne, das Leisere, weniger das Marktschreierische, den vordergründigen Effekt“.

Von seiner Sendung sagt der Talkmaster, sie sei eine „ mitmenschliche Veranstaltung mit dem Ziel der Wahrheitsfindung“. Über welche andere Talkshow lässt sich das heute schon sagen? Der Boulevard à la Backes hat immer auch Seminarcharakter, und so nimmt es kein Wunder, dass sich der „ungekrönte König des Niveautalks“, wie ihn einmal die „Zeit“ tituliert hat, „bestürzt“ zeigt über den „Niedergang der TV-Unterhaltung“, wenn sie mit Menschen und ihren Hoffnungen nur spiele. Die Inflation der Talkshows macht das Geschäft allerdings auch für den 65-Jährigen und sein Team schwieriger: „Es gibt einen deutlich spürbaren Kampf um den Gast.“

Ermüdungszeichen lässt der „Menschenöffner“ dennoch nicht erkennen. Bei der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt, um aufzuhören, vertraut er ganz auf sein Publikum: „Die Zuschauer geben uns das richtige Signal zur richtigen Zeit.“