Die syrisch-orthodoxe Gemeinde weiht am Sonntag ihre neue Kirche in Bietigheim-Bissingen ein. Eine Bürgerinitiative hatte hartnäckig gegen das Großprojekt gekämpft, jetzt ist Ruhe eingekehrt. Hält der Frieden?

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Bietigheim-Bissingen - Sie haben lange nach einem Grundstück gesucht, sie haben lange um die Baugenehmigung gekämpft, sie haben lange geplant und lange gebaut – und jetzt sind sie am Ziel: Nur noch wenige Tage, und die Mitglieder der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien haben endlich ein eigenes Gotteshaus. Am Sonntag feiert die Gemeinde Mor Petrus & Paulus in Bietigheim-Bissingen die Einweihung der neuen Kirche am südlichen Rand von Bissingen. „Für uns wird ein Traum Wirklichkeit“, sagt Numan Acar, der Vorsitzende der Gemeinde.

 

Dass Christen eine neue Kirche in Deutschland bauen, ist eine absolute Seltenheit, denn sowohl die katholischen als auch die evangelischen Gemeinden leiden unter rückläufigen Mitgliederzahlen. Nicht so die syrisch-orthodoxe Kirche. Inklusive aller Familienangehörigen und Kinder hat Mor Petrus & Paulus nach eigenen Angaben rund 2000 Mitglieder, die meisten leben in Bietigheim-Bissingen, viele auch in Tamm, Sachsenheim oder Ditzingen, und mit der Flüchtlingskrise ist die Zahl noch einmal gestiegen.

Die Kirchengemeinde zahlt das Großprojekt aus eigener Tasche

Das erklärt, warum die Standortsuche so lange dauerte. Satte 6300 Quadratmeter ist das Grundstück groß, die Kirche mitsamt Gemeindezentrum wird rund 600 Besuchern Platz bieten. Über die Kosten gibt es keine offizielle Auskunft, von rund vier Millionen Euro ist die Rede. Und das ist nicht alles: In den nächsten Jahren soll noch ein Veranstaltungssaal hinzukommen. Die syrisch-orthodoxe Gemeinde zahlt das Großprojekt aus eigener Tasche. Es handle sich um ein „rundum gelungenes“ Vorhaben, sagt Acar. „Die Akzeptanz ist riesig, auch bei den Nachbarn.“

Das war nicht immer so, im Gegenteil. Als die Pläne vor Jahren publik wurden, bildete sich vor Ort schnell eine Bürgerinitiative – und die Angelegenheit wurde zum Politikum, mit dem sich sogar der Landtag befassen musste. Die Anwohner protestierten nicht gegen die Kirche, wohl aber gegen den Standort. Das Gebäude mit dem fast 25 Meter hohen Turm steht im Wohngebiet Hopfengärten in Bissingen. Die Bewohner schlugen Alarm, weil sie befürchteten, dass ihr Viertel im Verkehrschaos ertrinkt, wenn regelmäßig mehrere Hundert Menschen zu den Gottesdiensten anreisen. Auch gebe es, so der Vorwurf, viel zu wenige Parkplätze.

Die Stadt Bietigheim-Bissingen allerdings unterstützte das Bauprojekt und legte ein Gutachten vor, in dem nachgewiesen wurde, dass die Verkehrserschließung funktioniere und die Anzahl der Stellplätze ausreichend sei. Die Bürgerinitiative reagierte mit einem Gegengutachten und wandte sich 2015 an den Petitionsausschuss des Landtags – ohne Erfolg. Die Antwort aus Stuttgart: Der Widerspruch sei unbegründet.

Die Stadt verteidigt die Planungen

Und heute? Ist offenbar Ruhe eingekehrt. Seit die Petition abgelehnt wurde, habe es keine Beschwerden oder Proteste mehr gegeben, sagt die Stadtsprecherin Anette Hochmuth. Ob der Frieden dauerhaft hält, wird sich allerdings erst in den kommenden Wochen zeigen, wenn die Kirche ihren Betrieb aufnimmt und die Gottesdienste beginnen. Die Stadt gehe nach wie vor davon aus, dass alle Prognosen zur Verkehrsentwicklung richtig gewesen seien und es „keine wesentlichen Verkehrsprobleme geben“ werde, sagt Hochmuth. Man freue sich, dass eine so wichtige christliche Gemeinschaft nun eine neue Heimat gefunden habe. Immerhin handle es sich um „ein ziemlich einmaliges Bauvorhaben“.

Circa 60 Gemeinden mit geschätzt 100 000 Mitgliedern umfasst die syrisch-orthodoxe Kirche von Antiochien in Deutschland, weltweit sind es zwei Millionen bis vier Millionen Mitglieder, die Schätzungen schwanken stark. Die Ursprünge dieser altorientalischen Gemeinschaft reichen zurück bis ins 3. Jahrhundert. In Bietigheim-Bissingen sind die Mitglieder gut integriert, ihre Gottesdienste feierten sie oft in Kirchen der dortigen katholischen Gemeinde. „Und sie sind sehr präsent, bringen sich ein, etwa bei Festen und Veranstaltungen“, sagt Hochmuth. Auch deswegen sei die Stadt froh, dass „diese Geschichte nun zu einem guten Ende gekommen ist“.